29 - Dienstag, 23. Mai

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Ich habe heute so geweint - ich will noch nicht sterben! - auch wenn es "erst" in 3 Wochen wäre.
Ich hoffe noch auf 3 Wochen, andere auf 75 Jahre! Das ist doch nicht fair?! Wieso ich? Ich hatte mir mit meiner Freundin so genaue Pläne für unsere Zukunft gemacht - und jetzt?
Wenn ich mir vorstelle, an ihrer Stelle zu sein... Irgendwie bin ich dann doch froh, dass ich ich bin und nicht miterleben muss, wie meine beste Freundin stirbt. Ich glaube, ich wäre im ersten Moment wütend auf sie - dann auf die Ärzte und den Krebs. Und dann hätte ich Mitleid mit ihr - aber genau das hat meine Freundin nicht und ich bin froh darüber. Ich wollte und will kein Mitleid - ich meine, was bringt Mitleid, außer dass man sich selbst nicht ganz ernstgenommen fühlt?

Ich finde es nicht fair, dass ich bald sterben muss, wo ich jetzt endlich "in meiner Klasse angekommen bin". Ich finde es nicht fair, dass ich nicht einmal erwachsen werden durfte. Ich finde es nicht fair, dass ich kämpfe, wie vielleicht kaum welche - und es trotzdem nicht geschafft habe. Ich finde es nicht fair, dass ich innerhalb der nächsten 3 Wochen sterben muss.

Ich wünsche mir irgendwie, dass die Ärzte zu mir kommen und sagen, es gäbe eine neue Heilungmöglichkeit oder der Krebs hätte sich doch zurückgebildet. Oh Gott, wie sehr ich das doch hoffe - oder es mir ausmale.
Aber das wird nie passieren. Nie. Das haben mir die Ärzte oft genug eingetrichtert - aber ihr kennt das auch, man glaubt immer, einen selbst hat es nicht so schlimm erwischt? Oder man selbst hat auf einmal eine unentdeckte "Gabe" oder sowas, die einen rettet?

Überlebt mal - am Anfang dieses Buches hatte ich noch fünf Monate, was bis September gewesen wäre. Und dann sind täglich 86.400 Sekunden vergangen, nach etwa zwei Wochen war es schon eine Million Sekunden weniger. Am 7. Mai habe ich erfahren, dass ich noch eineinhalb Monate habe, obwohl ich ursprünglich noch etwa 4 hätte haben sollen bzw. dürfen. Und jetzt? Es sind noch 3 Wochen. 3.
Wieso muss Zeit so schnell vergehen? Wieso muss Zeit zu schnell vergehen?

Trotzdem freue ich mich so auf morgen, das Theaterstück! (Soll ich dazu nochmal so eine "Szene" nacherzählen, wenn etwas schönes passiert?) Dann kann ich für zwei Stunden meine Krankheit vergessen - und vergessen, dass ich nurnoch 594 Stunden habe. 594.

Die letzten fünf MonateWhere stories live. Discover now