Kapitel 7

2.2K 65 4
                                    

"Ah Semih, geh weg!", schrie ich lachend und rannte vor meinem Bruder weg, der mit der Grillzange hinter mir herrannte. "Muhahaha. Ich krieg dich noch", rief er außer Puste und stützte seine Hände an seinen Knien ab. "Na, bist schon am Arsch, was?!", sagte ich lachend und ging mit langsamen Schritten auf ihn zu.

Bei ihm weiß man ja nie..

"Oh ich trainiere so hart, ich hab Mukkis, alle Mädchen schauen mich an", äffte ich ihm lachend nach und musste noch mehr lachen, als ich sein Gesichtsaudruck sah. "Was los, Brüderchen? Du sagst doch sonst auch immer so stolz, wie gut du trainierst", sagte ich und schaute ihn an. "Du kleine Hexe. Warte nur ab. Nach dem Essen kriegst du das alles zurück", sagte er und grinste. "Oh nein. Mister Kaya, verschonen Sie mich bitte", sagte ich gespielt ängstlich. Er lachte nur und wir gingen zum Esstisch, als meine Mutter nach uns rief.

"Off grillen ist das Beste, was die Menschheit erfinden konnte", fing Semih auf einmal an und biss genüsslich in sein Fleisch. Das was er sagte, war ja so verdammt sinnlos, dass ich laut loslachen musste. Semih schaute mich mit einem Killerblick an bzw. er versuchte es. Meine Eltern und Eren lachten über Semih. Er war so kindisch und das mit seinen 19 Jahren! Mit ihm konnte man einfach über alles lachen und er bringt uns so gut wie immer zum Lachen.

"Nach dem Essen will ich Eis haben", sagte mein Vater und schmollte wie ein kleines Kind. Ich musste über den Anblick lachen. Mein Vater will fast jeden Abend nach dem Essen etwas süßes. Sei es ein Stück Kuchen, Eis oder nur Obst. Irgendwas will er immer und nicht vergessen, schwarzer Tee auch noch. "Tamam baba. Ich kann es holen", sagte ich und er lachte. "Iyi o zaman (Dann ist ja gut)", antwortete er und wir aßen weiter.

Ich stand gerade mit meiner Mutter in der Küche und half ihr, Ordnung in die Küche reinzubringen. Auf einmal stoppte meine Mutter und schaute abwesend durch das Fenster.

"Anne?", fragte ich leise und legte meine Hand auf ihre Schulter. "Ne oldu (Was ist los) ?", fragte ich. Sie drehte sich zu mir um. "Ihr werdet so schnell erwachsen. Morgen geht Semih und du bald bestimmt auch. Ich kann es immer noch nicht glauben wie schnell die Zeit vergeht. Ihr seid schon 19 Jahre alt..", sagte sie leise und eine Träne lief ihre Wange runter. "Ah anne böyle düşünme. Wir werden immer bei dir bleiben (Bitte, denk nicht so)", versuchte ich sie aufzumuntern. "Ja ja tabii", schniefte sie. "Off anne", sagte ich und umarmte sie, was sie sofort umarmte.

"Ich komme mit", sagte Semih und ich nickte nur. Meine Eltern wollten, dass wir an der Eisdiele Eis holen sollen, also lief ich mit Semih los. Es war ca. 19 Uhr und die Sonne ging langsam unter. Der Himmel hatte eine schön orange/rosane Farbe. Das Wetter war angenehm. Kann das Wetter nicht immer so schön sein? Semih legte seinen Arm um meine Schulter und seufzte. Fragend schaute ich ihn an. "Was ist, wenn - wenn du sie wieder siehst? Du weißt schon Lisa-", bevor er seinen Satz zu Ende bringen konnte, unterbrach ich ihn. Ich wollte diesen Namen nicht hören.

Der Name, der mir eine Gänsehaut verursacht. Der Name dieser Person, vor der ich Angst hatte. "Hör auf. Red nicht darüber. Es wird schon nichts sein. Außerdem, wie lange ist es her, dass wir ihr begegnet sind? Ich komme schon klar", sagte ich und wusste aber, dass der letzte Satz nicht wirklich stimmte. Nein verdammt! Ich könnte niemals mit ihr klarkommen. Ich schluckte.

Nicht weinen, bloß nicht weinen!

"Es tut mir ja Leid, dass ich dich darauf anspreche aber wir wissen beide, zu was sie in der Lage ist", sagte er. Oh ja, und wie ich das wusste! "Hören wir jetzt bitte auf, darüber zu reden, bitte!", sagte ich einfach nur.

Wir kamen an der Eisdiele an, welche so gut wie überfüllt war und stellten uns an die Reihe.

Endlich waren wir dran. Ich sagte dem Verkäufer, dass er das Eis einpacken sollte und nahm es. Auf dem Rückweg lockerte sich die Spannung etwas und Semih machte -zum Teil unlustige-Witze, was mich aber trotzdem zum Lachen brachte.

Wir saßen inzwischen drinnen und schauten alle TV. Naja, Semih war an seinem Handy, mein Vater las Zeitung und Eren war schon im Bett. Also waren meine Mutter und ich die einzigen, die wirklich schauten. Plötzlich fiel mir ein, dass ich meinem Vater sagen wollte, dass mein Auto Geräusche gemacht hatte.

"Baba, gestern als ich nach Hause fahren wollte, hat mein Auto so komische Geräusche von sich gegeben", sagte ich und mein Vater schaute mich an. "Komische Geräusche? Von wo kam es denn?", fragte er. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Bring es nächste Woche am besten mal zur Werkstatt, damit die sich das mal anschauen", sagte er und ich stimmte zu. Ich hatte keine Lust, dass mich mein Auto irgendwann mitten auf der Straße stehen lässt.

Nach einer Weile gähnte ich und merkte, dass ich müde bin. "Ich geh dann mal ins Bett. Müssen ja morgen eh früh aufstehen. Iyi geceler (Gute Nacht)", wünschte ich allen und ging in mein Zimmer um mich umzuziehen. Danach putzte ich mir die Zähne und schlüpfte ins Bett. Es dauerte nicht lange, bis ich einschlief.

Am nächsten Morgen wurde ich durch den Geschrei meiner Mutter geweckt. Ich seufzte und schaute auf meine Uhr.

10.05 Uhr schon. Es war normalerweise nicht meine Art, so lange zu schlafen. Da heute Semih weggeht, wollten meine Tante, also Hilals Mutter kurz mit der Familie vorbeischauen. Keine Ahnung warum sie ausgerechnet am letzten Tag kommen aber was solls. Semih wollte nicht, dass wir ihn fahren. Ihm war es lieber, dass er gleich selber mit seinem Auto fährt, da es sonst zu umständlich für ihn wird.

Gegen 15 Uhr kamen mein Tante, Onkel, Hilal und Ayşe, Hilals 13 Jahre alte Schwester. Sie war sehr süß und sah Hilal ziemlich ähnlich. Beide hatten dunkelbraune lange Haare und braune Augen. Auch die Gesichtszüge ähnelten sich. Ich sah komischerweise niemandem von der Familie ähnlich, nein auch nicht Semih! Nur meine schwarzen, lockigen Haare hatte ich von meiner Mutter.

Ich ging mit Hilal in mein Zimmer und wir machten es uns auf meinem Bett gemütlich.

"Was kaufst du Mete? Hast du schon was? Off ich hab keine Ahnung was ich holen soll. Der hat doch eh schon alles", fing sie an zu sprechen. Moment..Scheisse! Mete hatte nächste Woche Geburtstag und ich hatte das total vergessen! Ich klatschte mir auf die Stirn und hörte, wie Hilal lachte. "War ja so klar, dass du es vergessen hast man", sagte sie lachend und warf ein Kissen auf mich. "Scheisse Hilal. Ich muss sofort ein Geschenk für ihn besorgen. Ich muss was gutes finden", sagte ich und überlegte jetzt schon mal.

Mete und Burak sind schon seit meiner Kindheit meine besten Freunde und sie sind mir natürlich total wichtig! Ich brauche etwas gutes, einfallsreiches! Darüber mach ich mir irgendwann anders Gedanken, dachte ich mir...

"Du rufst sofort an, wenn du angekommen bist", sagte meine Mutter unter Tränen. "Anne, oh man warum weinst du? Ich komme doch in 5 Tagen wieder. Ihr werdet mich jedes Wochenende sehen", sagte Semih und umarmte meine Mutter. Aber ich sah, dass er seine Tränen unterdrücken musste. "Na und. Ich will aber trotzdem nicht, dass du gehst", sagte meine Mutter und Semih seufzte. "Ahh annem, Ich liebe dich", sagte Semih und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Nachdem er sich von meinem Vater verabschiedet hat, lief er auf mich zu. 

"Hexe, Jetzt denk bloß nicht, dass du alles machen kannst, nur weil ich nicht da bin. Meine Augen sind überall!", sagte Semih und machte komische Bewegungen mit seiner Hand, was mich zum Lachen brachte. "Ich weiß, ich weiß. Du siehst alles", sagte ich lachend, worauf er mich stark umarmte. "Wenn du die siehst, rufst du mich sofort an", flüsterte er an meiner Schulter. Erinnere mich nicht dran, dachte ich mir. "Tamam Semih", sagte ich und er zwinkerte.

Als letztes ging er auf Eren zu, der mithilfe von meinem Vater stand. "Lan. Kardeşim benim. Herşeyim. Evin erkeği sensin loo (Junge. Mein Bruder. Du bist jetzt der Mann im Haus)", sagte Semih worauf wir alle lächeln mussten. Auch Eren lachte.

Er umarmte ihn auch und stieg in sein Auto. "Ruf an, wenn du da bist!", sagte mein Vater und Semih nickte. "Dikkat et kendine oğlum (Pass auf dich auf, mein Sohn)", sagte meine Mutter und Semih verdrehte lachend die Augen.

"Yeter be (Es reicht)", sagte er lachend. Wir alle winkten ihm und er fuhr los. Meine Mutter schüttelte etwas Wasser nach ihm und nacheinander gingen wir rein, während ich nach Semihs Auto schaute und mir eine Träne die Wange runter lief.

Für immer und ewig.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt