Traditionelle Geschlechterrollen? - Über Gleichberechtigung und Feminismus

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Ach ja, Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Ich glaube, dass es neben Religion kaum ein Thema gibt, bei dem man sich sicher sein kann, dass man eine endlos lange Grundsatzdiskussion auslösen wird – egal was man sagt.

Jedoch möchte ich, bevor noch jemand fälschlicherweise auf die Idee kommt, einen wütenden Kommentar zu posten, eines klarstellen: Ich persönlich bin für die Gleichberechtigung zwischenden den Geschlechtern, aber... Nein warte, kein aber! Ich bin dafür. Punkt.

Was mich im Endeffekt dazu gebracht hat, diesen kleinen „Rant" zu verfassen, sind solche Aussagen, wie zum Beispiel „Männer sind physisch Stärker als Frauen!", oder „Frauen sind allgemein Intelligenter als Männer", beziehungsweise nicht einmal diese Aussagen an sich – sondern die darauf folgenden Reaktionen und bereits erwähnten Grundsatzreaktionen.

Versteht mich bitte nicht falsch, ich bin natürlich absolut dagegen, einen Menschen aufgrund seiner Herkunft, Sexualität, Religion oder seines Geschlechtes automatisch irgendwelche Eigenschaften zuzusprechen, nur, weil diese nunmal ins Klischee passen. Allerdings muss das nicht heißen, dass die vorher genannten Aussagen grundsätzlich falsch sind. Die Frage, die mir an dieser Stelle durchden Kopf geht, lautet allerdings nur: Und was soll ich daraus jetzt schließen?

Denn wenn wir die Aussagen „Männer sind physisch stärker als Frauen!" etwas genauer Ausdrücken, lautet sie prinzipiell eigentlich nur folgendes: „Der Durchschnitt aller Männer ist physisch stärker, als der Durchschnitt aller Frauen." Eine Aussage, welche ja durchaus der Wahrheit entsprechen kann, für mich als Individuum, wenn ich es genau betrachte, allerdings erschreckend wenige Folgen hat. Nämlich gar keine.

Ich kenne – entgegen des Klischees – genug Frauen, die mir physisch gesehen weitaus überlegen sind und gegen die ich beispielsweise im Armdrücken sofort den kürzeren ziehen würde. Jedoch könnte ich genau so viele Frauen/ Mädchen in meinem Alter aufzählen, die in dem Bereich der Fremdsprachen – etwas, was Mädchen und Frauen statistisch gesehen eigentlich besser können – weitaus weniger Interesse zeigen als ich.

Worauf ich dabei hinaus will ist die Tatsache, dass wir, wenn wir über Frauen und Männer reden, dabei nicht davon ausgehen können – und sollten – dass es sich dabei um völlig homogene Gruppen handelt, sondern wir das einzelne Individuum betrachten müssen.

Jedoch bleibt damit eine der größten Fragen immer noch unbeantwortet: Sind Frauen und Männer in unserer heutigen Gesellschaft gleichberechtigt? Und so gerne ich diese Frage mit einem konsequenten „Ja" oder „Nein" beantworten würde, muss ich leider zugeben, dass das nicht ganz einfach ist und man diese Frage etwas spezifizieren muss.

Natürlich sind Frauen und Männer dahingehend weitestgehend gleichberechtigt, dass keine institutionelle Diskriminierung mehr stattfindet, oder stattfinden sollte. Damit ist gemeint, dass Männer wie Frauen das Recht zu Wählen haben, vor dem Gesetz gleich sind, keine der beiden genannten Gruppen in irgendeiner Weise Privilegien bekommen sollte, die die andere nicht besitzt.

Dem aufmerksamen Leser dürfte aufgefallen sein, dass das Wort „sollte" im letzten Absatz eine gerade zu inflationäre Anwendung gefunden hat, was nicht nur meiner Unkreativität geschuldet ist, sonder zusätzlich noch einen eher pragmatischen Grund hat.

Denn auch wenn innerhalb der letzten Jahrzehnte möglichst versucht wurde, jegliche institutionelle Diskriminierung aus unserer Gesellschaft auszumerzen treten immer noch Phänomene auf, wie dass Frauen in typischen „Frauenberufen" und Männer in typischen „Männerberufen" arbeiten [1], dass Frauen im schnitt Bruto rund 21% weniger Gehalt bekommen als Männer [2] (stand 2.3.2016) und dass noch immer ein (für mich persönlich zumindest) spürbarer Alltagssexismus (ganz möglicherweise werde ich das mal in einem anderem Kapitel genauer erläutern, wer weiß...) existiert.

Nun, der Argumentationspunkt vieler Gegner des Feminismus ist es zu behaupten, dass Frauen und Männer einfach von Natur aus Unterschiedlich seien, dass heißt, dass der Grund für diesen Umstand scheinbar in der Biologie zu sein scheint.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht leugnen, dass auch unser genetischer Bauplan einen gewissen Einfluss darauf hat, welche Interessen wir im Verlauf unseres Lebens entwickeln, welche Fähigkeiten wir Erlangen und für welchen Beruf man sich dann im Endeffekt entscheidet. Allerdings wäre es über alle Maße vermessen die Ursache für ein solches Problem auf einen einzelnen Aspekt zu reduzieren.

An dieser Stelle möchte ich nur kurz daran erinnern, dass es in Deutschland – naja, zumindest in der BRD – bis 1976 für Männern legitim und völlig rechtens war, ihren Ehefrauen die Ausführung eines Berufes zu verbieten [3]. Das ist gerade mal 41 Jahre her, also liegt zwischen heute und der tatsächlichen institutionellen Diskriminierung von Frauen gerade mal eine Generation.

Sicher 41 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Und natürlich hat sich unsere Gesellschaft innerhalb der vergangenen Jahrzehnte vielfach verändert. Aber trotz all dieser Veränderungen ist Deutschland ein Land, welches vor allem vom Konservativismus geprägt ist – nicht umsonst hat die konservative Union CDU/CSU einen Anteil von über 40% bei uns im Bundestag [4]. Ich denke, dass ein Umdenken in der Gesellschaft bei so etwas fundamentalem wie der Rolle von Männern und Frauen ein Prozess ist, welcher extrem viel Zeit in Anspruch nimmt, da dieser weitaus komplizierter ist als einfach nur einige Gesetze zu ändern.

Worauf ich hinaus will ist, dass ich nicht glauben kann, dass unsere Erziehung keinen Einfluss darauf hat, welchen Interessen und Fähigkeiten wir uns zuwenden. Und ja, auch heute werden noch aktiv Geschlechterrollen gelehrt. Sei es durch die Familie, Werbung, Filme oder Bücher.

Es ist gerade zu unbestreitbar, dass dadurch ein gesellschaftlicher Druck entsteht – ein Druck der uns sagt, welche Musik wir zu hören haben, welche Hobbys für uns geeignet sind und welche Werte wir vertreten sollen und das nur darauf basierend, wieviele X – Chromosome wir besitzen. Ein Druck, welcher es uns zwar nicht unbedingt unmöglich, jedoch ungemein schwieriger macht, uns als Individuum zu entwickeln, sofern wir nicht den klassischen Geschlechterrollen entsprechen.

Was lässt sich also abschließend sagen? Vielleicht, dass wir aufhören sollten, Menschen in Schubladen zu stecken und stattdessen anfangen, die einzelne Person zu betrachten. Als vielschichtigen Menschen und nicht nur als ein Geschlecht. Selbiges gilt natürlich auch für Hautfarbe, Religion oder Sexualität, auch wenn das jetzt nicht unbedingt das Thema dieses Kapitels war.

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Quellen:

[1]http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-03/gender-pay-gap-lohnunterschied-frauen-maenner-deutschland-bezahlung-statistisches-bundesamt

[2]https://www.vigozone.de/schule-dann/typische-maennerberufe-frauenberufe

[3]http://www.zeit.de/1976/43/hausfrauen-ehe-abgeschafft

[4]https://www.bundestag.de/parlament/plenum/sitzverteilung_18wp/sitzverteilung18/245230

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