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Am Montag wachte ich auf, bevor mein Wecker klingelte. Ich hatte schlecht geschlafen. Müde drehte ich mich im Bett um, zum Fenster, und beobachtete die vielen, kleinen Regentropfen, die in einem grossen Durcheinander an die Scheibe prasselten. Es war, als wäre die Welt mit mir zusammen traurig. Ich glaube ich hatte noch nie erlebt, dass es im mitten im Hochsommer regnete. Ein seufzend entfuhr mir und ich schloss die Augen. Unter der Bettdecke war es angenehm warm und das Kissen fügte sich perfekt meinem Kopf. Am liebsten würde ich einfach liegen bleiben, bis der Tag vorbei war. Wenn ich so hier lag, war alles um ich herum egal. Aber natürlich war das nicht möglich und als mein Wecker klingelte öffneten sich meine Augen wieder. Wenigstens war der Kater weg. Ich schob meine Beine unter der Decke hervor und setzte mich auf den Bettrand. Dort blieb ich eine Weile sitzen.

"Gott, tu doch nicht so kindisch..."

Chayas Worte schlichen sich wieder in meinen Hinterkopf. Der gleiche Schmerz, der schon die beiden letzten Tage zur Hölle gemacht hatte, machte sich in meinem Körper breit. Aber sie hatte Recht, ich durfte nicht so kindisch sein. Ich erhob mich entschlossen vom Bett, schnappte mir eine Jeans und einen roten Hoodie und ging ins Badezimmer. Ich würde sie nicht meinen ganzen Tag bestimmen lassen.

Nachdem ich mich angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg in die Küche, wo Matt schon über eine Schüssel Müsli gebeugt war. Als ich durch den Türrahmen kam schaute er auf. "Hey. Du siehst besser aus, was ist passiert?", fragte er mit gerunzelter Stirn und verfolgte mich mit seinem Blick, als ich auf mein Handy zulief. Ich schüttelte den Kopf und lächelte. "Nein, nichts ist passiert. Ich habe nur meine Einstellung geändert." Er hob eine Augenbraue und kaute auf seine Müsli herum. Ich steckte mein Handy an meine Powerbank an und entsperrte es dann. Kayla hatte mir geschrieben und gefragt, wie es mir ging. Ich tippte kurz ein 'Gut.' und schickte es ab. Dann öffnete ich die Tür des Kühlschranks und holte mir ein Himbeerjoghurt heraus. "Also, dass ich das richtig verstehe. Dir geht's gut?", versicherte sich Matt und wedelte mit seinem Löffel in der Luft herum. "Ja, Matt. Mir geht's gut. Nimmst du mich mit?", lachte ich und riss den Deckel meines Joghurts ab. Sein skeptischer Blick sagte, dass er mir nicht ganz glauben konnte. "Na gut. Aber wenn sie dich dumm anmacht, schreib mir. Und ja, kann ich machen." Er verdeutlichte seine Aussage mit einem direkten Blick in meine Augen und zeigte auf mich. Ich nickte und ging aus der Küche, um ein Zeug zu holen.

So pünktlich hatten wir das Haus noch nie verlassen. Ich fühlte mich wirklich besser, der Tag fing gut an. Ich schaute aus dem Autofenster und verfolgte die Regentropfen, die durch den Fahrtwind ein kleines Wettrennen veranstalteten. Matt war etwas älter als ich und konnte, im Gegensatz zu mir, schon Auto fahren. Das war unglaublich praktisch, vor allem, weil wir auf die gleiche Schule gingen. Matt bog auf den Schulparkplatz ein und als ich das Gebäude sah, kamen Zweifel in mir auf. Ich war nervös. Irgendwie hatte ich mir das alles leichter vorgestellt. Einfach in die Schule hinein spazieren und zeigen, dass es mir egal war. Oder jedenfalls so tun. Aber ich war wieder einmal zu naiv gewesen. Ich seufzte und öffnete die Autotür. Matt, der schon draussen stand und darauf gewartet hatte, dass ich ausstieg, sah mich besorgt an.

"Ist wirklich alles okay?", fragte er und legte mir eine Hand auf den Rücken, während wir aufs Gebäude zu gingen. Ich nickte und warf mir meine Tasche über die Schulter. "Ich schaffe das schon.", redete ich ihm und mir selbst ein. Mein Puls war schon auf 180 und ich hatte das Gefühl, dass ich gleich umkippen würde. Aber wie schlimm konnte es schon werden?

Kurz vor dem Klingeln trat ich ins Klassenzimmer und wurde sofort von der traurigen Wahrheit konfrontiert. Es war verdammt schlimm. Chaya sass mit baumelnden Beinen auf dem Tisch in der hintersten Reihe, unserem Tisch, und redete mit Emma. Ich blieb an der Tür stehen und überlegte was ich jetzt tun sollte. Mich zu ihr setzen kam gar nicht in Frage. Sie warf mir einen abschätzigen Blick zu. Ok, wow. Von verstohlenen Küssen am Freitag zu verachtenden Blicken am Montag. Das alles machte für mich keine Sinn. Sie konnte mich doch nicht einfach von heute auf morgen nicht mehr lieben. Letzte Woche hatte sie sich noch benommen wie jemand, der verliebt war. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb und die Tränen stiegen mir wieder in die Augen. Aber bevor ich losheulen und mich total vor ihr blamieren konnte, wurde die Tür hinter mir geschlossen und unser Geschichtslehrer fing mit dem Unterricht an. "Skylar, setzt du dich bitte hin? Da vorne ist noch ein Platz.", seufzte er genervt und zeigte auf einen Einzeltisch in der vordersten Reihe. Ich trottete darauf zu und hörte Chayas Lachen in meinem Rücken. Die anderen lachten mit und ich versank tief in meinen Hoodie. Wäre ich doch nur nicht so dumm gewesen und auf ihr kleines Spielchen hereingefallen.

WirWhere stories live. Discover now