Kapitel 9

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Wir bewegten uns im Schneckentempo voran, was daran lag, dass wir alle mit unseren Schmerzen zu kämpfen hatten. Doch wir gelangten schließlich zum hereinfallenden Licht. Dort konnten wir in den dunklen Nachthimmel blicken. Er war frei von jeglichen Wolken, die Sterne blitzten eifrig und der volle Mond schien auf uns hinab. Wir konnten aber nicht nur den Mond erkennen, sondern auch das Gebäude gegenüber von uns und die tiefe Schlucht, die dazwischen lag. Mir wurde flau im Magen, als ich in den dunklen Abgrund blickte. Ich konnte die Straße erkennen auf der wir zum Gebäude gelangt waren und zwischen den zurückgelassenen Autos erkannte ich kleine, sich bewegende Gestalten. Das mussten Infizierte sein. Ich ging ein paar Schritte rückwärts und ließ mich dann gegen das Geländer fallen. Meine Schmerzen am Bein hatten sich verschlimmert. Luca ließ sich neben mir fallen und auch Henry setzte sich zu uns. "Machen wir eine Pause?", fragte ich leise und Henry nickte. Er wirkte sehr erschöpft. "Ich halte diesmal Wache.", erklärte ich mich bereit und sah Erleichterung in Henry's Gesicht aufblitzen. Er rutschte neben mir ans Geländer, lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen. Balu robbte zu ihm und schloss neben ihm die Augen. "Was ist eigentlich aus dem Essenspalast geworden, den ihr gefunden habt?", fragte ich neugierig. Henry stöhnte:"Den hatte ich komplett vergessen... Jetzt ist es sowieso zu spät. Runter gehen wir hier nicht mehr." "Also um ehrlich zu sein, brauchen wir das glaube ich auch nicht mehr. Ich hab meinen kompletten Rucksack damit vollgestopft. Da stand nur noch eine Dose oder so.", ich sah Luca im bleichen Licht schwach grinsen. "Nicht wirklich, oder?", platzte es aus mir heraus und ich konnte meine Freude kaum unterdrücken. Das war ein genialer Schachzug gewesen, während Henry und ich uns haben ablenken lassen. "Wirklich.", er lächelte weiter,"willst du was bei dir rein packen? Dann brauch ich nicht so viel schleppen." Ich nickte schnell. Er öffnete seinen Rucksack und entblößte haufenweise Chipstüten. "Habt ihr nur Chips gefunden?", fragte ich leicht enttäuscht. "Ne.", er zog drei Tüten heraus und darunter erschienen tatsächlich auch Dosen. Ich wunderte mich innerlich wie viel er in den Rucksack bekommen hatte. Von den Dosen reichte er mir fünf, bevor er seinen Rucksack wieder verschloss und seinen Kopf nun auch nach hinten legte. Er blickte zum Himmel hinauf, während ich meine kostbare Beute in meinen Rucksack verschwinden ließ. Ich hatte eigentlich ganz schön Hunger, doch das flaue Gefühl, als ich in den Abgrund geblickt hatte, war noch nicht ganz verschwunden und hinderte mich daran, etwas zu essen. Ein leises Schnaufen ertönte. Ich blickte zu Henry und Balu und lächelte amüsiert. Ich fragte mich, ob das von Balu oder von Henry kam. "Weißt du", murmelte Luca, den Blick immer noch gen Himmel gerichtet,"von allen, die ich in der Quarantäne-Zone kannte, bin ich froh, dass ich mit dir das hier alles durchstehe." Ich lehnte meinem Kopf ebenfalls ans Geländer:"Du redest, als ob du gleich theatralisch sterben würdest." Luca lachte leise:"Vielleicht werde ich das ja auch." Ich schwieg daraufhin. Ich hatte seine Ironie gehört, aber wahrscheinlich würde es ja tatsächlich enden mit ihm. Wahrscheinlich würde es bald mit uns allen zu Ende gehen. Sein gleichmäßiger Atem verriet mir, dass auch er eingeschlafen war. Ich blickte in den Himmel und lauschte in die Nacht hinein, der Wind wehte, nicht stark aber auch nicht schwach. Doch außer seinem Flüstern, blieb alles ruhig. Das Stöhnen der Infizierten erreichte uns hier nicht. Diese Stille beruhigte mich und ich gähnte einmal, zwang mich aber wachsam zu bleiben. Wir waren hier ungeschützter als in unseren vorherigen Verstecke. Ich döste zwischen durch ein wenig, weshalb das Sonnenlicht sich schneller blicken ließ als erwartet und die kleinen aufkommenden Wölkchen in einen hellen rosa tauchte. Ich blinzelte ein paar mal und richtete mich langsam auf. Das lange Sitzen hatte meinen ganzen Körper versteifen lassen und ich streckte mich ausgiebig. Der Schmerz in meinem Bein war noch vorhanden aber erträglich. Ich hatte ihn mir wohl nur geprellt. Erleichtert seufzte ich und blickte auf die Anderen herab. Sie schliefen noch fest und ich entschloss mich sie nicht zu wecken. Der Wind bließ immer noch mit seiner gleichen Stärke. Ich ging zurück zum Geländer, jedoch ein bisschen abseits von den noch Schlafenden und blickte ins Treppenhaus. Das Licht drang leicht hinein und zeigte die vielen Risse und heraus gebröckelten Steine auf der Treppe und an der Wand. Es sah noch instabiler aus als vorher. Ich horchte angestrengt, doch alles blieb still. "Was machst du da?", fragte Henry und ich hörte ihn laut gähnen. "Ich wollte nur gucken ob wir noch allein im Treppenhaus sind. Das Gebäude sieht echt instabil im Licht aus...", sagte ich und drehte mich um. Ich war mir nicht sicher ob ich zugegeben sollte, dass ich das Haus von Anfang an instabil fand. Henry hatte sich bereits aufgerichtet und streckte sich. "Gut... Dann werden wir also tatsächlich da rüber springen.", erklärte er und deutete beiläufig auf die andere Seite der Schlucht. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Und was ist wenn das Haus auch einstürzt jetzt wo das Andere darauf lehnt?", fragte ich entsetzt. "Tja, dann wars das mit uns...", nach einer Pause ergänzte er," es ist sowieso zu spät sich jetzt darüber Sorgen zu machen. Hier können wir auch nicht mehr runter. Das Gebäude auf dem wir jetzt sind, kann genauso gut vom Wind komplett umgerissen werden." Ich schluckte und blickte auf die andere Seite der Schlucht. Der Raum gegenüber sah aus wie ein Meetingraum. Ein langer Tisch stand in der Mitte und ein paar Stühle reihten sich noch an ihn, die restlichen waren wahrscheinlich schon in den Abgrund gerutscht. Meine Knie wurden weich, als ich an den Abgrund dachte. Wenn ich dort hinunter fallen würde, wäre es aus mit mir. Der Abstand, den ich überspringen müsste, sah nicht gerade klein aus. Da hinüber zu springen, war eine ganz böse Idee.

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