Kapitel 2

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Für eine Weile hörte ich nur das leise Flüstern der Luft und das Surren der mechanischen Maschinen, die von der Stadt zu mir herüberdrangen. Ich genoss es, die Lichter zu beobachten, auch wenn ich nichts Genaues erkennen konnte. Mir reichte es schon zu sehen, wie die Beleuchtung in den hohen Gebäuden an und ausgingen. Die Welt der Menschen erschien mir so friedlich. Ob es hier auch Außenseiter wie mich gab?

Auf einmal mischte sich ein ungewöhnliches Geräusch unter die anderen Laute – schlagende Flügel.

Ich erstarrte, als könnte mich das vor dem verstecken, was sich offensichtlich in meiner Nähe befand. Ein Engel? Eine Elfe? Konnte ich mich irgendwo verstecken?

Mein Herz setzte einen Schlag aus, als nur wenige Meter hinter mir jemand auf dem Hügel landete. Kurz überlegte ich, ob ich so tun sollte, als hätte ich nichts gemerkt, aber dann wurde mir die vermeintliche Unsichtbarkeit durch eine schneidende, männliche Stimme genommen.

„Wer sind Sie und was machen Sie in meinem Gebiet?"

Langsam drehte ich mich um und schluckte. Als Erstes fielen mir die strahlend weißen Schwingen auf. Nur am Rand funkelten einige blaue Federn, doch im Gegensatz zu normalen Wesen war das geradezu wenig. Vor mir stand nicht irgendeine Person, sondern einer der vier Erzengel. Das war die einzige Schlussfolgerung, die die Farbe zuließ. Herzlichen Glückwunsch, Jasmin, du hast natürlich das unglaubliche Glück, einem der mächtigsten Wesen der Welt zu begegnen. Dabei hätte mir ein gewöhnlicher Engel schon genug Angst gemacht.

Auf seiner Hand flackerte eine blaue Flamme, die ich als Himmelsfeuer identifizierte, das jedes Wesen innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde in Asche verwandeln konnte.

„Hat Luzifer Ihnen die Sprache genommen?", fuhr der Erzengel fort, in dessen blauen Augen ein bedrohliches Brennen zu erkennen war.

Ich merkte, wie ich mich immer kleiner machte, als könnte ich damit weniger Angriffsfläche bieten. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und meine Atmung ging schneller.

Luzifer? Wer war ...? Meine Augen weiteten sich. Meinte er damit den Teufel? Hielt er mich für eine Abgesandte aus der Hölle?

Bevor ich antworten konnte, löste sich ein große Funke von der Hand des Erzengels. Schnell ließ ich mich auf den Boden fallen, hielt die Arme reflexartig über mich und schloss die Augen. Jetzt war mein Ende gekommen. Nicht bei den Elfen brachten mir meine Flügel den Tod, sondern ein Erzengel.

Doch es kam kein Aufprall. Keine Hitze, die sich über meinen Körper ausbreitete. Stattdessen tauchte nur wieder das Bild aus meinen Träumen in meinem Kopf auf. Die schwarzen Flügel vor den roten Flammen. Gleichzeitig kribbelte es in meinem ganzen Körper. Ein Ziehen wie bei meiner Beflügelung, nur ohne die dazugehörigen Schmerzen.

Vorsichtig lugte ich durch die Lider. Das Feuer war verschwunden. Einfach weg. Mein Blick wanderte weiter zu dem Engel, der seine Augen zusammenkniff. „Wer sind Sie?", zischte er und jetzt klang seine Stimme noch bedrohlicher als zuvor.

„Ich bin unschuldig", stammelte ich, um wenigstens etwas zu sagen. Dann räusperte ich mich und fügte mit klarer Stimme hinzu: „Ich bin eine einfache Elfe."

Er zog die Augenbrauen nach oben, und sein Blick wanderte über meinen Körper zu meinen Flügeln. Er sah nicht überzeugt aus. „Eine Elfe? Ist das die neue Erklärung, die den höllischen Spionen eingetrichtert wird?"

„Nein." Obwohl die Flamme immer noch gefährlich flackerte und ich mir sicher war, dass er mich nur mit einer einzigen Bewegung töten könnte, klang meine Stimme erstaunlich fest. Er hätte mich töten können und war auch kurz davor gewesen, aber irgendetwas hatte das verhindert. Weder ich noch seinem prüfenden Gesichtsausdruck zu schließen er wussten, wieso. „Ich habe mit dem Teufel nichts zu tun. Meine schwarzen Flügel machen mich zu keiner Verbündeten." Nur mit viel Mühe schluckte ich das verdammt hinunter, dass mir noch auf der Zunge gelegen hatte. Ich hatte es satt, dass mich jeder wegen meiner Schwingen sofort in die Richtung des Bösen schob. Es war doch nur eine vermaledeite Farbe. Nicht mehr und nicht weniger.

Chroniken des Himmels 1 - Elfentochter (Leseprobe vor Korrektorat)Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin