Kapitel 13

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Kapitel 13

„Marinette, was ist los?"
Chat Noir ging einen Schritt auf sie zu und wollte etwas sagen, doch sie hob sofort ihre Hand und brachte ihn damit zum Schweigen.
„Es tut mir leid ... Ich kann nicht ... Ich mag dich wirklich gerne, aber ..."
„Aber?"
Sie rang nach den richtigen Worten. Wie sollte sie ihm erklären, was sie fühlte, wenn sie es im Moment selbst nicht ein Mal wusste.
„Da ist dieser Junge und ... ich bin schon so lange in ihn verliebt."
Sie sah in sein Gesicht und konnte sehen, wie etwas in ihm zu zerbrechen schien. Aber was sollte sie machen? Sie musste ihm die Wahrheit sagen, alles andere wäre ihm gegenüber nicht fair.
„Marinette ..."
Er senkte seinen Kopf, holte offenbar tief Luft und sah sie dann wieder an.
„Aber, da ist doch irgendetwas zwischen uns. Das habe ich mir doch nicht eingebildet. Und der Kuss gestern Nacht ... Der hat doch etwas zu bedeuten. Zumindest hat er mir das ... ", flüsterte er den Rest, doch sie hatte ihn durchaus verstanden.
„Chat, es tut mir wirklich leid ... Ich ... Ich bin einfach so durcheinander. Er hat mir doch auch etwas bedeutet, wirklich. Das ist es ja gerade. Meine Gefühle spielen gerade Achterbahn. Ich bin schon so lange in diesen Jungen verliebt. Er weiß es nicht und vermutlich wird er auch nie mehr, als eine Freundin, in mir sehen. Aber ich kann nichts gegen meine Gefühle machen und jetzt ... ganz plötzlich kommst du, und schleichst dich klammheimlich, ohne dass ich es richtig gemerkt habe, in mein Herz hinein."
Sie redete ohne Punkt und Komma, aber Tikki hatte recht. Sie sollte auf ihr Herz hören. Und dies sagte ihr, sie musste ihm die Wahrheit sagen, damit er es verstehen würde, warum sie nun so handelte.
„Aber dann empfindest du doch etwas für mich und ich für dich. Dann ist es doch ganz einfach."
Sie wollte ihm antworten, doch begann plötzlich alles vor ihren Augen zu verschwimmen und das Zimmer fing an sich zu drehen. Sie hatte ganz vergessen sich wieder hinzusetzen und ihr Kreislauf machte offenbar gerade schlapp. Wankend versuchte sie zurück zum Bett zu kommen, als sie zwei Arme um ihren Oberkörper spürte, die sie stützend zurück zum Bett führten.
„Danke", flüsterte sie leise und setzte sich langsam auf die Bettkante.
„Alles Okay?"
Besorgt sah er ihr in die Augen. Sie sah die Traurigkeit darin, was ihr wirklich leidtat. Sie wollte ihm nicht wehtun.
Schnell nickte sie daher, senkte ihren Kopf und blickte stur auf ihre Beine, die über die Kante baumelten.
Kurze Zeit herrschte Stille zwischen ihnen, bis Chat Noir schließlich das Wort ergriff und sich neben sie setzte.
„Wenn dieser Junge nicht merkt, was für ein tolles Mädchen du bist, dann ist er ein Idiot."
„Chat ...", flüsterte sie und sah wieder auf.
„Ich hingegen bin hier. Marinette, ich liebe dich und möchte mit dir zusammen sein. Hat der andere halt Pech gehabt, wenn er seine Chance verpasst hat."
Mit großen Augen sah sie ihn an, senkte dann aber wieder nachdenklich ihren Kopf.
„Marinette?"
„Aber wäre es nicht falsch, wenn ich mich nur für dich entscheide, weil ich bei dem Jungen eh keine Chance habe?"
Langsam blickte sie wieder auf und sah in sein verdutztes Gesicht, und so sprach sie weiter.
„Willst du, dass ich nur deshalb mit dir zusammen sein würde? Oder, weil ich mich für dich entscheide, weil ich mich ganz bewusst für dich, gegen den anderen Jungen entschieden habe?"
Seufzend senkte nun er wiederum seinen Blick und schien in seinen eigenen Gedanken zu hängen. Sie wusste, dass er wusste, dass sie recht damit hatte. Man konnte doch nicht mit jemandem zusammen sein, weil man einen anderen nicht bekommen hatte. Das war einfach nicht richtig. Nur wusste sie gerade einfach nicht, was ihr Herz wollte. Da war Adrien, wo sie nicht wusste, ob sie überhaupt mal eine Chance bei ihm haben würde und da war Chat Noir, der kleine Casanova mit dem sie erstaunlicherweise ziemlich viel gemeinsam hatte. Aber bei dem Thema Casanova kam ihr noch etwas in den Sinn und nun brannte ihr eine Frage auf der Zunge. Wenn sie Ladybug war, war er ständig am Flirten mit ihr. Was war damit? Wollte er Marinette nur, weil er Ladybug nicht bekommen konnte? Oder war das einfach nur Spaß von ihm?
„Sag mal ... Was ist eigentlich mit dir und ... Ladybug. Munkelt man nicht, dass da zwischen euch etwas wäre? ... Was willst du dann von mir?"
Er schien zusammenzuzucken. Hatte sie ihn ertappt? Lag sie mit ihrer Überlegung etwa richtig? Sie konnte sehen, dass er nervös seine Hände ineinander knetete. Fragend zog sie ihren Augenbrauen zusammen und fixierte ihn nun.
„Chat?"
„Um das zu beantworten, muss ich etwas ausholen. Weißt du, eigentlich bin ich heute hier her gekommen, um dir etwas zu sagen, beziehungsweise zu zeigen."
Verwundert runzelte sie ihre Stirn, wovon sprach er da. Es war doch eine ganze einfache Frage. Wozu sollte er da weiter ausholen.
„Bevor ich dir antworte, muss ich dir unbedingt etwas zeigen. Sonst wäre es nicht fair."
Nun war sie vollends verwirrt. Was wäre nicht fair? Wovon sprach er da bloß? Er wollte ihr etwas zeigen? Was denn?
Doch dann verstand sie plötzlich, was er ihr zeigen wollte, als er vom Bett aufstand und sich vor sie stellte. Das konnte er doch jetzt nicht machen. Nein, er durfte sich jetzt nicht zurückverwandeln. Das machte die ganze Sache doch nur noch komplizierter. Sie musste schließlich mit ihm noch die Stadt beschützen. Bevor sie ihre Identitäten preisgaben, durfte sie nicht mehr in dieser Achterbahn, in der sie gerade saß, sitzen. Was ist, wenn sie ihn kannte? Panisch wedelte sie mit ihren Händen, als er seine Augen schloss.
„Chat bitte nicht. Mach es nicht noch komplizierter."
Verwundert öffnete er wieder seine Augen.
„Aber ..."
Schnell unterbrach sie ihn, bevor er weiter sprechen konnte.
„Bitte ... Ich möchte es nicht ... noch nicht ... wissen. Okay?"
Stumm nickte er und sah ihr danach mitten in die Augen, sagte aber kein Wort mehr.
Sie atmete tief ein. Er hatte ihr noch nicht geantwortet, wie er zu Ladybug stand. Sie musste es einfach wissen. War er hier, wegen Marinette oder weil Ladybug ihn abblitzen ließ? Irgendwie wurde die ganze Sache immer vertrackter, da sie ja Ladybug war. Aber sie musste wissen, ob er sich für sie interessiert hatte, weil sie Marinette war oder, weil er die Superheldin nicht bekam.
„Sei ehrlich, bist du nur bei mir, weil du nicht bei Ladybug ..."
„Was? Nein? So ist das nicht ... Das ist kompliziert. Dazu musst du etwas wissen."
Panisch wedelte er mit seinen Händen.
„Was ist daran kompliziert. Ein einfaches Ja oder Nein. Liebst du Ladybug?"
Tief sah sie ihm in die Augen und wandte ihren Blick nicht ab. Sie sah, wie er anscheinend die richtigen Worte suchte, aber, was gab es da zu überlegen. Oder stand er auch zwischen den Stühlen, so wie sie? Er begann im Raum auf und ab zu laufen und hob seine Hände in die Luft.
„Marinette."
„Antworte einfach."
Ruckartig blieb er stehen und blickte sie wieder an.
„Ja ... aber doch nur ..."
„Ich glaub, es ist besser, wenn du jetzt gehst."
Langsam senkte sie ihren Blick, konnte jedoch im Augenwinkel sehen, wie er auf sie zu gelaufen kam.
„Marinette."
„Geh jetzt. Bitte. Ich brauch etwas Zeit zum Nachdenken ... und du anscheinend auch."
Demonstrativ drehte sie sich von ihm Weg und legte sich mit dem Rücken zu ihm gewandt auf das Bett.
Leise hörte sie Schritte, die sich von ihr fortbewegten. Er ging anscheinend zum Fenster.
„Es war die Wahrheit, als ich gesagt habe, dass ich dich liebe", flüsterte er, doch so laut, dass sie ihn verstand.
Und dann herrschte Stille. Langsam und vorsichtig drehte sie sich auf die andere Seite und überblickte den leeren Raum. Allmählich kullerten ihr die Tränen über die Wangen und so vergrub sie sich in ihrer Decke. Tikki flog aus ihrem Versteck heraus und kuschelte sich an ihre Wange.
„Warum muss das alles so kompliziert sein Tikki?"
„Ich weiß es nicht ... Aber ich glaube schon, dass er die Wahrheit gesagt hat."
„Habe ich das Richtige getan?"
Fragend sah sie ihren Kwami an und schniefte laut.
„Das kannst nur du selber wissen. Aber ich glaube, etwas Zeit zum Nachdenken kann euch beiden ja nicht schaden."
Ein kurzes Lächeln huschte ihr über das Gesicht und vorsichtig drückte sie ihre kleine Freundin gegen ihr Gesicht.
„Ach Tikki. Ich bin so froh, dass du bei mir bist."



Kopflos irrte Chat Noir über die Dächer von Paris. Er konnte jetzt noch nicht nach Hause. Er musste erst mal einen klaren Kopf bekommen. Er steuerte den Eiffelturm an und sprang herauf zur höchsten Plattform.
In der Nacht war es hier so friedlich. Niemand war hier. Langsam setzte er sich auf die Brüstung und sah auf die Lichter der Stadt herunter.
Hätte er ihr einfach sagen sollen, dass er wusste, dass sie Ladybug war? Oder war es richtig es nicht zu sagen? Vermutlich hätte das alles eh nur noch schlimmer gemacht. Seufzend senkte er seinen Kopf. Jetzt war er ihr so nah, und gleichzeitig so fern. Wie sollte er sich jetzt bloß verhalten?
Wer wohl dieser Junge war, von dem sie sprach? Hatte sie ihn deshalb, als Ladybug immer einen Korb erteilt, weil sie in jemanden anderen verliebt war? Wie konnte er ihr nur zeigen, dass er es ernst mit ihr meinte. Er fuhr sich mit seinen Händen durch seine Haare. Warum musste die ganze Sache nur so schrecklich kompliziert sein. Wer war bloß dieser andere Junge? Jemand aus ihrer Klasse? Nathaniel vielleicht? Nein, das konnte eigentlich nicht sein. Der war in sie verliebt und sie wusste das auch. Als Chat Noir bekam er das bestimmt nicht heraus. Aber vielleicht als Adrien? Das war die Idee. Er könnte sie als Adrien ja mal besuchen. Vielleicht bekam er ja so etwas heraus. Morgen war Sonntag und bisher hatte er keine Termine aufgedrückt bekommen. Schwungvoll sprang er auf und zog seinen Stab hervor. Er sollte nach Hause und versuchen etwas zu schlafen. Total übermüdet würde er auch nicht weiterkommen.




Müde öffnete Marinette am nächsten Morgen ihre Augen, als ein lautes Klappern in ihre Ohren drang.
„Guten Morgen."
Sie blickte in das lächelnde Gesicht einer Schwester, die ihr das Frühstück hereinbrachte. Gähnend richtete sie sich etwas auf und rieb sich ihre Augen. Musste der Krankenhausalltag eigentlich so früh beginnen? Sollten Patienten nicht viel eher richtig ausschlafen, damit sie schnell wieder fit wurden? Aber nein. Früh am Morgen begann hier der Tag. Das Frühstück wurde gebracht, das Bett gemacht und die Visite startete. Aber dafür konnte die Schwester ja nichts. Sie tat ja nur ihren Job. Lächelnd nickte sie ihr daher zu.
„Morgen."
Die Schwester betrachtete sie und runzelte dann ihre Stirn.
„Geht es dir wieder schlechter?"
Sofort schluckte sie. Sie musste ja furchtbar aussehen, schoss es ihr durch den Kopf. Nachdem Chat Noir gegangen war, konnte sie einfach nicht einschlafen. Sie lag einfach nur in ihrem Bett, starrte die Decke an und dachte über alles nach. Was allerdings nicht viel gebracht hatte, denn sie drehte sich im Kreis und kam einfach auf keine Antwort.
„Alles gut. Konnte nur nicht schlafen."
Die Schwester nickte ihr zu und verließ daraufhin wieder das Zimmer.
Langsam rutschte sie vom Bett herunter und ging herüber zu dem kleinen Tisch, auf dem schon ihr Essen wartete. Sofort, als sie ihr Bett verlassen hatte, betrat auch schon eine weitere Krankenschwester das Zimmer und begann das Bett neu zu beziehen.
Sie setzte sich an den Tisch, nahm sich das Tablett und schmierte sich etwas Butter auf eine Toastscheibe. Sie beobachtete die Schwester, wie sie in wenigen Handgriffen das Bett herrichtete. So schnell, wie sie gekommen war, so schnell war sie auch wieder verschwunden und sie alleine. Tikki kam aus ihrem Versteck herausgeflogen und setzte sich vor sie auf den Tisch.
„Hast du gar keinen Hunger?"
Tonlos schüttelte sie ihren Kopf und stand wieder auf. Langsam trottete sie zurück zu ihrem Bett, als ihr Handy piepte.
„Wer schreibt mir denn so früh am Morgen?"
Fragend sah sie zu ihrer kleinen Freundin herüber, die aber nur ihren Kopf schütteln konnte.
„Keine Ahnung. Vielleicht Alya. Guck doch einfach mal nach."
Behutsam rutschte sie auf das Bett, nahm sich das Smartphone von dem kleinen Schränkchen herunter und bekam große Augen, als sie sah, von wem die Nachricht stammte.
„Adrien", quietschte sie aufgeregt, wobei er ihr das Handy beinahe aus der Hand gerutscht wäre.
Schnell öffnete sie die Nachricht und las, was er geschrieben hatte und sah danach mit großen Augen Tikki an.
„Was schreibt er denn?"
„Er möchte mich heute besuchen kommen, wenn das für mich Okay ist."
Grinsend zeigte Tikki auf das Smartphone.
„Na dann los. Schreib ihm zurück."
„So, wie ich aussehe? Guck mich doch mal an. Was soll er dann von mir denken?"
Aufgeregt zeigte sie dabei auf ihr Gesicht und schüttelte dann ihren Kopf.
„Das geht auf keinen Fall."
„Du bist im Krankenhaus. Das weiß er doch. Da sieht niemand gut aus, sonst wer man ja nicht hier."
„Du hast recht."
Schnell schrieb sie ihm zurück und ließ sich dann seufzend in das Kissen fallen. Zu schnell dummerweise und laut stöhnte sie auf.
„Aua. Verdammte Rippe."
Verträumt legte sie ihre Hände samt Smartphone auf ihren Bauch und lächelte ihren Kwami an.
„Tikki ... Adrien kommt mich besuchen."

So nah und doch so fern [Miraculous]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt