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  "Auf den anderen Baum klettern?", fragte das Mädchen aufgebracht. Typisch Junge. Die machten doch immer nur Unsinn. "Ja, um über die Mauer zu kommen. Ich zeig dir die Stadt." Wieder dieses entwaffnende Grinsen. Für die kleine Elouise war sein Lächeln etwas, nachdem sie nicht mehr nein sagen konnte. "Aber dafür kriegen wir doch sicher Ärger." Äußern musste sie ihre Bedenken zumindest. "Nur wenn wir uns erwischen lassen."
"Mädchen tun sowas nicht! Ich bin ja schon kaum auf den Baum rauf gekommen, wegen des Kleides. Schau nur, wie zerrissen es ist." Der Junge betrachtete das Gewand bedrückt und überlegte kurz.

"Ich wollte nicht, dass dein Kleid kaputt geht, aber meine Mutter sagt immer: 'Es gibt kein schlechtes Wetter. Nur schlechte Kleidung!' Dasselbe ist es beim Klettern. Ich trage doch auch kein Kleid. Das nächste Mal ziehst du dir was anderes an." Er lächelte aufmunternd und ohne groß nachzudenken, ergriff Elouise seine Hand und ließ sich langsam über die Äste führen. "Natürlich trägst du kein Kleid, du bist ja auch ein Junge", grummelte das Mädchen vor sich hin, worauf er lauthals zu lachen begann. Sie betrachtete ihn verwundert. Er bekam sich ja gar nicht mehr ein! "Du denkst, ich bin ein Junge?", fragte der Blondschopf schließlich, noch immer lachend. Elouise wurde allmählich sauer und so zog ihr eine leichte Zornesröte auf die Wangen.

"Ja klar! Guck dich doch an. Kurze Haare, Hose, Hemd, sitzt auf Bäumen. Du musst ein Junge sein." Wieder lachte er auf und hielt sich mittlerweile schon den Bauch vor Lachen. "Ich bin doch kein Junge! Nur, weil ich solche Kleider trage. Das ist so viel besser! So kann ich klettern. Komm jetzt! Wir haben es fast geschafft." Ungläubig betrachtete sie den Blondschopf aufs Neue. Braune, kurze Hose. Weißes Hemd. Diese blonden, kurzen Locken, die das sanfte Gesicht umrahmten. Ja, es war irgendwie weich, das war Elouise von Anfang an aufgefallen.

Als die Beiden endlich auf der anderen Seite der Mauer angekommen waren, fragte Elouise schließlich: "Wenn du kein Junge bist, wie heißt du denn überhaupt?" Das Antlitz der Anderen war noch immer heiter. Offenbar brachte sie nichts so leicht aus dem Konzept. "Isabella, aber du darfst mich Bella nennen. Und wie heißt du?" Der Blondschopf hielt ihr ihre Hand entgegen. Elouise ergriff sie und schüttelte sie leicht, bevor sie wieder sprach.

"Ich bin hoch erfreut, Bella. Mein Name ist Elouise." Wieder lachte Isabella und ließ eine verwunderte Elouise zurück. "Nicht so hochgestochen! Wir sind doch jetzt Freunde, Louis." Der Blondschopf lief voran. Elouise hatte Mühe Schritt zu halten, doch sie wollte der Anderen in nichts nachstehen. "Wer hat gesagt, dass du mich Louis nennen darfst?" Isabella lachte nur und winkte ihr zu. "Beeil dich! Es gibt viel zu sehen. Na komm, Louis!"

MaskenballWhere stories live. Discover now