XXVI

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Liams Zimmer ist immer aufgeräumt. Selbst wenn wir nur ein oder zwei Nächte in einem Hotel bleiben, macht er sich jedes Mal die Mühe, seine Sachen aus den Koffern in den Schrank zu legen, während in den Zimmern von uns anderen immer Chaos herrscht. Ich weiß nicht, warum es mir gerade jetzt auffällt, aber die Ordnung seines Zimmers übt eine unglaubliche Ruhe auf mich aus. 

Ich bin beinahe entspannt. 

Den Alkohol spüre ich kaum noch, der Geschmack fremder Lippen auf meinen ist verflogen. Ich sitze im Schneidersitz auf Liams Bett, die Hände um eine mittlerweile angenehm warme Tasse gelegt. Liam hat Tee gemacht, ohne zu fragen, ob ich welchen will und ich würde ihn am liebsten dafür drücken. 

Wir haben währenddessen kaum geredet, aber jetzt setzt er sich zu mir und sieht mich mit einem Blick an, der mir zu verstehen gibt, dass er reden will. Dass ich irgendwann anfangen muss, zu erzählen. „Warst du noch weg?", fragt er ruhig. 

Ich zögere. Ihm wird nicht gefallen wo ich war, aber lügen kann ich auch nicht. „Im Club", sage ich also ehrlich. Seine Augen weiten sich. Ich erinnere mich, wie er und die Jungs vor einigen Wochen versucht haben, mir all das abzugewöhnen. Das alleine rausgehen, das Feiern, das Trinken. Das mit den Männern. Liam sieht mich an, als wäre ich ein Alkoholkranker, der einen Rückfall gehabt hat. „Nicht so wie du denkst", füge ich also schnell hinzu. „Ich hab nur zwei Bier getrunken. Und mit niemandem geschlafen, wirklich nicht. Ich wollte, aber ich ... hab's nicht getan."

„Nicht?" Er blinzelt überrascht. Dann lässt er einen tiefen Atemstoß aus. Er sieht erleichtert aus. „Das ist gut", murmelt er und räuspert sich. „Ich weiß, es ist verlockend, sich in solche Dinge zu stürzen, wenn es einem schlecht geht. Du weißt, was passieren kann ... ich will nicht, dass es wieder so wird wie vor ein paar Wochen. Dass du dich wieder darin verlierst. Das ist nicht gut für dich ..."

Ich kaue auf meiner Unterlippe herum. Er hat recht, das weiß ich. Es ist nicht gesund. Ich senke meinen Blick, schaue in meine dampfende Teetasse. „Ich weiß." Meine Stimme ist jetzt leiser. „Es ist nur ... manchmal fühlt es sich an, als würde ich das ... brauchen. Die Bestätigung von außen. Manchmal fühle ich mich so ..." Ich suche nach dem richtigen Wort und als ich es schließlich finde, kommt es nur schwer über meine Lippen. „Wertlos."

Liam sieht mich lange an. Er sagt nichts, also fahre ich fort. 

„Ich weiß nicht, ob du weißt, wie das ist - dieses ständige ... Lieben und Begehren und Schwärmen für Louis, was ich einfach nicht abstellen kann. Und nie etwas zurück zu bekommen. Manchmal fühlt es sich an, als könnte mich nie jemand so sehen, wie ich Louis sehe. Und wenn ich dann rausgehe, und fremde Leute mir die Welt versprechen, mich begehren, dann ..."

„Du bist mehr als das, Harry", unterbricht er mich. „Es gibt so viel Liebenswertes an dir, so viel Begehrenswertes - nur, weil Louis das nicht sieht, heißt das nicht, dass das andere nicht tun."

„Ich weiß", murmele ich leise. Meine Finger rutschten über die Tasse. „Aber manchmal ... vergesse ich das." 

Liam kommt ein Stück näher, setzt sich neben mich und legt einen Arm um meine Schulter. Er schenkt mir ein Lächeln. Ich seufze dankbar und lehne meinen Kopf gegen ihn. Wir schweigen eine Weile. „Was ist mit dir und Louis?", fragt er schließlich.

Ich fange nicht sofort an zu reden. Hier, zwischen Nacht und Tag, zu einer Zeit, an der es zu spät ist, um noch wach zu sein und zu früh, um schon aufzuwachen, haben wir alle Zeit der Welt. Und ich habe Angst, es auszusprechen. Was würde Louis sagen, wenn er wüsste, dass ich alles erzähle? Diese Sache hat uns gehört, ihm und mir. Es war nicht dazu bestimmt, erzählt zu werden. Aber jetzt ist es vorbei und ich weiß, dass ich mit irgendjemandem reden muss. „Du darfst es niemandem erzählen", beginne ich. „Und du darfst Louis nicht darauf ansprechen. Versprichst du das?" 

I want all that is not mineDonde viven las historias. Descúbrelo ahora