Kapitel 6

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Kapitel 6

Angespannt sprang Chat Noir über die Dächer der Stadt und versuchte Ladybug zu finden.
Hätte er doch nur besser aufgepasst und ein klein wenig länger den Nachrichten zugeschaut. Dann wüsste er jetzt, wo er hin müsste, und müsste hier nicht planlos durch Paris irren.
Verärgert über sich selber, landete er auf dem nächsten Dach. Gerade wollte er weiter springen, als ihm Leute auffielen, die panisch vor etwas wegzulaufen schienen. Warum liefen sie davon? Hatte er endlich sein Ziel gefunden? Lange musste allerdings nicht weiter überlegen, da ein lauter Knall, nicht weit von ihm entfernt, ertönte. Ruckartig drehte er sich in dessen Richtung. Da musste es sein. Ohne zu zögern, eilte er wieder los. Immer mehr Menschen liefen panisch davon. Ohne Zweifel, dort müsste es sein.
Es hatte nicht lange gedauert und er entdeckte Ladybug, die angespannt etwas in der Seine zu suchen schien. Für einen kleinen Moment stockte er. Es war das erste Mal, dass er Ladybug wieder sah, seitdem er wusste, dass sie Marinette war. Doch dann schüttelte er seinen Kopf. Jetzt war keine Zeit für so etwas. Er wirbelte seinen Stab über sich und sprang von dem Dach herunter. Die Umgebung war mittlerweile menschenleer. Aber wo steckte die akumatisierte Person? Hatte sie ihn schon ohne ihn besiegt? Flink lief er zu Ladybug herüber. Sie hatte ihren Blick immer noch fest auf den Fluss gerichtet.
„Mar ... Mylady", rief er und stellte sich neben sie.
Kurz blickte sie über ihre Schulter, doch sofort wandte sie sich wieder von ihm ab.
„Du kommst reichlich spät", murmelte sie und ihr Blick wanderte wieder den Fluss entlang.
„Sorry. Hab es nicht gleich gefunden."
Automatisch sah er ebenfalls auf den Fluss und folgte ihren Blick.
„Was habe ich verpasst?"
„Ein verrückter Taucher meint hier Unruhe zu stiften. Er nennt sich Mad-Diver. Das Problem, er taucht immer nur kurz auf und dann verschwindet er wieder im Fluss."
Chat Noir stützte sich auf seinem Stab ab und runzelte die Stirn.
„Und dann spritzt er mit Wasser herum?" Er lachte kurz auf, doch verstummte er sofort wieder, als er Ladybugs ernsten Blick sah.

„Siehst du die Löcher hier ringsherum?" Angespannt deutete sie hinter sich.
Verwundert sah er über seine Schulter zurück. Der Boden sah teilweise aus wie Schweizer Käse. Und dann fiel ihm der laute Knall auch wieder ein. Abrupt sah er wieder zu ihr.
„Du meinst?"
„Ganz genau. Lass dich bloß nicht von dem Wasser erwischen. Es sieht zwar aus, wie normales Wasser, doch es ist hart wie Stein."
Chat Noir wollte gerade noch etwas erwidern, doch kam er nicht mehr dazu, da etwas aus dem Wasser herausgesprungen kam. Sofort ging er in Abwehrhaltung und hielt seinen Stab vor sich.
„Ach sieh an. Da hätten wir also Nummer zwei. Das wird dir aber auch nichts bringen, Ladybug. Gebt mir einfach eure Miraculous und dann verschone ich euch vielleicht."
Angriffslustig betrachtete Chat Noir seinen Gegner. Besonders gefährlich sah er jetzt nicht in seinem schwarzen Neoprenanzug aus. Der neongrüne Schnorchel machte das Bild auch nicht besser, eher das Gegenteil. Lediglich seine rot leuchtenden Augen blitzten bedrohlich.
„Die wirst du nicht bekommen", rief Ladybug und warf ihm das Jo-Jo entgegen.
Doch bevor es ihn erreichte, tauchte er wieder ab.
„Und vor dem sollen wir jetzt Angst haben?" Fragend sah Chat Noir zu Ladybug herüber und konnte nicht verhindern, dass er begann, sie zu mustern.
Ladybug rief ihm irgendetwas zu, doch so richtig bekam er davon nichts mit. Zu sehr war er in seinen Gedanken versunken.
„Pass auf", schrie diese nun allerdings und lief auf ihn zu.
Schnell warf sie sich gegen ihn, wobei beide zu Boden fielen.
Gerade noch rechtzeitig, da ein großer Wasserball laut krachend, an genau der Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, einschlug. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Chat Noir auf das neue Loch im Boden. Das hätte wehgetan, hätte ihn das getroffen, lief es ihm eiskalt den Rücken herunter.
„Unterschätze ihn nicht und pass besser auf", tadelte Ladybug ihn und stand dabei auf.
Sie streckte ihm seine Hand entgegen und sah ihm dabei in die Augen. Zaghaft legte er seine Hand in ihre und ließ sich von ihr hochziehen. Ohne seinen Blick abzuwenden, sah er ihr weiterhin tief in die Augen. Sofort schoss ihm wieder Marinette durch den Kopf, wie sie schüchtern neben ihm auf der Bank gesessen hatte, und ihr Eis gegessen hatte.
„Alles in Ordnung mit dir? Irgendwie scheinst du heute nicht ganz bei der Sache zu sein."
Schuldbewusst nickte er ihr zu und schüttelte seine Gedanken wieder ab. Sie hatten einen Superschurken zu bekämpfen. Er musste wirklich besser aufpassen jetzt.
„Schon eine Idee, wo der Akuma steckt?", fragte er daher schnell und konzentrierte sich wieder auf die Situation.
„Ich denke, er ist in dem Schnorchel."
„Tja, nur wie sollen wir daran kommen, wenn er unter Wasser ist. Eine Meerkatze bin ich leider nicht", zwinkerte er ihr zu.
Laut stöhnte Ladybug auf und klatschte sich ihre Hand gegen die Stirn.
„Selbst das würde dir nichts bringen. Meerkatzen sind Affen."
Nachdenklich tippte er sich gegen sein Kinn.
„Auch wieder wahr."
Ruckartig drehte sich Ladybug zurück zum Wasser. Es begann kleine Wellen zu schlagen und alarmierend ballte sie ihre Fäuste. Auch Chat Noir machte sich bereit. Keine Sekunde später formten sich aus den Wellen die nächsten Wasserbälle und flogen auf sie zu. Schnell wichen sie ihnen aus oder ließen sie mit dem Jo-Jo oder dem Stab zurück ins Wasser fliegen. Einige Minuten wurden sie so über den Platz gejagt.
Das Wasser beruhigte sich wieder und Ladybug behielt den Fluss stets im Auge.
„So wird das nichts", sprach sie mehr zu sich selber doch Chat Noir hörte sie trotzdem.
„Ich denke, es wird Zeit für deinen Glücksbringer."
Zu stimmend nickte sie und warf ihr Jo-Jo in die Luft.
„Glücksbringer."
Irritiert fing sie ein großes Netz auf.
„Was soll ich den damit anfangen?"
Mit einem Katzensprung stellte sich Chat Noir neben sie.
„Also mich hast du schon Mal im Netz", ließ er seine Augenbrauen wackeln.
Seufzend wandert ihr Blick daraufhin durch die Gegend und ihre Augen wurden groß.
„Ich weiß, was zu tun ist. Gib mir Deckung."
„Zu euren Diensten Mylady."
Sofort stellte er sich vor sie und schon begann die nächste Angriffswelle. Er ließ seinen Stab kreisen und wehrte die Geschosse ab.
„Siehst du das Boot?", flüsterte sie ihm zu.
Doch ohne auf eine Antwort zu warten, lief sie los. Chat Noir sprintete hinter her und schlug einen Wasserball nach den anderen von ihr weg. Sie hatten das kleine Paddelboot beinahe erreicht und das Wasser beruhigte sich wieder. Ladybug befestigte eine Seite des Netzes am Ufer. Nun begriff auch Chat Noir, was sie vorhatte.
„Na dann lass uns den Fisch mal ins trockene bringen."
Ladybug stand auf, lächelte ihn kurz an und sprang samt Netz auf das Boot. Doch statt ihr hinterher zuspringen, sah er sie einfach nur an. Sie lächelte wirklich, wie Marinette. Warum war ihm das nur nie aufgefallen? Wie blind konnte man eigentlich sein? Doch schlagartig weiteten sich seine Augen. Das Wasser wurde wieder unruhig und er sah das sich eine Wasserkugel, nicht weit entfernt von dem Boot, formte und im Begriff war auf sie zu zufliegen. Da sie gerade auf die andere Seite paddelte, um dort das Netz zu befestigen, bekam sie davon nichts mit. Panisch setzte er zum Sprung an.
„Ladybug!"
Schlagartig drehte sie sich zu ihm herum. Doch es war zu spät. Der Wasserball traf sie direkt gegen die Brust, schleuderte sie vom Boot und drückte sie unter Wasser. Kopflos sprang er ihr sofort hinter her. Das war alles seine Schuld. Er sollte ihr Deckung geben, und was tat er? Verträumt in der Gegend herumschauen.
Als sich seine Augen an das Wasser gewöhnt hatten, versuchte er sie zu finden. Und da war sie. Regungslos trieb sie unter Wasser. So schnell er konnte, versuchte er zu ihr zu schwimmen. Er musste sie aus dem Wasser holen.
Als er sie erreicht hatte, bemerkte er, dass der Taucher ihm auf den Fersen war. Ruckartig drehte er sich um, nahm seinen Stab, ließ ihn länger werden und drückte den Mad-Diver somit von sich weg. Er wusste, dass ihn das nicht lange aufhalten würde, also griff er nach Ladybugs Arm, zog sie zu sich und schwamm mit ihr zur Oberfläche. Er konnte sie gerade noch aus dem Wasser ans Ufer schieben, als er etwas an seinem Knöcheln spürte und zurück unter Wasser gezogen wurde. Wild strampelte er mit seinen Beinen. Doch da er sich unter Wasser befand, bewegten sie sich eher in Zeitlupe. Er nahm sich wieder seinen Stab zur Hand und stieß erneut den Taucher von sich weg. Sofort schwamm er nach oben und kletterte keuchend heraus. Kurz blickte er über seine Schulter, doch von Mad-Diver zum Glück keine Spur. Augenblicklich sprang er auf seine Füße und rannte wackelig zu Ladybug, die immer noch bewegungslos am Boden lag. Ein Blick über die Seine ließ ihn allerdings noch einen Tick schneller laufen, da die Oberfläche wieder unruhig wurde. In Sekundenschnelle warf er sich zu ihr, griff mit einem Arm unter ihre Kniekehlen und legte den anderen um ihren Oberkörper. Kurzerhand stand er mit ihr auf und lief los. Im Augenwinkel konnte er sehen, wie der Mad-Diver aus dem Wasser aufstieg.
„Weglaufen bringt euch gar nichts."
Ein finsteres Lachen ertönte und Chat Noir konnte ein lautes Platschen vernehmen. Er musste wieder abgetaucht sein. Ohne sich herumzudrehen, lief er unbeirrt weiter. Wenn er wieder abgetaucht war, dauerte es mit Sicherheit nicht lange, bis er erneut angriff. Besorgt sah er herunter in Ladybugs Gesicht. Doch immer noch keine Regung von ihr.
„Komm schon, mach die Augen auf!"
Er musste weg vom Wasser. Wenn er weit genug weg wäre, konnte der Taucher sie nicht mehr beschießen. Und wenn er ihnen folgen sollte, wäre es ein Leichtes für ihn, ihn zu stoppen. Am Land war er mit Sicherheit machtlos. Schnell steuerte er eine Seitenstraße an. Es kam ihm, wie eine Ewigkeit vor. Doch in Wahrheit waren nur wenige Sekunden, seitdem er aus dem Wasser gesprungen war vergangen. Ein lautes Husten ließ ihn nach unten schauen. Ladybug hustete und das Wasser wurde wieder aus ihren Lungen gepresst. Endlich. Erleichtert sprang er mit ihr hinter ein parkendes Auto, setzte sie auf den Boden und stützte sie. Immer noch hustete sie und rang nach Atem.
„Das ist alles meine Schuld", senkte er seinen Blick, doch das Piepen ihrer Ohrringe ließen ihn wieder aufblicken.
Vorsichtig lehnte er sie gegen das Auto.
„Du wartest hier. Ich werde ihn aufhalten und dir den Akuma bringen ... Und dann bringen wir dich zu einem Arzt."
Eindringlich sah er sie an, stand dann mit geballten Fäusten auf und rannte los. Er musste es schaffen diesen blöden Schnorchel zu bekommen.
Er näherte sich wieder der Seine. Doch weit und breit war kein blöder Taucher zu sehen. Dann fiel sein Blick auf das Netz. Er musste ihn einfangen und an Land ziehen. Er sprang auf das kleine Boot, schnappte sich das Ende des Netzes und mit einem Satz stand er auf der anderen Seite des Flusses. Schnell befestige er es auch dort das Netz. Jetzt musste er ihn nur noch hereinlocken und zu ziehen. Doch dies war leichter gesagt, als getan. Er musste ihn ja erst mal erwischen und alleine könnte das schwierig werden. Aber hatte keine andere Wahl. Diese ganze verdammte Situation war ganz allein seine Schuld. Er hüpfte auf das Boot zurück und ließ das Netz ins Wasser gleiten. Wo steckte der Typ denn nur? Das Wasser begann zu tosen und Chat Noir machte sich bereit. Doch zu seiner Überraschung schwamm er nicht unten im Wasser herum, sondern stieg mit einer riesigen Wassersäule empor. In seinen Händen und um ihn herum, schwirrten Wasserbälle.
„Gib mir dein Miraculous!", brüllte der Mad-Diver und warf einen Wasserball nach den anderen auf Chat Noir.
Mit Mühe konnte er ihnen nur ausweichen oder mit seinem Stab wieder zurückschleudern. Lange würde es mit Sicherheit nicht durchhalten, schoss es ihm durch den Kopf. Er musste sich etwas einfallen lassen. Und dann hallte ihm eine sehr bekannte Stimme ins Ohr. Abrupt drehte er sich zu der Stimme herum.
„Hey. Wenn du mein Miraculous willst, dann hol es dir", keuchte Ladybug und drückte sich dabei eine Hand gegen ihre Brust.
Fassungslos starrte er sie an. Was machte sie hier? Sie sollte nicht hier sein. Doch dann bemerkte er, dass sie ihm zu zwinkerte. Und er begriff. Es war ein Ablenkungsmanöver. Und es schien auch zu klappen, denn der Taucher beachtete ihn überhaupt nicht mehr. Ohne zu zögern, sprang er mit dem Netz in der Hand los, warf es über ihn und landete am Ufer. Eilig lief er zu dem anderen Ende, zog kräftig an dem Netz und fischte ihn somit aus dem Wasser. Zappelnd und schimpfend versuchte sich Mad-Diver zu befreien, aber Chat Noir war schneller. Er öffnete das Netz, riss ihm die Taucherbrille vom Kopf und warf sie zu Ladybug. Mad-Diver versuchte hinterher zu laufen, doch Chat Noir hielt ihm Fest im Griff. Im Augenwinkel konnte er sehen, dass Ladybug die Brille zerstörte und den schwarzen Schmetterling einfing. Mad-Diver verwandelte sich zurück und landete verwirrt auf allen Vieren.
„Wo bin ich?"
Doch darum kümmerte sich Chat Noir gar nicht mehr, da er sah das Ladybug erschöpft zu Boden sank. Wieder piepte ihr Ohrring. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, bevor sie sich zurückverwandelte.
„Geht es dir gut?",
Besorgt kniete er sich neben sie.
„J-ja ... Das Netz ...", sprach sie mit heiserer Stimme.
Nickend lief Chat Noir zurück und brachte es ihr. Mit einem Lächeln im Gesicht warf sie es in die Luft.
„Miraculous Ladybug", rief sie und die kleinen Marienkäfer erledigten ihre Arbeit.
Ein weiteres Piepen und Chat Noir sah, dass ihr nur noch eine Minute blieb.
„Du musst zu einem Arzt."
Sanft legte er seine Hand auf ihre Schulter. Er sah, dass es ihr nicht gut ging, und machte sich große Sorgen. Doch Ladybug schüttelte bloß ihren Kopf und nahm ihr Jo-Jo in die Hand.
„Ich muss los."
Kaum hatte sie die Worte gesprochen, schwang sie sich auch schon mit ihrem Jo-Jo über die Dächer aus seinem Blickfeld und zurückblieb ein in Sorge versetzter Chat Noir.

So nah und doch so fern [Miraculous]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt