Ertappt [2/2]

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Die beiden Mädchen sahen sich an, die eine zerknirscht, die andere enttäuscht. Hermine räusperte sich. »Wie lange stehst du schon hier?«

»Lange genug«, erklang es abweisend.

»Bitte Ginny, hör mich an. Ich will das alles nicht und er ebenso wenig, aber wir haben keine andere Wahl. Wir sind miteinander verbunden und einer kann ohne den anderen nicht überleben.«

Ginny schnaubte. »So sehr liebst du ihn?«

»Aber nein!«, wehrte Hermine entsetzt ab. »Ich muss ihn berühren, sonst sterbe ich.«

Ihre Freundin sah nicht überzeugt aus. »Übertreibst du jetzt nicht etwas?«

»Ich wünschte, es wäre so. Bei dem Brauen von diesem verfluchten Zaubertrank ist alles schief gelaufen«, rief Hermine verzweifelt.

Jetzt merkte Ginny auf. »Ihr seid durch einen Zauber miteinander verbunden?«

»Das versuche ich dir doch schon die ganze Zeit zu erklären, dass ich nicht freiwillig mit M... Draco zusammen bin.« Hermine raufte sich die Haare.

»Dann drück dich doch einfach klarer aus«, schlug Ginny vor. »Lass uns jetzt am besten in deine Räume gehen und du erklärst mir alles in Ruhe.«

Hermine nickte erleichtert. Jetzt würde sie ihrer Freundin endlich die Wahrheit sagen und sie war sicher, dass Ginny sie trösten und zunächst darüber schweigen würde.



Draco hingegen war nicht ganz so zuversichtlich. Vielleicht hätte er den Rotschopf nicht so beleidigen sollen, doch der Zorn in ihm hatte das Zepter übernommen. Er war entsetzt über die Entdeckung und er hatte Angst, große Angst sogar, dass etwas von seinem Bündnis mit Hermine nach Slytherin durchsickern könnte. Niemand in seinem Haus würde Verständnis für seine Situation aufbringen, da war sich Draco sicher. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn Pansy davon Wind bekäme. Sie würde sofort eine Eule nach Malfoy Manor schicken.

Draco schluckte. Er wusste ohnehin noch nicht, wie er es seinen Eltern erklären sollte, aber er wollte ihnen unbedingt selbst die schlechte Nachricht überbringen.

Was Ginny Weasley und ihr Schweigen anging, ruhte seine Hoffnung auf Hermine und deren Überzeugungskraft. Er musste die Gryffindor unbedingt bald danach fragen. Draco platzte schon jetzt schier vor Ungeduld. Vielleicht ergab sich heute Abend nach dem Essen eine Gelegenheit oder spätestens morgen Früh. Dann musste er sie ohnehin wieder berühren. Er hatte sie heute zwar schon häufiger geküsst, als sonst, aber er hatte durch das Flugmanöver auch eine Menge riskiert. Doch in dem Augenblick hatte er wirklich nur den Quidditchpokal vor Augen gehabt. Hermine hatte ausgezeichnet reagiert. Ohne sie hätte er sich wohlmöglich tatsächlich den Hals gebrochen.

Tod auf dem Quidditchfeld! Draco konnte die Schlagzeile des Tagespropheten regelrecht vor seinem inneren Auge sehen.

Sicherlich ein angenehmes Ableben, auf dem Höhepunkt seines Triumphes mit dem Schnatz in der Hand. Dann hätte er auch keine Sorgen mehr, was seine Zukunft betraf. Seine Eltern würden seinen tödlichen Unfall zutiefst betrauern und sicherlich keine Verbindung zu Hermines Ableben, wenige Tage später herstellen. Alles wäre gut. Doch noch wollte Draco nicht sterben. Er wollte sein Leben genießen, jetzt, wo der Dunkle Lord endgültig besiegt war. Auch wenn das bedeutete, Hermine Granger an seiner Seite zu haben.

Der junge Slytherin befeuchtete seine Lippen. Er stieg die letzten Stufen zu den Kerkern hinunter und hörte bereits den Lärm, der aus dem Gemeinschaftsraum schallte. Die Party war in vollem Gange.

Dracos Gedanken schweiften ein letztes Mal zu Hermine. Der Körper der Gryffindor faszinierte ihn. Zum Teil freute er sich darauf, ihn bald erkunden zu können. Er fand es unglaublich anregend sie zu küssen und zu berühren. Ihre Augen weckten in ihm die Sehnsucht nach heißer Schokolade. Er sollte sich gelegentlich mal eine von den Hauselfen hier machen lassen. Würden sie bestimmt tun, wenn er sie auch darum bitten musste, denn Schülern stand eine Sonderbedienung eigentlich nicht zu. Doch zunächst wartete hoffentlich ein gekühltes Butterbier auf ihn.

Draco atmete tief durch, straffte sich und murmelte der Wand, die den Weg zu seinem Gemeinschaftsraum versperrte, das Passwort zu. Er hatte sich gesammelt und war nun bereit sich feiern zu lassen. Draco setzte ein verbindliches Lächeln auf und trat durch die entstandene Öffnung.



Gleichzeitig schwang einige Stockwerke höher der von dem Löwen bewachte Türflügel auf und gab den Zugang zu den Schulsprecherräumen frei.

Ernie hatte den gemeinsamen Wohnraum dieses Mal nicht blockiert, aber Hermine zog es ohnehin vor, Ginny das Geheimnis innerhalb ihres eigenen Zimmers anzuvertrauen. Die beiden Mädchen setzten sich auf das Bett.

Als Schülersprecherin genoss Hermine unter anderem das Vorrecht, sich von den Hauselfen kleinere Leckereien servieren lassen zu können. Davon machte sie höchst selten Gebrauch, auch wenn Ron bei fast jedem seiner Besuche darum bettelte.

»Kleinigkeiten, Ron, keine zehn-Gänge-Menüs«, wies sie ihn regelmäßig darauf hin. Hermine schniefte bei der Erinnerung daran.

»Woran denkst du?«, fragte Ginny sofort.

»An Ron und wie gerne er die Dienste der Hauselfen in Anspruch nimmt, wenn er hier ist.«

»Hm, ein Tee und ein paar Kekse fände ich jetzt auch nicht schlecht«, meinte Ginny. »Dabei lässt es sich besser reden.«

Wenig später erschien eine Hauselfe mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen standen, deren Inhalt dampfte. Zudem gab es noch eine Glasschale mit Schokoladenkeksen. Hermine bedankte sich herzlich bei der Elfe und griff nach einer Tasse, während Ginny sich zunächst ein Gebäckstück schnappte. Sie biss herzhaft hinein und forderte Hermine auf zu erzählen. »Ich bin ganz Ohr«, nuschelte sie kauend.

»Es war kurz nach den Weihnachtsferien«, begann Hermine stockend. »Ich musste zusammen mit Draco den Trank des Unstillbaren Verlangens brauen.«

Ginny hielt mitten in der Bewegung inne. »Moment mal«, unterbrach sie ihre Freundin und würgte den Bissen hinunter. »Willst du damit etwa andeuten, dass ausgerechnet dabei etwas schief gelaufen ist? Aber Professor Slughorn hatte doch Sicherheitsvorkehrungen getroffen.«

»Schon, aber beide haben sich bei uns als wirkungslos erwiesen«, flüsterte Hermine.

Ginnys Finger zerdrückten den Rest des Kekses. Die Krümel fielen ihr auf den Schoß, doch sie merkte es nicht einmal. Sie war leichenblass geworden. »Was, das darf doch nicht wahr sein! Wie konnte das denn passieren?«

»Das versuche ich dir ja gerade zu erzählen«, antwortete Hermine. Nun unterbrach ihre Freundin sie nicht mehr und hörte stumm zu. An dem Gebäck hatte sie jegliches Interesse verloren.

Die ältere Gryffindor berichtete von der Unterrichtsstunde und den anschließenden Tagen mit dem zunehmenden Unwohlsein. Sie erinnerte Ginny an den Tag in Hogsmeade und die Magenschmerzen. Hermine gestand ihrer Freundin, Draco auf dem Rückweg zur Schule getroffen zu haben und beichtete, was nach dem Besuch Rons samt Kusspraline wirklich passiert war.

»Kannst du dir mein Gesicht vorstellen, als Draco im Gang auf mich gewartet hatte und mir plötzlich Komplimente machte und verlangte, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen?« Hermine verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Da haben wir zum ersten Mal richtig gemerkt, dass wir beide in die Sache verstrickt sind. Also haben wir uns am nächsten Tag in der Bibliothek verabredet und Bücher gewälzt. Schließlich wurden wir in der Verbotenen Abteilung fündig.«

Hermine nippte an ihrem Tee und auch Ginny nahm sich ihre Tasse und trank einen Schluck. »Ihr habt also die Rezeptur des Tranks entdeckt«, griff die Rothaarige den Faden wieder auf.

»Das haben wir und noch mehr«, bestätigte Hermine. Mit knappen Worten umriss sie ihrer Freundin den geschichtlichen Hintergrund und die Wirkungsweise des Tranks.

Ginny schlug sich die Hand vor den Mund. »Aber Hermine, das ist ja entsetzlich. Ihr müsst für den Rest eures Lebens nett zueinander sein und einer stirbt ohne den anderen?«

Hermine nickte. »Ich habe vorhin bei den Umkleiden nicht übertrieben.«

»Aber es muss doch ein Gegenmittel geben. Habt ihr euch an die Lehrer gewendet?«

»Natürlich, noch am selben Tag. Du weißt sicherlich noch, dass wir mit George verabredet waren und ich mich gedrückt habe. Zeitgleich hatten Draco und ich einen Termin mit Professor McGonagall und Slughorn. Sie hat unseren armen Tränkelehrer ganz schön fertig gemacht, aber wirkliche Hilfe gibt es nicht.« Hermine berichtete von dem Gespräch im Schulleiterbüro.

Ginny erfuhr, was bei der Trankzubereitung schief gelaufen war und dass Hermine und Draco ein wenig Hoffnung geschöpft hatten, als Dumbledore von einem Einfall gesprochen hatte.

»Dieses Frettchen hat sein eigenes Gebräu getrunken?«, fauchte Ginny und die Teetasse in ihrer Hand erzitterte. »Du hingegen konntest doch nichts dafür, dass Slughorn die falschen Unterlagen ausgeteilt hat.«

Hermine lächelte ihre Freundin dankbar an.

»Was ist denn nun mit Dumbledores Idee? Ich nehme mal an, die ist jetzt nicht so wirkungsvoll oder wirkt ganz anders, als ihr euch das vorgestellt habt.«

Eine zarte Röte flutete über Hermines Gesicht, als sie nun von dem Besuch bei Professor Slughorn berichtete und welche Art Trank sie einmal pro Woche zu sich nehmen sollte.

Ginnys Ohren nahmen die Farbe ihrer Haare an. »Das ist ja furchtbar. Hast du, ich meine, benutzt du den Trank schon?«, fragte sie leise.

»Nein, aber es wird nicht mehr lange dauern«, schluchzte Hermine. Stockend berichtete sie von den Beleidigungen, die sie sich mit Draco an den Kopf geworfen hatte und die anschließende Versöhnung. Offen erzählte sie von ihren Gefühlen, die der Slytherin in ihr auslöste und sie in ihm. Wie sie gezwungen waren, sich Stück für Stück einander zu nähern und wie heftig ihre Körper auf einander reagierten.

Hermines Tee war mittlerweile kalt geworden, als sie dazu überging, ihre Ängste um Draco bei dem heutigen Quidditchspiel zu schildern.

»Deine Rettungsaktion war großartig«, lobte Ginny. »Allerdings glaube ich, du hättest es auch getan, wenn ihr nicht in dieser Art und Weise miteinander verstrickt wärt. Doch weshalb hat er sein Leben aufs Spiel gesetzt?«

»Draco hasst es mit mir zusammen zu sein. Der Tod wäre für ihn eine Erlösung«, antwortet Hermine und stellte ihre halbvolle Tasse zurück auf das Tablett neben dem Bett.

Ginny kaute auf ihrer Unterlippe. »Und für dich wahrscheinlich auch, oder?«, fragte sie leise.

Hermine schüttelte energisch den Kopf und nahm sofort die Erleichterung auf Ginnys Gesicht zur Kenntnis. »Ich will aus meinem Leben noch etwas machen, obwohl ich es mit Draco verbringen muss.«

Ginny stellte ihre Tasse ebenfalls ab und umarmte Hermine fest. »Wann immer du Hilfe brauchst, du kannst auf mich zählen.«



Unstillbares VerlangenWhere stories live. Discover now