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“Luke, ich äh muss jetzt gehen. Du weißt schon,  Mittagessen?“ Meine Stimme klang so hoch und krächzend, dass es in meinen Ohren weh tat- vielleicht in seinen auch. Er kicherte.

Ich war verwirrt. “Was ist so lustig?”, wollte ich wissen. Er zuckte mit den Schultern, ehe er sich erinnerte, was ich zuvor gesagt hatte und sein Gesichtsausdruck änderte sich wieder.

Er bewegte seine Lippen, aber kein Laut war zu hören, ich verstand ihn dennoch.

'Wie kannst du so etwas sagen?'

„Du weißt weder noch, was passiert ist und es geht dich auch nichts an. Kann-Kann ich etwas mehr Platz haben? Es ist irgendwie schwer zu atmen“ Was ich sagte, war wahr. Ich konnte zu viel Nähe nicht sehr gut tolerieren. Nicht, wenn er wütend war. Mein Atem wurde schwer und die Nähe wurde unerträglich.

„Bitte“

Er wich ein wenig zurück, aber seine Arme hielten mich immer noch gefangen. „Luke! Lass mich los oder ich schlage dich da, wo es wehtut!“ Es war irgendwie süß, wie ängstlich er auf einmal aussah. Dennoch, er rollte nur mit den Augen, nachdem er sich wieder gefangen hatte.

'Dann erklär‘ mir wenigstens, warum du bewusstlos warst'

Ich schüttelte den Kopf. Meine Großmutter, war die einzige, die Bescheid wusste. Und so sollte es auch vorerst bleiben. Ich hoffte sowieso, dass es bald weg sein würde. Er sah verletzt aus, als ich meinen Kopf erneut schüttelte. Warum? Wie lange kannten wir uns? Was für ein Recht hatte er, deswegen traurig zu sein?

„Bis morgen“, murmelte ich, als er endlich die Arme herunter nahm und ich das Haus verließ.

...

Ich versuchte gegen die Tränen anzukämpfen- ja das tat ich wirklich, aber ich war nicht stark genug. Ich hasste es, zu weinen. Ich fühlte mich immer so schrecklich schwach. Aber ich konnte nicht mehr.

Die Tränen rannen über mein Gesicht und verschmierten mein Make-Up. Ich hatte mich in meinem Zimmer eingesperrt, ich wollte nicht dass mich irgendjemand so sah. Hastig suchte ich sämtliche Bilder zusammen und begann sie in kleine Streifen zu reißen. Warum ich sie überhaupt behalten hatte, war mir ein Rätsel. Er hatte mein Leben zur Hölle gemacht. Ich starrte auf das letzte Foto. Es zeigte mich und ihn letztes Jahr. Er hatte einen Arm um meine Hüfte geschlungen und wir grinsten beide glücklich in die Kamera. Wie naiv ich doch gewesen war. Das war bevor alles anders wurde.

Ich hatte vergessen, dass manche Leute sich wie Parasiten in ein Leben schlichen, um es dann langsam und qualvoll zu zerstören.

 Mein Körper wurde so von Schluchzern geschüttelt, dass ich nicht einmal mehr eine Zigarette anzünden konnte. Ich hasste dieses Gefühl. Die Schwäche. Ich wollte einfach nichts spüren, so wie meisten. Aber im Leben gab es nun mal auch Schmerz und Leid. Und ich hasste es.

Als ich aufblickte, und aus dem Fenster sah, erkannte ich Luke, welcher am Fenster stand und mich geschockt anstarrte. Seine Augen hatte er weit aufgerissen. Er sah mich in meinem schlimmsten Zustand.

Warum passierte so etwas immer mir?

...

Am nächsten Tag stand ich früher auf, sodass ich ihm nicht begegnen musste. Ich konnte es nicht. Wie sollte ich ihm in die Augen blicken können, wenn ich genau wusste, dass er mich am Boden zerstört gesehen hatte? Ich setzte mich vor Schulbeginn in die Pausenhalle und las. Ich war ein regelrechter Buchwurm. Ich bevorzugte es schon immer, die Bücher auf Englisch zu lesen, ich wusste nicht einmal genau, weshalb. Ich denke, ich fand einfach den Klang dieser Sprache viel schöner. Die Worte schienen so viel mehr Sinn zu ergeben. Auf Deutsch wurde ich beleidigt, zerstört und angelogen.

My Dilemma [Completed]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt