1 // Beste Freunde Frist

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12 Stunden war ich nun in diesem Flugzeug gefangen.

Man kann von Glück reden, dass ich einen Fensterplatz bekommen habe. Klar, eigentlich sollte ich mich kein Stück beschweren. Ich mache diese ganze Tortur immerhin freiwillig, aber meine Vorfreude auf ein ganzes Jahr in Kanada war wohl anscheinend nicht so groß wie ich gedacht hatte.

Teilweise war wahrscheinlich die Uhrzeit daran schuld und mein jetzt schon extremes Heimweh. Meine Familie und ich haben Rotz und Wasser beim Abschied geheult.

Das Schlimmste für mich war der Abschied von meiner Mutter, wir brauchten uns gegenseitig einfach viel zu sehr. Aber sie war es auch gewesen, die mich zu diesem Auslandsjahr überredet hatte. Sie wünschte sich so sehr für mich, dass ich jeden meiner Träume verwirklichen könnte. Ich soll meine Zeit in Kanada genießen, hat sie gesagt, und mir keine Sorgen machen, alles wird genauso sein wie immer, wenn ich wieder kommen werde.  Und an diesen Worten werde ich das ganze Jahr über festhalten.

Zu sagen, dass ich keine Angst hätte, wäre eine glatte Lüge. Ich hatte Angst, fühlte mich unwohl, aber zur gleichen Zeit machte sich diese Aufregung in mir breit. Dieses merkwürdige Kribbeln wanderte durch meine Beine, es ließ sie auf und ab wippen, wie die eines ungeduldigen Kindes.

In meinem Handgepäck befand sich eine kleine Kiste voller Erinnerungen und Dingen von zuhause, die meine Freunde für mich gesammelt und gemacht hatten. Natürlich nur die hässlichsten Fotos von uns.

Wer braucht schon die Schönen?

Jeder von ihnen hatte einen kleinen Brief geschrieben, der mich jedes Mal zu Tränen rührte. Die dachten auch ich würde nie wieder kommen, es war doch immerhin nur ein Jahr.

Ich musste wohl kurz eingenickt sein, denn ich wurde durch jemanden geweckt, der eher grob und unbeholfen in seinem Sitz umherrückte.

Mich starrte das attraktivste und zugleich jetzt schon nervigste Gesicht des Flugzeuges an. Er hörte einfach nicht auf zu grinsen. Einzelne Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, zwischen seine braunen Augen. Anstatt sich zu entschuldigen, dass er mich gerade geweckt hatte, grinste er mich einfach weiter an.

„Was ist?", fragte ich doch schroffer, als es beabsichtigt war. Sein Lächeln kümmerte mein unhöflicher Ton jedoch recht wenig. Es war immer noch da.

„Du bist also meine Sitznachbarin für die nächsten Stunden." Definitiv Kanadier. Mein erster Kontakt mit Einheimischen. Aufregend.

„Ja, sieht so aus ne."

Er nickte, mit seinem bescheuert, schönem  Lächeln, und machte es sich gemütlich. 
Die Frage, warum er mich aufregte, konnte ich mir selber nicht beantworten, obwohl der Arme nicht mal etwas gemacht hatte. Ich entschied mich dafür, dass meine Laune  der logischste Grund war.

Vielleicht würde er in vier Stunden schon mein bester Freund sein.

Und ganz zu meiner Zufriedenheit hat Mister Lächeln die ganzen letzten vier Stunden  geschlafen. Ich konnte also ganz in Ruhe, ohne dass ich das Gefühl hatte mir würde jemand über die Schulter gucken, nochmal meine Unterlagen durchgehen. Ich wollte vorbereitet sein, wenn ich ankam.

Die Schule auf die ich gehen werde, liegt in einer kleinen Stadt namens Apsley, drei Stunden von Toronto entfernt. Meine Gastfamilie hat einen Sohn, Rayn, der aber genau zur gleichen Zeit in Deutschland ist, wie ich in Kanada. Und in den bisherigen Skype Anrufen schienen meine Gasteltern auch ganz nett zu sein, Nick und Samantha.

„Tomatensuppe?" Ein roter Punkt wurde in mein Sichtfeld geschoben.

Er war wach, glücklicherweise ohne dieses Grinsen. „Ähm, ja ich denke schon.", antwortete ich, noch nicht ganz überzeugt von meiner Aussage. Er zog seine Hand wieder zurück: „Wir  wollen keine halben Sachen, entweder du willst, oder nicht, dann bleibt mehr für mich, da hab ich auch kein Problem mit."

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