Analyse: "Plötzlich eine Jenner"

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In der Fanfiktion „Plötzlich eine Jenner" thematisiert die Autorin Team_Love die Makel der Promiwelt, sie kritisiert den Materialismus, mangelnde Bildung und die heuchlerischen Persönlichkeiten der Stars und Sternchen. Dabei verwendet sie Mittel, die dem unaufmerksamen Leser schnell entgehen können. In folgendem Text werden einige aufgezählt und erklärt.

Die Geschichte dreht sich um ein Teenager Mädchen, das der Leser als Katy Steinfeld kennen lernt, das aber bald herausfindet, dass sie tatsächlich ein Mitglied der Jenner-Familie ist und adoptiert wurde. Sie kehrt zu ihrer leiblichen Familie zurück und lebt sich schnell in den Promi-Alltag ein. Als dann jedoch Justin Bieber nach der Grammy-Verleihung romantische Gefühle für sie entwickelt flieht sie zu ihrer besten Freundin Mia und versucht wieder ein normales Leben zu führen. Gemeinsam gehen sie und Mia auf ein Justin Bieber Konzert, wo der Sänger und sie sich küssen. Sie kehrt zu den Jenners zurück und kommt mit Justin Bieber zusammen.

Der Autorin gelingt das Kunststück, den dramatischen Plot vollkommen in Belanglosigkeiten untergehen zu lassen. Plottragende Szenen werden in wenigen Sätzen abgehandelt, begleitet von sprunghaften Gedanken der Ich-Erzählerin Katy. Alltägliche Szenen wie Gespräche über Promis, Jungs und Social Media mit Mia dagegen werden lang ausgeschmückt, oft mit überzogenen aber kurzlebigen Emotionen. Damit wird deutlich angesprochen, wie die Medien uns mit Promigeschichten und –Skandalen die Bevölkerung vom Wesentlichen, wie politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen, ablenken.

Sehr auffällig sind die übermäßigen Rechtschreibfehler, die dem Text mitunter einen neuen Sinn geben. Anders als der Leser zunächst annehmen mag sind diese jedoch beabsichtigt und kritisieren unterschiedliche Aspekte. Ein Fehler, der sich seit dem Klappentext durch die Geschichte zieht ist die falsche Schreibweise „alopiert" statt „adoptiert". Dieser vermeintliche Fehler thematisiert das Problem, dass Bildung für die Jugend einen immer kleineren Stellenwert hat. Rechtschreibung wird vernachlässigt, Kommas sind für Streber und Anglizismen, versehentliche Wortneuschöpfungen und Abkürzungen nehmen im Zeitalter von WhatsApp Überhand. Auf dasselbe zielen die Schreibweisen „Fack" für „Fuck" und „negste" für „nächste" ab.

Die konstante Verwechslung von „bestehlen" und „bestellen" dagegen hat eine andere Bedeutung. „,,Ich habe Hunger können wir Pizza bestehlen"" Dieser Satz spricht den Wohlstand der meisten Promis an der in vielen Fällen kaum selbstverdient oder zumindest unverhältnismäßig zu ihrer Leistung ist. Die Autorin geht sogar so weit, ihn als Diebstahl an den Ärmeren der Welt darzustellen, was der Geschichte einen deutlich kommunistischen Subtext verleiht.

Die dritte Art der Fehler, die sich im Laufe der Geschichte finden lassen, deutet auf die Autokorrektur von Smartphones hin. „„Hast du zuverlässig auch Cola?"" Es ist offensichtlich, dass das Wort „zufällig" gemeint war, dennoch wirkt die Frage dadurch fordernder und dominanter. Dies spielt auf die Gefahr von Missverständnissen an, die durch die Autokorrektur entstehen können.

Aber das ist nicht der einzige Weg, mit dem die Autorin die unnötige Entstehung von Missverständnissen anspricht. Die ganze Geschichte ist sehr wirr zu lesen, da sie aus der Ich-Perspektive von einem Teenager Mädchen erzählt, das oft von einem Gedanken zum anderen springt. Dies sorgt nicht nur für Missverständnisse und dafür, dass die Geschichte sehr unübersichtlich ist, sondern macht den Charakter Katys auch sehr schwankend. Selten hält sie eine Meinung über mehrere Kapitel, sondern ändert ihre Ansichten schnell. Besonders auffällig im Kontrast zwischen Kapitel acht, in welchem sie Justin Bieber zum ersten Mal begegnet und ihm gegenüber eine sehr ablehnende Position einnimmt, und Kapitel neun, in welchem sie mit ihm in einen Club geht. Häufig gibt es keinen sichtbaren Grund für ihre Meinungsänderung und wenn geht er meist in den bereits angesprochenen Gedankensprüngen unter.

Mit dieser Sprunghaftigkeit kritisiert die Autorin deutlich die Schnelllebigkeit dieser Zeit, die durch das Internet und der Überflutung mit Informationen herbeigeführt wird.

Darüber hinaus stellt sich die Autorin gegen die Globalisierung der englischen Sprache, indem sie oft deutsche Nach- und Straßennamen verwendet, obwohl die Geschichte in den Vereinigten Staaten spielt. So wohnt beispielsweise Justin Bieber in der „Einhorngrasse" (sic!) in Los Angeles. Womöglich versteckt sich dahinter der Patriotismus der Autorin, die sich damit gegen die Ausbreitung der englischen Sprache ausspricht und dagegen die Verbreitung der deutschen Sprache befürwortet.

Mit dem vollkommenen Fehlen eines Spannungsbogens, geschweige denn eines Peripeties weigert sich die Autorin dem klassischen Schema der Literatur zu folgen und schafft es dennoch, den Leser weiterhin für die Geschichte zu interessieren.

Alles in allem versteckt sich in der zunächst unterdurchschnittlich wirkenden Fanfiktion eine gelungene Gesellschaftskritik, die ein weites Spektrum an Problemen anspricht. Mit dem Thema der Geschichte und den auftretenden Berühmtheiten erreicht sie zudem genau die richtige Zielgruppe. 

Analysen literarischer PerlenWhere stories live. Discover now