7. Einladung

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Mit halb geschlossenen Augen saßen Anne und ich auf einem Fensterbrett eines Ganges der Chirurgie. Anne schlang ihr Mittagessen förmlich in sich hinein, während ich die Salatblätter in meinem Teller nur hin und her schob. Ich war suspendiert worden. Na ganz toll.

Schmatzend sah Anne auf und klopfte mir auf die Schulter. „Hey, das wird schon wieder", sagte sie und aß genüsslich ihren Salat weiter. Ich schüttelte nur meinen Kopf und dachte an meine Kollegen. Sie würden sich wahrscheinlich noch einige Monate hinter vorgehaltener Hand über meine Suspendierung lustig machen.

„Ach, bevor ich es vergesse. Hier das ist von meinem Skispringer. Für dich", sagte sie und kramte einen ziemlich zerdrückten weißen Umschlag aus einer Tasche ihres Kittels. Fragend nahm ich den Brief entgegen und öffnete ihn neugierig. Was wollte Kühn denn bitteschön von mir?

Ich zog einen Zettel heraus und las mir die feinsäuberliche Schrift durch.

Hallo Luisa,

ich weiß, dass du es nicht für eine große Sache ansiehst, dass du mich bei dir übernachten hast lassen. Für mich ist das allerdings keine Selbstverständlichkeit. Deswegen möchte ich dich – und eine weitere Person – dazu einladen mich nach Innsbruck und Bischofshofen zu begleiten. Das Hotel ist dasselbe der Deutschen Mannschaft und es ist schon alles bezahlt. Die Tickets sind beigelegt. Ich hoffe du kommst vorbei und bist mir ein kleiner Glücksbringer bei meinen Sprüngen. Ich freue mich auf dich.

Dein Max

Ein Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. „Das ist nicht von deinem Skispringer. Das ist von meinem", sagte ich und holte zwei Karten aus dem Umschlag raus. „Du hast dir tatsächlich den anderen Springer geangelt?", fragte Anne überrascht und stellte ihren Salat auf die Seite. Anschließend riss sie mir den Brief aus der Hand.

„Das sind VIP-Tickets für die Vierschanzentournee", sagte ich andächtig und fuhr über die Laminierten Karten. „Wie bist du an denn rangekommen?", fragte sie mich und blickte bewundernd zwischen mir und dem Brief hin und her. „Er stand vor meiner Tür und brauche Benzin. Das habe ich dir doch schon mal gesagt", meinte ich und steckte die Karten wieder zurück in den Umschlag. „Ach, das ist der von heute morgen", sagte Anne als ihr der Groschen fiel und klatschte sich auf die Stirn.

„Sicher, dass du ihm nur dein Sofa gegeben hast und nicht auch noch dein Herz?", fragte Anne mich und reichte mir den Brief zurück. „Was? Nein! Es hat vielleicht geknistert, aber mehr war da nicht", gestand ich und blickte auf meine Füße.

„Komm schon. Vielleicht hast du ihm nicht dein Herz geschenkt, aber mindestens deine Vagina", meinte sie wissend und lehnte sich zurück. „Spinnst du jetzt komplett?", fragte ich sie und schüttelte ungläubig meinen Kopf. „Ich weiß, dass du seit Mark nie wieder Sex hattest", meinte sie und schloss ihre Augen. Unsere Konversation war für sie also schon beendet. „Tut mir leid, aber das ist halt mal so. Da kann ein Skispringer nichts dran ändern", meinte ich trotzig und verstaute den Brief in meiner Kitteltasche.

„In deiner Vagina hängen Spinnenweben", meinte Anne nur weiter und ich schüttelte meinen Kopf. „Hatten wir nicht die selbe Unterhaltung heute früh schon?", fragte ich sie und schüttelte meinen Kopf. Erschöpft lehnte ich mich gegen die kalte Betonmauer und schloss meine Augen.

„Aber vielleicht geht es ja doch. Das wäre mal ein Eingriff, das sage ich dir. Kommt da auf einmal eine Spinne aus deiner Vagina gekrochen. Zu geil", schwärmte sie und ich verzog angeekelt mein Gesicht. „Das ist widerlich", meinte ich nur.

„Okay, aber wieder zurück auf das Wesentliche. Wir haben Karten für die Vierschanzentournee und wir werden da hingehen", sagte sie bestimmt. Ich öffnete meine Augen und sagte: „Nein, werden wir nicht" „Warum nicht? Das ist deine Chance mal wieder Sex zu haben", schwärmte sie und musterte mich fragend.

„Weil ich hier nicht weg will. Du weißt wie ich zu Skispringen stehe", meinte ich trocken und richtete mich wieder auf. „Komm schon. Du bist für die nächste Woche suspendiert und Innsbruck und Bischofshofen sind noch innerhalb dieser Woche. Das sind VIP Tickets! Weißt du wie viel die normalerweise Kosten?", fragte sie und hatte total glänzende Augen. Sie war schon jetzt Feuer und Flamme.

„Mir egal, ich verkaufe sie. Zusammen mit dem bezahlten Hotel", sagte ich gleichgültig. „Das kannst du nicht bringen. Er hat geschrieben, dass er sich freuen würde dich wieder zu sehen. Du weißt was das bedeutet. Er findet was an dir", meinte sie und sah mich mit ihrem Hundeblick an. „Findest du?", fragte ich nach und blickte zweifelnd zu ihr.

„Ja, und ich bin mir da zu Einhundert Prozent sicher. Sonst würde er dir nicht so ein unbezahlbares Geschenk machen. Wir gehen da hin, ja? Du wirst dich mit deinem Skispringer treffen und wer weiß? Vielleicht wird es ja was mit euch", meinte sie und grinste mich aufmunternd an. „Jetzt bleib aber Mal auf dem Boden. Aber denkst du wirklich?", versuchte ich ihren Enthusiasmus etwas zu bremsen.

„Klar, sieh her. Die Hotels sind von Morgen bis Sonntag gebucht. Das ist eine lange Zeit und ich bin mir Sicher, dass ihr euch näher kommen werdet. Der wird schon nicht den ganzen Tag auf der Schanze sein und seine Sprünge üben", meinte sie und legte ihre Hand auf meine Schulter. „Okay, wir gehen da hin", sagte ich nach einer kurzen Bedenkzeit.

„Und du angelst dir deinen Skispringer. Ich will dass du endlich mal wieder einen Orgasmus hast. Und Skispringer sollen anscheinend recht gute Küsser sein, also", meinte sie mit einem zweideutigen Grinsen.

Lachend schlug ich ihr auf die Schulter. „Sag mal müssen wir eigentlich immer auf dem selben Thema landen?", fragte ich und konnte mich vor Lachen kaum halten. „Wir können es halt", meinte sie nur und grinste mich an. „Du spinnst doch", meinte ich und Anne erwiderte darauf nur: „Du doch genauso"

Ich schloss meine Augen und schüttelte mich. Ich würde Max wohl doch noch öfters sehen, als mir lieb war. Hoffentlich würde Anne mir in dieser Zeit beistehen. Denn wenn ich eines gelernt hatte, dann waren Skispringer die Letzten mit denen ich zusammen sein wollte.

Wie ich lernte zu fliegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt