Die letzten fünf Monate

27 - Freitag, 19. Mai

Ich habe mich heute nochmal mit meiner Freundin getroffen, wir haben ehrlich über unsere Gefühle (bezüglich meiner Krankheit) geredet. Sie, wie sehr sie Angst hat und dass sie hofft, es dauert noch lange, bis ich sterbe. Und ich darüber, wie sehr ich Angst habe, aber auch darüber, dass ich nicht sterben will - auch, weil ich meine Familie und sie nicht alleine lassen will. Wir haben haben zusammen viele Tränen geweint, Tränen um unsere Freundschaft. Um eine Freundschaft, die der Krebs zerstören wird.

Jetzt weiß ich noch vielmehr, was mir an ihr liegt - und wie sehr ich eigentlich Angst vor dem Sterben habe. Ich will noch nicht! Unsere Freundschaft ist für sie/uns so wichtig. Ich will noch nicht! Meine Familie würde das nicht verkraften. Sie würde das nicht verkraften.

Für mich würde es dann einfach aus sein, ich werde dann nicht mehr an meine trauernden Verwandten denken können, werde nicht mehr an unsere Freundschaft zurückdenken - für mich wird es dann einfach aus sein.

Ich habe ja auch hier davon geschrieben, wie ich meiner Klasse von meiner Krankheit erzählt habe - und wisst ihr, was die für mich gemacht haben? Sie haben zusammen mit meiner Klassenlehrerin organisiert, dass wir am Mittwoch ins Theater gehen - in Magdalena Hinmelstürmerin, mein Lieblingsbuch, das es jetzt auch als Bühnenstück gibt. Ist das nicht irre? Meine Klasse, in der mich kaum einer gemocht hat, macht soetwas für mich?! Wisst ihr, wie mir da das Herz aufgeht? Ich habe mich da so drüber gefreut. Sie meinten, sie wollten mir nochmal eine Freude machen - eigentlich kläglich, wenn sie Klasse erst etwas für einem macht, wenn man kurz vor der Sterben liegt. Naja - ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut!

Aber bitte, lass mich nicht sterben! Ich habe das nicht verdient - ich bin dich noch nichtmal erwachsen geworden! Ich brauche noch Zeit! Zeit, bis ich mein Leben gelebt habe. Bitte! Gib mir noch mehr Zeit, als die 692 Stunden!