Entscheidungen [1/2]

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Entscheidungen




Narzissa starrte auf das Blut in ihrer Handfläche und traf eine Entscheidung. Sie hatte den Dunklen Lord aus Sorge um Draco betrogen, nun würde sie sich ihrem Mann entgegenstellen.

Mit Hilfe ihres Zauberstabes säuberte sie ihren Sohn und ließ ihn auf das Bett schweben. »Draco, Schatz, halte noch ein wenig durch. Ich werde nicht zulassen, dass du stirbst.«

Ihr Sohn stöhnte schwach. Noch einmal strich ihm Narzissa liebevoll über das Haar, dann verließ sie den Raum.

Sie eilte in ihr Zimmer, zog sich an und hastete die Treppe hinunter bis vor das Tor. Einen Augenblick später zeugte nichts mehr davon, dass Narzissa Malfoy hier eben noch gestanden hatte.



Das Haus der Grangers war hell erleuchtet. Die Haustür stand offen und Hermines Mutter wartete im Hausanzug an der Gartenpforte. Sie hatte die Arme um den Körper geschlungen und blickte sichtlich nervös die Straße entlang. Offenbar schien sie auf jemanden zu warten. Wahrscheinlich auf einen dieser Muggelheiler, vermutete Narzissa, die auf der anderen Seite unbemerkt erschienen war. Sie fühlte sich auf merkwürdige Weise mit der Frau verbunden. Dort stand eine Mutter, die sich ebenso um ihr Kind sorgte, wie sie selbst. Narzissa atmete tief durch und überwand die wenigen Meter zu Mrs. Granger.

Hermines Mutter staunte nicht schlecht, als Narzissa Malfoy plötzlich vor ihr stand und sich vorstellte. Fahrig schüttelte Mrs. Granger ihre Hand. »Entschuldigen Sie, ich warte auf den Notarzt. Meiner Tochter Hermine geht es sehr schlecht. Ich tippe auf eine Blinddarmentzündung.«

Narzissa schüttelte den Kopf. »Das ist nicht der Blinddarm. In Hogwarts machte eine ... hm ... Zauberkrankheit die Runde. Draco hat es auch erwischt. Der Heiler, auf den Sie warten, wird Ihrer Tochter nicht helfen können.«

Nun wich auch noch der letzte Rest Farbe aus Mrs. Grangers Gesicht. »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass Hermine ...?« Sie brach ab.

»Nein, Mrs. Granger. Ich kenne mich ein wenig in der Heilkunst aus und weiß um das Gegenmittel. Dazu muss ich Ihre Tochter jedoch mitnehmen.«

»Und dann wird Hermine wieder gesund?«

»Davon bin ich überzeugt«, sagte Narzissa sicherer, als sie sich fühlte.

»Kommen Sie mit«, winkte Mrs. Granger und wenig später betrat Narzissa Malfoy zum ersten Mal in ihrem Leben einen Muggelhaushalt.

Sie folgte Hermines Mutter die Treppe hinauf bis in das Zimmer ihrer Tochter. Mr. Granger saß auf dem Bett und wischte gerade mit einem feuchten Tuch über Hermines Stirn. Er stand auf und sah Narzissa Malfoy fragend an. »Sind Sie die Notärztin? Wo ist denn Ihr Koffer?«

Während Mrs. Granger ihren Mann über die Besucherin aufklärte, setzte sich Narzissa an Hermines Seite und griff nach ihrer Hand. Das Mädchen hatte die Augen geschlossen, rollte sich auf die Seite und krampfte sich zusammen.

Unvorbereitet stiegen in Narzissa Bilder hoch, wie die Gryffindor sich unter der Folter von Bellatrix Lestrange gewunden hatte. Plötzlich schämte sie sich und eine Woge des Mitleids durchflutete sie. Energisch schüttelte Narzissa die Erinnerungen ab und berührte das Mädchen an der Schulter. »Hermine, ich bin es, Dracos Mutter. Ich werde euch helfen.«

Die Gryffindor schlug die rot geränderten Augen auf. Der trübe Blick erfasste die blonde Frau an ihrer Seite und doch brauchte sie einige Sekunden, bis ihr bewusst wurde, wer dort saß. Sie versuchte sich aufzurichten, sank aber kraftlos zurück in die Kissen.

»Ich nehme dich jetzt mit nach Malfoy Manor. Dort habe ich einen Heiltrank gegen die Krankheit gebraut, weil Draco unter denselben Symptomen leidet. Sobald du wieder gesund bist, kannst du deinen Eltern eine Eule schicken.« Energisch schlug Narzissa die durchgeschwitzte Bettdecke zurück.

Hermine öffnete den Mund, doch nur ein Krächzen kam heraus. Was redete die Frau da? Es gab kein Gegenmittel. »Draco«, formten ihre Lippen endlich ein verständliches Wort.

Seine Mutter runzelte die Stirn. »Ich weiß, ich werde dich zu ihm bringen, doch die Zeit drängt. Können wir aus diesem Zimmer apparieren?«

Mühsam brachte Hermine ein Nicken zustande. Mit Narzissas Hilfe richtete sie sich auf und kam schwankend zum Stehen. Das feuchte Nachthemd klebte an ihrem Körper und Mrs. Granger holte eine Trainingsjacke aus dem Schrank.

Ein durchdringendes Geheul ertönte und Narzissa zuckte zusammen. »Das sind Martinshörner, der Notarzt kommt«, erklärte Mrs. Granger und griff nach einem kleinen Koffer, der neben der Tür stand. »Ich hatte schon ein paar Sachen für das Krankenhaus gepackt. Beeilen Sie sich und rufen Sie uns an ... ich meine, schicken Sie eine Nachricht, sobald es Hermine besser geht.«

Mrs. und Mr. Granger drückten ihre Tochter noch ein letztes Mal an sich. Hermine legte die Arme um Narzissas Hals und lehnte sich entkräftet gegen sie. Dracos Mutter umschlang die Taille der Gryffindor und hielt gleichzeitig den Koffer fest. Einen Augenblick später begannen sich die beiden Hexen zu drehen, ehe sie mit einem leisen Plop verschwanden.



Hermine konnte kaum aufrecht stehen. Sie stützte sich auf Dracos Mutter, die langsam mit ihr durch das Tor schritt und anschließend die Treppe zum Manor hinauf.

Zum zweiten Mal in ihrem Leben betrat Hermine die Eingangshalle. Sie hatte den Eindruck, als würden die Porträts der Ahnen missbilligend auf sie hinabschauen. Ein älterer Zauberer, mit einem spärlichen Ziegenbart, schüttelte sogar den Kopf. Der Blick der Gryffindor wanderte zu der Tür, hinter der sie den Salon wusste, doch Narzissa zog sie weiter.

»Dracos Zimmer ist oben. Streng dich ein letztes Mal an, Mädchen, dann hast du es geschafft.«

Einen Arm um Mrs. Malfoy geschlungen und mit der anderen Hand das Geländer umgreifend, schleppte sie sich die breit geschwungene Treppe hoch. Ohne anzuklopfen öffnete Narzissa die erste Tür auf der linken Seite.

Alles erschien Hermine unwirklich. Es war wie in einem Traum. Sie folgte mechanisch der blonden Frau und verspürte in sich nichts als Leere. War das etwa das Ende? Warum gaukelte ihr Unterbewusstsein ihr Rettung vor, wo sie doch genau wusste, dass sie derzeit in ihrem Zimmer lag und starb?

Dann sah sie Draco mit geschlossenen Lidern auf dem Bett liegen. Eine feine Blutspur lief aus seinem Mundwinkel. Durch Hermine ging ein Ruck. Ihr Herz schien sich bei seinem Anblick zu weiten und sie konnte sich etwas aufrichten. »Draco», krächzte sie, doch der Klang seines Namens verhallte ungehört.

Narzissa führte Hermine zum Bett, die sich augenblicklich auf dessen Kante sinken ließ. Den kleinen Koffer stellte Dracos Mutter neben den Kleiderschrank. »Schatz, Hermine ist da«, sagte Narzissa zärtlich und strich ihrem Sohn über die verschwitzte Stirn.

Draco hob flatternd die Lider. Als er die Gryffindor fokussierte, verzog ein Lächeln die spröden Lippen und unter Anstrengung drehte er seine Handfläche nach oben. Sogleich legte Hermine ihre Finger darauf. Erleichtert beobachtete Narzissa, wie Dracos Augen klarer wurden.

»Du ... bist ... da.« Nur stockend verließen die Worte seinen Mund. Leise und doch so voller Hoffnung.

Narzissas Augen wurden feucht, als sie sah, wie Hermine schluchzte und nun mit bebenden Händen Dracos Gesicht berührte. »Deine Mutter hat mich geholt.«

Draco drehte den Kopf und sah Narzissa an. »Danke, Mum.«

Schweigend beobachtete sie, wie Hermine sich über Draco beugte und ihn küsste. Seine Hand griff in ihr Haar und zog die Gryffindor in eine Umarmung. Sein Kuss wurde tiefer und Narzissa sah mit Erstaunen, wie ihr Sohn und das Mädchen von Sekunde zu Sekunde an Kraft gewannen. Dracos Finger wanderten unter den Saum von Hermines Nachthemd und schoben es hoch, so dass Narzissa den hellen Slip sehen konnte. Die beiden hatten sie vollkommen ausgeblendet.

»Chrm, chrm«, räusperte sie sich. Draco hielt inne und blickte seine Mutter fragend an. »Kann ich noch etwas für euch tun?«

»Nein, Mum, du hast bereits alles getan«, antwortete Draco und seine Stimme klang wieder fester. »Wir sehen uns später, es sei denn«, grinste er in Gedanken an Goyle und Millicent, »du willst zusehen.«

Hermine wurde rot und versetzte Draco einen spielerischen Klaps auf die Brust. Erst jetzt wurde Narzissa in vollem Umfang klar, was es bedeutete, wenn Draco sagte, er müsse Hermine Granger berühren.

»Nein, natürlich nicht«, stotterte sie. »Sagt Bescheid, wenn ihr ... wenn es euch wieder gut geht. Ich lasse euch dann ein Frühstück bringen.« Dann drehte sie sich um und flüchtete aus dem Zimmer.




Unstillbares VerlangenWhere stories live. Discover now