Kapitel 32

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Ich sah, dass seine Hände zitterten und sein Brustkorb bebte. Gleich würde er explodieren, dachte ich. Kaum, dass ich seine Worte verarbeitet hatte, zog ich ihn in eine feste Umarmung.

Es war egal, was zwischen uns passiert war. Es war egal, wie sehr Elizabeth mich verunsicherte und ängstigte.

Das hier war schrecklich. Der kleine Junge, dessen Großmutter, die ihn aufgezogen hatte, gestürzt war.

Ich fragte ihn nicht, was geschehen war. Ob sie verletzt worden war.

Stattdessen hielt ich ihn einfach nur in meinen Armen fest und ließ ihn still zur Ruhe kommen.

Die Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Elizabeth war mir immer so kräftig vorgekommen, so unverletzbar. Dabei war sie schon über Achtzig. Sie war nicht mehr das kleine Mädchen mit den schwarzen Haaren, das sich hinter seiner Katze und seinen Eltern versteckte.

Sie lief nicht mehr durch die Gärten und Parks, wie sie es früher vielleicht getan hatte.

Was ihr geblieben war, war das Haus, die Bibliothek, in dem sie ihren Lebensabend verbrachte.

Die eigene Tochter, die sich von ihr abgewandt hatte, warum auch immer. Der mysteriöse Adoptivenkel, der sich nicht nach ihren Wünschen entwickelte.

Und dann noch ihre richtige Enkelin, die sie mit komischen Fragen bombardierte und die sie aus ihrer Kindheit kannte.

Natürlich reagierte sie merkwürdig. Sie war schon eine ältere Frau, es stand ihr zu.

Und natürlich wusste sie, wer unter ihrem Dach lebte.

Es war ihr Zuhause, seit ihrer frühen Kindheit.

Sie kannte jede Ecke, jeden Winkel der Zimmer und Flure. Sie musste von dem Radio wissen, vielleicht auch um seine Bedeutung.

Die Person, der merkwürdige Gast – er hatte mich dorthin geleitet. Vielleicht mit der Hilfe von Elizabeth, wenn sie unter einer Decke steckten.

Sie alle wollten, dass ich in die Vergangenheit reiste.

Ich fragte mich automatisch, wozu.

Damit ich noch mehr unangenehme Situationen mit dem Earl von Hawthorne erlebte? Damit ich mich mit James anfreundete?

Das ergab alles keinen Sinn.

Vielleicht war es ja die Aufgabe, die der Fremde aus meinem Traum genannt hatte, überlegte ich.

Vielleicht war seine Organisation mit Elizabeth und der unbekannten Person verbündet. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass Elizabeth mir etwas Böses wollte – ich war schließlich immer noch ihre Enkelin.

Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Ich war nicht gerade nett zu ihr gewesen. Jetzt war sie verletzt, vermutlich sogar schwer, Max' Gemütszustand nach zu urteilen.

Allmählich löste dieser sich aus meinen Armen und murmelte leise „Danke".

„Was ist passiert?", traute ich mich vorsichtig zu fragen.

Er schaute mir in die Augen.

„Sie ist beim Aufstehen gestolpert und hat sich den Kopf und die Schulter an einer Kommode gestoßen. Maggie hat sie kurz darauf gefunden, sie war ziemlich verwirrt. Nachdem sie mich geweckt hatte, ist sie mit ihr ins Krankenhaus gefahren, vermutlich eine Gehirnerschütterung. Sie hat vor Schmerz geschrien, Belle, und wir haben sie nicht gehört. Wer weiß wie lange sie da gelegen hat..."

Er wirkte am Boden zerstört.

„Vermutlich hat sie sich die Schulter verstaucht oder so, aber das mit dem Kopf..."

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWhere stories live. Discover now