Regen am Glas II

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Der Club war gerappelt voll.


Das war keine Überraschung, da der heutige Eintrittspreis nur die Hälfte des normalen Preises betrug und die Ferien bald endeten. Es war, als wollte jeder noch einmal richtig feiern, bevor der Alltag wieder über sie hereinbrechen würde.


Der Club befand sich in einem alten Schwimmbad, das in den 90ern geschlossen worden war. Über die Jahre wurde es mehrfach umgebaut und erneuert, doch das Becken blieb erhalten. Jetzt war es mit einer großen, stabilen Glasplatte bedeckt, auf der Menschen tanzten. Darunter glitzerte das Wasser, beleuchtet von bunten Lichtern, die das Innere des Beckens in ein leuchtendes Neonpink und Lila tauchten. Die alten weißen Fliesen auf dem Boden des Beckens erinnerten an vergangene Zeiten, ein Überbleibsel der Vergangenheit in einem Raum, der sich in einen modernen Party-Hotspot verwandelt hatte.


Die Wände des Clubs waren größtenteils mit Spiegeln bedeckt, die die Bewegungen der tanzenden Gäste reflektierten. An der Decke funkelten Lichter und eine Discokugel, die das Licht in alle Richtungen warf, während sie sich langsam drehte.


Hier und da gab es Sitzecken mit Sofas und Sesseln, die aussahen, als wären sie aus einem alten amerikanischen Diner gerissen worden. Ihre knalligen Farben und das abgenutzte Leder verliehen dem Ort eine nostalgische Atmosphäre, eine merkwürdige Mischung aus Retro und Moderne. Über den Köpfen der Feiernden schwebten auf Stelzen und Schnüren Zirkusartisten. Sie waren bunt geschminkt und trugen knappe, funkelnde Outfits. Ihre Präsenz fügte sich auf seltsame Weise harmonisch in das Gesamtbild ein, als hätten sie immer schon hierher gehört.An der Bar waren die Barkeeper hektisch am Mixen von Getränken. Schon am Eingang war deutlich zu spüren, wie angespannt die Security war. Es waren einfach verdammt viele Menschen anwesend, was einerseits einen riesigen Umsatz bedeutete, andererseits aber auch totalen Stress.


Doch die meisten Leute hier waren in unserem Alter und wollten einfach nur loslassen. In stylischen Klamotten und mit bunten Getränken in den Händen hatten sie hier ihren Spaß und wollten vergessen, dass sie bald wieder nur noch Schule, Geld und ihre Zukunft im Kopf haben sollten.


Genauso wie wir.


Wir hatten uns von Onkel Augustus herfahren lassen, der uns auch gleich für den Rückweg Geld gegeben hatte. Das bedeutete, wir mussten uns keine Sorgen machen, jemanden im Haus zu wecken, um nach Hause zu kommen.


Wir Mädchen hatten uns schon am Nachmittag zusammengetan, um uns fertig zu machen. Selbst meine Nägel waren lackiert, was mein Vater dramatisch kommentiert hatte. Normalerweise blieb ich Schminke und Nagellack immer aus dem Weg, wenn es ging. Ich hatte nämlich das Talent, ständig in mein Gesicht zu fassen oder den noch feuchten Lack irgendwohin zu schmieren.


Doch meine Cousine Amalia und Noah kannten kein Erbarmen und hatten mich förmlich festgehalten, um mich zu schminken. Das Ergebnis war zwar schön und dezent, ließ mich aber dennoch ständig in den Spiegel schauen, weil ich Angst hatte, es zu verschmieren.Rae kam mit den Getränken zurück und verteilte sie. Für jeden gab es zwei Gläser Schnaps. Wir stießen an und kippten dann den Inhalt der Gläser hinunter. Das bekannte Brennen entstand in meinem Hals und wurde dann durch eine wollige Wärme im Magen ersetzt. Es musste Feigenschnaps sein.


Rae und Amalia liebten Feigenschnaps. Gleich darauf kippte ich das nächste Glas herunter. So verbrachten wir eine Weile damit, ein Getränk nach dem anderen zu trinken, bis mich Almania und Noah auf die volle Tanzfläche zogen. Meine nackten Oberschenkel lösten sich laut von dem türkisfarbenen Leder der Sitzbank. Schnell zog ich meine Jacke aus, um nicht zu schwitzen. Rae war damit beschäftigt, mit einem alten Klassenkameraden zu sprechen, was gut für uns war, da die Sitzecke besetzt blieb, während wir fort waren.

Girl Crush - Sapphic NovelWhere stories live. Discover now