7

843 52 1
                                    

Clarke und ich hatten noch lange geredet, bevor Matt nach draussen gekommen war. Er hatte mir auf die Schulter getippt und mit einem Kopfnicken in Richtung Auto angedeutet, dass er nach Hause wollte. Ich war aufgestanden und hatte mir den Dreck von den Hosen gestrichen, während ich mich von Clarke verabschiedet hatte. "Also. Man sieht sich." Sie hatte gelächelt und sich ebenfalls erhoben. Matt stand schon am Auto und klopfte ungeduldig mit den Fingern aufs Dach, doch er sagte kein Wort. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Als ich einstieg, schaute ich noch einmal zu Clarke, die ihre Hände in ihre Bauchtasche gesteckt hatte und zurück zum Haus lief.

Die Fahrt verlief ruhig, die Luft fühlte sich dick an und die Stimmung war unangenehm. Mein Bruder hielt das Lenkrad in verkrampften Händen und hatte seinen Blick starr auf die Strasse gerichtet. Ich schüttelte nur den Kopf und widmete mich meinen eigenen Problemen, die ich in der letzten Stunde komplett vergessen hatte. Ich sah sie wieder vor mir, als würde es noch einmal passieren. Mein ganzer Körper zog sich zusammen und in meiner Brust breitete sich der schon bekannte Schmerz aus. Ich presste meine Lippen aufeinander, um nicht loszuheulen und lehnte den Kopf ans kühle Fensterglas. Vergiss sie. Streich sie einfach aus deinen Erinnerungen und fang neu an. Du schaffst das.

Ich schaffte es nicht. Sobald ich in meinem Zimmer angekommen war und die Tür geschlossen hatte, brach alles in mir zusammen. Tränen strömten über meine Wangen und tropften auf den grauen Teppich. Mein Körper wurde von dauerndem Schluchzen geschüttelt und ich konnte nicht mehr richtig atmen. Wie konnte sie so scheisse sein und mir das antun? Ich sass auf dem Boden, an mein Bett gelehnt und starrte an die Decke. Das Leben war so verdammt unfair. Die Tür wurde langsam geöffnet und Matts Kopf erschien. Ich bemühte mich nicht meine Tränen zu verstecken, sondern sah ihn einfach nur an. Ich musste schrecklich aussehen. Er kam zu mir und setzte sich neben mich, um mich in den Arm zu nehmen. Ich schniefte und schloss die Augen. "Danke." Er legte sein Kinn auf meinen Kopf und streichelte meinen Rücken. "Kein Problem."

~

Matt tat alles, um mich abzulenken. Er schleppte mich ins Schwimmbad, ins Kino und in der letzten Woche hatten wir fast jeden Tag unsere Schwester und ihren Mann besucht. Er hatte auch gefragt, ob ich mit ihm joggen gehen wollte, aber das hatte ich lachend abgelehnt. Heute Abend war er mit Freunden unterwegs und es war das erste Mal, dass ich alleine war, seit der Party. Ich sass vor dem Fernseher und schaute irgendeine Sendung auf MTV, während ich meine Langeweile gleichzeitig auf Instagram zu vertreiben versuchte. Ich ging durch meinen Feed, bis mir ein Bild von der Serie 'The100' ins Auge sprang. Es war von einer Fanpage gepostet worden, die Clarke schon Ewigkeiten hatte. Seit der Party am See hatte ich jedes Bild geliket, oder kommentiert. Sie liebte die Serie, genauso wie ich. Vielleicht war das auch nur, weil sie hiess wie die Protagonistin. Aber dass sie so ein Lexa-fan war musste doch heissen, dass sie auch auf Frauen stand. Oder? Wenn das der Fall war, hatte ich endlich jemanden der so war wie ich. Ausser Chaya.
Nachdem ich den Fernseher ausgeschalten und geduscht hatte, kam ich, mit einem Handtuch auf dem Kopf, in mein Zimmer. Mein Handy blinkte und zeigte mir, dass ich eine Nachricht bekommen hatte. Mein Herz schlug schneller. Was wenn sie von Chaya war? Als ich mein Handy entsperrte wurde ich enttäuscht. Clarke hatte mir auf Instagram geschrieben.

"Hey.. Es interessiert mich, weisst du wer ich in Echt bin?"

Ich grinste und tippte schnell eine Antwort.

"Wenn du das Mädchen bist, das ich geschlagen habe, weil ich wütend war, dann ja. :) Tut mir übrigens immer noch leid."

Die Antwort kam nur einige Minuten später.

"Genau :) Ist schon gut, der blaue Fleck ist ja schon lange nicht mehr da. Und so hart war der Schlag jetzt auch nicht."

Sollte das eine Beleidigung sein? Das Grinsen auf meinem Gesicht wurde breiter und ich warf mich auf mein Bett.

"Ha ha. Ich hab dich eben verschont. Was machst du?"

Sie schrieb sofort zurück.

"Jaja, du bist bestimmt echt stark. Ich bin mit meinen Eltern in den Bergen. Echt langweilig."

Ich lachte und antwortete, dass sie mir Leid tat. Nach einer halben Stunde, in der wir uns gegenseitig beleidigt hatten, fragte ich sie nach ihrer Nummer, weil man auf Whatsapp viel besser schreiben konnte, als auf Instagram. Jedenfalls war das mein Vorwand. Ich mochte sie und es war irgendwie aufregend mit jemandem zu schreiben und sie kennenzulernen. Sie gab mir ihre Nummer und wir schrieben weiter miteinander, bis es stockdunkel war und ich einschlief.


WirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt