39: Immer ein bisschen näher

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"Das ist doch totaler Schwachsinn!", beschwerte sich Luca wütend und wollte auf Alfonso losgehen, doch ich hielt ihn zurück. Ich trat näher an Alfonso heran und runzelte meine Stirn. "Du und Caruso...ihr seid beide mit Miguel befreundet?", fragte ich nach. Er sah mich misstrauisch an. "Woher weißt du von Caruso?"
"Er hat es mir gesagt", zuckte ich mit den Schultern. Er presste seine Lippen aufeinander und nickte dann schwer.
"Dann seid ihr die Komplizen von Miguel, die noch in der Organisation geblieben sind...okay, aber wenn ihr mit Miguel gemeinsame Sache macht, dann doch irgendwie automatisch auch mit der Königin, oder nicht?", überlegte ich. Vielleicht kamen wir nun endlich ein paar Schritte vorwärts.

"Miguel hilft der Königin. Wir helfen Miguel." Ich ballte meine Hand leicht zu einer Faust. Er wollte ein Spiel spielen? Das konnte er haben!
"Dann ist es ja bestimmt nur Zufall, dass du hier als Stallbursche arbeitest. Außerdem sind wir noch am Leben und wenn ihr wirklich zu der anderen Seite gehören würdet, dann hättet ihr sie einfach machen lassen. Ihr wollt uns für irgendetwas, doch für was, das kann ich einfach nicht verstehen!" Durchdringlich sah ich Alfonso von oben herab an. Er funkelte mich nur böse an und ich war kurz davor ihm eine zu klatschen, doch ich konnte mich noch zusammenreißen.

"Hast du überhaupt eine Ahnung, wie schrecklich es ist, wenn man von der anderen Seite gesucht wird? Wenn man eine der Organisationen hintergangen hat und nun flüchten muss?", sprach er und ich ließ die Worte in meinem Kopf widerhallen. "Er ist euer Direktor und hat euch so viele Möglichkeiten bereitet! Ohne ihn, wärt ihr doch gar nicht hier! Ihr könnt ihn nicht einfach hängen lassen!" Ich kniff die Augen zusammen und starrte ihn wütend an. Dann beugte ich mich ein wenig zu ihm runter und sagte: "Erstens, mein Direktor ist er nicht. Zweitens, Miguel hat uns und die Jungs geschickt, weil er sagte, die Königin hat die besten Agenten angefordert und nun stellt sich heraus, dass sie uns plant, alle umzubringen. Drittens, wird Miguel von der anderen Seite gesucht und jemand will sich auch an mir rächen, also habe ich genug Probleme mit denen und ich will nicht, dass sie denken, ich würde Miguel schützen. Viertens, führt ihr hier alle was im Schilde und selbst wenn du und Caruso bloß als Komplizen und Doppelagenten bei der anderen Seite seid, ich trau' euch nicht wirklich. Fünftens, wenn ihr wirklich glaubt, wir würden euch nicht auf die Schliche kommen, dann habt ihr euch getäuscht, denn wir sind alle nicht auf den Kopf gefallen und werden eure ganzen Spielchen noch aufdecken!"

Er fing an doof zu grinsen und ich fragte mich, was daran jetzt so lustig war. Ich richtete mich wieder auf und stemmte die Hände in die Hüften. "Die Kleine meist du", sagte er und ich sah ihn nur verwirrt an, weil ich nicht wusste, was er meinte. "Marianna. Die kann ganz schön fies sein", schnalzte er mit der Zunge. Worauf wollte er hinaus? "Die meinst du doch. Die will Rache an dir nehmen? Wow...du Arme tust mir ja fast schon ein wenig leid. Mit der sollte man sich lieber nicht anlegen." Ich presste meine Lippen leicht zusammen. "Die wird dich locker umbringen, wenn du nicht aufpasst."
"Das weiß ich selbst, also halt deine Schnauze! Dann könnt ihr doch froh sein, wenn sie mich umbringt, dann braucht ihr es nicht mehr erledigen!", platzte mir der Kragen. Warum war sie bloß meine Cousine? Warum waren wir bloß verwandt?

"Wir brauchen dich aber noch lebendig", meinte er, als wäre es das normalste Gespräch der Welt, welches wir hier führten.
"Ach ja? Und wofür verdammt?!"
"Du musst noch etwas erledigen, was uns wirklich sehr helfen würde." Er grinste immer noch blöd und erfreute sich an meiner Wut. Leider konnte ich sie nicht zurück halten und schon schnellte meine Hand gegen seine Wange. Da er nicht darauf vorbereitet war, flog sein Kopf leicht zur Seite. Schockiert sah er mich an und ich zeigte auf ihn.
"Ich hasse es, wenn man mich ausnutzt, also sprich Klartext oder ich werde euch kein bisschen helfen!"

Er fing an, selbstgefällig zu lachen und schüttelte dann leicht den Kopf. "Du glaubst, es sei so einfach? Du und deine Freunde, ihr helft uns doch schon die ganze Zeit! Also macht ruhig weiter wie bisher und wir werden euch dankbar sein." Bevor ich realisierte, was ich tat, klatschte ich ihm wieder eine, doch dieses Mal reagierte Leo und fasste sofort mein Handgelenk und zog mich von Alfonso weg.

"Das hat doch keinen Sinn", murmelte er mir zu und ich verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Was sollen wir denn jetzt mit ihm machen?", fragte James, der unseren Gefangenen die ganze Zeit festhielt.
"Ich habe eine Idee", meinte Luca und ich sah überrascht zu ihm. Das interessierte mich jetzt aber. Er wendete sich an James und Alfonso. "Ihr seid beide Doppelagenten bei der Organisation von Marianna und so. Also könnt ihr gegenseitig schweigen, denn ihr braucht beide den Posten dort noch ein wenig. Wenn also einer von beiden petzt, dann kann er sicher sein, dass auch der andere petzt. So habt ihr eine Absicherung, dass ihr nicht auffliegt, zumindest nicht durch den jeweils anderen." Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich zu Luca und war erstaunt, so etwas von ihm zu hören.

"Du bist ja gar nicht so blöd, wie ich dachte", rutschte es mir raus. Leo und James verkniffen sich ein Lachen, während Luca mich entgeistert ansah. Sofort schlug ich eine Hand vor meinen Mund und sah ihn entschuldigend an.
"Der Junge hat gar nicht mal so Unrecht", meinte Alfonso plötzlich und wir sahen wieder alle zu ihm. "Ich werde nichts verraten, wenn er nichts verrät." Er nickte hinter sich und deutete auf James. Dieser nickte zustimmend. "Sehe ich auch so. Wir brauchen beide unseren Platz dort."

"Also gut", sagte ich widerwillig. "Wir werden dich gehen lassen, er wird nichts sagen, wenn du nichts sagst. Aber eine Frage habe ich noch... Warum schützt die Königin Miguel?" Alfonsos Blick erhellte sich und er sah mich an. Er sagte für eine lange Zeit gar nichts, bis er schließlich antwortete: "Du musst wissen, Alexandra, dass Caruso und ich die Freunde von Miguel sind. Wir helfen ihm, vor der Organisation versteckt zu bleiben. Die Königin war mal eine Ehemalige von der Schule, an der er arbeitet und sie hat ihm angeboten, ihn zu schützen. Caruso und ich wissen, dass es dort noch etwas anderes gibt. Die beiden haben einen Plan ausgeheckt, doch von dem wissen wir nichts, denn das ist streng geheim und nur zwischen den beiden etwas. Durch irgendeinen Fehler ist die böse Organisation dann auf Miguel aufmerksam geworden und hat erfahren, dass die Königin ihn schützt. Deswegen versuchen sie nun etwas aus ihr rauszukriegen."

"Aber warum lasst ihr dafür Pferde sterben und Dienstmädchen erkranken?", fragte ich verwirrt.
"Nun", begann er und schnalzte wieder mit seiner Zunge. "Das gehört wohl zu ihrem Plan und sie kann ganz schön böse werden, wenn sie das will. Sie ist vielleicht alt und nicht mehr die Jüngste, doch sie hat eine Menge Erfahrung und viel Böses in sich stecken. Ich würde mich nicht direkt mit ihr anlegen." Ich nickte nachdenkend und gab James das Zeichen, ihn loszulassen. Er stand auf und schüttelte seine Beine aus. Bevor er wieder aus dem Stall verschwand, drehte er sich mit einem Lächeln zu mir und sagte: "Du bist ganz schön ausgefuchst, du wirst uns noch 'ne Menge Probleme bereiten, Kleine!" Dann war er auch verschwunden.

"Wir müssen gewaltig auf die aufpassen", meinte James und sah zu mir.
"Vor allem, weil er das bestimmt seinen Leuten weitersagen wird. Caruso, die Königin und unser Direktor werden wohl nicht mehr allzu gut auf uns zu sprechen sein", warf Luca ein. Ich legte mir verzweifelt eine Hand auf die Stirn. "Und ich habe ihn auch noch geschlagen!"
"Damit hättest du auch nicht aufgehört, wenn ich dich nicht zurück gehalten hätte", kommentierte Leo und schmunzelte.
"Ach, findest du das jetzt lustig?", fragte ich patzig.
"Manchmal kommt eine sehr aggressive Seite an dir zum Vorschein. Das wird dir noch oft zum Verhängnis." Verzweifelt stöhnte ich auf und legte meine Hände an meinen Kopf.

"Wenigstens verrät er James nicht", meinte Luca schulterzuckend.
"Vielleicht nicht bei der Organisation, aber bei der Königin würde ich es nicht ausschließen", warf ich ein und strich mir meine Haare hinters Ohr.
"Die wollen uns eh noch nicht umbringen. Zumindest laut Alfonso", sagte Leo.
"Die wollen uns für etwas...und die nutzen uns aus. Es hat etwas mit der anderen Seite zu tun, schließlich sitzen Miguel und die Königin ganz oben bei dieser Sache", grübelte ich.
"Was ist, wenn wir einfach Zeitspieler sind?", meldete sich James zu Wort und hinterließ uns einen fragenden Gesichtsausdruck. "Na ist doch klar! Die böse Organisation will Miguel und Miguel versteckt sich. Zwischen den beiden Parteien steht die Königin, welche versucht, Miguel zu  beschützen. Da uns die Königin angefordert hat und Miguel uns ausgesucht hat, gehört das eindeutig zu ihrem Plan. Sie wollen Zeit gewinnen, indem die Organisation von Marianna sich noch mit uns rumschlagen muss und wir sie dann sozusagen zurückhalten."

Ich grinste James siegessicher an und fügte hinzu: "Das bedeutet, dass sie uns erst mal noch nichts antun wird, selbst wenn Alfonso etwas von dem hier erzählt! Sie brauchen uns noch und vielleicht schaffen wir es dadurch, selbst als Gewinner aus diesem Spiel zu gehen."
Wir mussten uns jetzt dringen zusammensetzten und einen Plan machen, denn ich glaube, wir standen kurz vor der Lösung.

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