Kapitel XXV - Logan

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»Wo gehen wir hin?«, fragte ich, während Noah mich an meiner Hand hielt und in Richtung Wald zog. Er ging viel zu schnell für die normalen Umstände, ich spürte, wie sein Herz wild gegen sein Brustkorb schlug. Ich spürte es, denn mir ging es genauso. Es war regnerisch, und eine Zeit lang konnte man nichts außer das Stampfen unserer Schuhe im Wald hören.

»Noah, zum letzten Mal, wo gehen wir hin?«, fragte ich erneut, und dieses Mal machte er auch wirklich Anstalt mir zu antworten.

»Zum Rudel«, antwortete er und beschleunigte sein Tempo. Er kramte mit seiner anderen Hand sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.

»Sam? Hallo? Samuel? Trommle alle zusammen. Ja, alle. Auch Ella.« Er warf einen Blick in meine Richtung und redete weiter.

»Besonders Ella. Ja, wir sind in zwei Minuten da. Bis dann.« Er ließ das Handy wieder in seine Hosentasche gleiten und zog mich weiter. Ihm Fragen zu stellen oder irgendwie anderweite Kommunikationsversuche einzugehen war zwecklos. Also ließ ich mich einfach weiter fortziehen. Schritt für Schritt stieg meine Nervosität, was hatte da alles mit meiner Familie zu tun? Aus der Ferne konnte ich dann tatsächlich schon die winzigen Umrisse des Rudels sehen. Noah verlangsamte seine Schritte, als wir endlich dem Rudel gegenüberstanden.

»Was ist los, Noah?«, fragte Samuel und sah uns fragend an. Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern und die Blicke waren weiterhin auf Noah gerichtet.

»Wo sind Ella und Logan?«, fragte Noah und schaute sich um.

»Sie – beziehungsweise Ella hat sich verweigert, zu kommen.« Man hörte ein tiefes Knurren aus Noahs Kehle. Kurz darauf wollte er mich weiter ziehen, jedoch hielt ich dieses Mal inne.

»Ich gehe nirgendwo hin, ehe du mir nicht sagst, was das mit Ella und Logan zu tun hat.« Doch dies schien ihn keinesfalls zu irritieren. Er packte mich auf beide Arme und trug mich in Windeseile davon.

»Noah, warte mal«, schrie Samuel und hatte uns eingeholt.

»Jetzt nicht, ich versuche schon die ganze Zeit nicht daran zu denken!«, sagte Noah verzweifelt, hielt mich immer noch auf den Armen.

»Ist es das was . . .« Noah nickte nur stumm den Kopf. Samuel ließ uns freie Bahn und so beschleunigte Noah seine Schritte um das Dreifache. Als ich ein kleines aus Holz gebautes Haus mitten im Wald sah, ließ Noah mich endlich herunter.

»Was machen wir hier?«, fragte ich unsicher und schaute mir das kleine Haus an. Noah hatte schon längst angeklopft und eine zierliche kleine Frau mittleren Alters öffnete die Tür. Sie hatte pechschwarzes Haar und dunkelblaue Augen.

»Noah, was . . .« Sie verstummte, als ihr Blick meines traf.

»Hazel? Ich habe hier jemanden für dich. Alyssa«, sagte Noah und zeigte auf mich. Ihr Haar, ihre Augen, ihre Gesichtsform, es erinnerte mich total an mich.

»Alyssa?«, sagte sie und kam auf mich zu. Sie führte ihre Hand in meine Richtung und legte sie mir auf die Wange. Ich starrte ihr nur ahnungslos in die dunkelblauen Augen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Kommt . . . kommt doch . . . Richard!!! Kommt rein, bitte«, sagte sie und zog mich förmlich in das kleine Haus.

»Eleonora, Logan, Richard«, schrie sie und zog uns weiter in einen großen Raum, welches ich als Wohnzimmer vermutet hatte.

»Noah, wie hast du . . .«

»Hazel, ich habe die Puzzleteile zusammengefügt. Du hattest mir gesagt, dass du mal eine Tochter hattest . . . sie aber seit Jahren vermisst. Ella hatte einmal etwas von ihr erwähnt, ihr kanntet Blake, dann die Sache mit Logan und Irina . . .« Er verstummte.

»Du bist es wirklich, mein Schatz«, sagte die Frau und zog mich – ohne dass ich es kontrollieren konnte – in eine Umarmung. Ich hörte, wie sie weinte und ihren Kopf in mein Haar vergrub. Ich stand reglos da und musste erst einmal verarbeiten, was hier gerade passierte. Ich hörte Schritte, die sich dem Wohnzimmer näherten.

»Mom, was ist hier los?«, fragte eine weibliche Stimme, die mir nur allzu gut bekannt vorkam. Es war Ellas Stimme. War ich jetzt etwa Ellas . . .?

»Mein Mädchen, mein Schätzchen«, murmelte die Frau in mein Ohr und hielt mich immer noch fest. Ich drückte sie auf einmal weg von mir und starrte sie – alle, die in diesem Raum standen, fassungslos an.

»Ich kenne Sie nicht einmal«, sagte ich mit Tränen in den Augen, denn ich wusste, es war gelogen. Ein Teil von mir hatte sich so geborgen in ihren Armen gefühlt, aber ein anderer Teil von mir wollte nicht wahrhaben, dass meine Eltern, die unter der kalten Erde lagen, nicht meine Eltern waren.

»Hazel, ist sie . . .?«, fragte der Mann, der vermutlich Richard hieß und Hazel nickte nur. Im Augenwinkel sah ich nur, wie der Junge, der vermutlich Logan hieß auf mich zukam und mich anstarrte.

»Das ist unmöglich . . .«, murmelte er und zog mich ebenfalls in eine Umarmung. Er war groß und breit gebaut, komisch, dass er mir im Rudel noch nie aufgefallen war. Er hatte ebenfalls die gleichen Augen wie ich, und ebenfalls die gleichen pechschwarzen Haare.

»Die ganze Zeit warst du in meiner Nähe und . . .« Seine Stimme hörte sich nur noch wie ein Schluchzen an.

»Stopp«, schrie ich und löste mich von ihnen.

»Das kann doch alles nicht wahr sein! Alyssa kann nie meine verlorene Schwester sein«, schrie auf einmal Ella – oder auch Eleonora von der Seite. Jetzt betrachtete ich sie genauer, viel genauer als sonst. Sie war mir wie aus dem Gesicht geschnitten. Ihr wütender Gesichtsausdruck, ihre verwirrte Miene, alles erkannte ich an mir selber wieder.

»Das reicht mir jetzt«, schrie ich und begann mit schnellen Schritten das Haus zu verlassen. Ich hörte, wie Noah mir hinterherschrie aber ich ignorierte es gekonnt. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten und fing an zu rennen. Als ich mich dieses Mal unkontrolliert verwandelt hatte, spürte ich die Schritte eines Wolfes hinter mir. Doch dies ließ mich nicht langsamer werden, im Gegenteil. Ich wurde immer schneller. Der andere Wolf war jedoch noch schneller und langsam sah ich die Tatzen eines rostbraunen Wolfes neben mir. Ich hatte keine Ahnung, wer das war, aber ich wurde nicht langsamer.

Die Schritte verlangsamten sich und für einen Moment dachte ich, gesiegt zu haben, nur um kurz darauf den gleichen Wolf vor mir zu sehen. Er verwandelte sich zurück und ich sah Logan vor mir. Auch ich nahm die menschliche Gestalt an und starrte ihn an.

»Meine Prinzessin«, murmelte er und wollte einen Schritt auf mich zu machen, jedoch wich ich automatisch einen zurück.

»Weißt du, früher, als ich dich das erste Mal in den Armen gehalten habe, war das erste, das ich dir zugeflüstert hatte, >meine Prinzessin<. Als ich dich das erste Mal in den Armen gehalten hatte, und du mich mit deinem zuckersüßen Lächeln bezaubert hattest, war ich wie gedämmt von dir. Dich wegzugeben, und das wegen meines dummen Fehlers, war das schlimmste, was ich je machen musste. Ich habe doch nur geliebt, und meine Liebe zu Irina hatte einen hohen Preis. Und dieser Preis warst du. Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit gehabt, euch beide zu behalten. Aber als Blakes Sohn . . . Kleines, es tut mir so leid«, sagte er und mir flossen unkontrolliert die Tränen.

»Was ich nicht alles tun würde, um dich einmal in die Arme zu nehmen«, sagte er wieder. Und dieses Mal konnte ich mich nicht mehr zurück halten und fing an, auf ihn zuzulaufen. Er nahm mich in eine feste Umarmung und wir fingen beide an zu weinen.

»Du bist so ein wunderschönes Mädchen geworden, lass dich mal ansehen«, sagte er und drehte mich einmal im Kreis. Auf einmal hörte ich Schritte und drehte mich um. Vor mir stand Richard, mein Vater. Auch ihm fiel ich in die Arme und fing an zu schluchzen.

Ihr Lieben, vielen vielen Dank für 1k reads!!!

Habt ein schönes Wochenende!

Eure G. <3


Run (abgeschlossen)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora