Kapitel 100

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Georgie Mason - Sweet Dreams

Freitag, 1. Mai

Es ist echt schön, wenn man an einem Freitag nicht zur Uni gehen muss - es lebe der Mai mit all ihren Feiertagen! Can wirkt die ganze Zeit so nachdenklich, lächelt aber trotzdem. Ihn muss etwas wohl sehr amüsieren, dass er so geheimnisvoll lächelt. Er sagt es mir aber nicht. Can und ich putzen gerade die Wohnung durch. Ich habe zurzeit ein mulmiges Gefühl, was unser Geld angeht. Wir verdienen immer noch unser Schwarzgeld, aber ich habe Angst, dass wir bald in irgendeine Geldnot fallen. Ich hasse diese hypothetischen Gedanken, die oft an Paranoia grenzen. Ich lege vorsichtshalber etwas Geld zur Seite. Ich wische den Boden im Wohnzimmer zu Ende und fahre mir über die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger, der gerne wund wird, weil ich den Mopp so fest im Griff halte. "Soll ich übernehmen?" Can massiert die rote Stelle. "Geh das eincremen, ich mache weiter." Ich liebe es, wenn er mich von hinten umarmt. Ich will ihn dann nie loslassen. Langsam laufe ich ins Schlafzimmer und strecke mich dabei ausgiebig, ehe ich mir die Stelle eincreme. Dann räume ich halt das Badezimmer auf. Can tut seine Produkte auch nie zurück an die Stelle, wo sie hingehören. Deswegen meckere ich ihn oft an, aber er lernt nicht aus seinen Fehlern. Vielleicht sollte ich die klassische Konditionierung aus meinem Pädagogikkurs aus der elften Klasse anwenden, um Can irgendwie zu konditionieren - wenn das überhaupt geht. Na ja, sein Haarspray steht jetzt wieder neben seinem Gel und die Zahnpasta steht jetzt auch neben dem Zahnbürstenbecher und der Mundspülung - und liegt nicht mehr. Wenn ich einmal etwas in Ordnung habe, dann muss es auch so bleiben, sonst kriege ich die Krise.

Mit einem Mundschutz aus dem Krankenhaus umgebunden, wische ich den Staub, was erstaunlich gut klappt. Wenn das hier schon klappt, dann wird das mit der Doktorarbeit ein Klacks. Ich habe schon oft gedacht und gesagt, dass ich ein gutes Gefühl bei meinen Forschungen habe, aber diesmal habe ich ein echt stark gutes Gefühl! Ich grinse jetzt schon, weil ich mir vorstelle, wie ich den Nobelpreis in der Hand halte und in meinem nachtblauen Kleid die Aufmerksamkeit aller stehle. Wenn ich mich recht entsinne, wäre ich dann die erste Frau, die den Nobelpreis im einundzwanzigsten Jahrhundert bekommt, cool! Aber ich sollte mich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, sondern an meine Gamma-Strahlen denken. Als Can und ich fertig sind, lernen wir noch weiter für das Hammerexamen. Ich bin so froh, wenn ich ein komplettes Jahr nicht lernen muss und dann weiter Geld verdiene. Werden wir auch im Krankenhaus schwarzarbeiten? Dann hätten wir beide schon relativ viel Geld. Außerdem kriegen wir auch Geld vom Staat. Vielleicht werden wir doch keine Geldsorgen haben. "Was soll ich kochen?", frage ich Can, fahre durch sein unfrisiertes Haar. Sein Haar wächst so schnell. "Egal was. Wie wäre es mit Fettuccine Alfredo? Ich habe Garnelen geholt." Ich nicke. "Aber ich will es mit Hähnchenbrust essen." "Dann bereite ich Garnelen noch nebenbei zu." Er lächelt leicht. "Hast du abgenommen?", fragt er mich leicht verwundert. Ich hebe überrascht die Augenbrauen, fasse mir an die Wangen. "Nein", murmele ich. Er inspiziert mich, summt nachdenklich. "Du musst mehr essen." "Can, ich bin schon leicht pummelig." "Ich mag meine Frau dick und weich." Er legt seinen Kopf unter mein T-Shirt. Ich kugele mich zusammen, was ihn zufrieden brummen lässt. "Kriegst du Luft?" "Ja."

Die Sahne gebe ich in die Pfanne und mische den Käse zu. "Ich habe das einmal gemacht, aber meine Mama und Hivi mochten den Parmesan nicht." Ich spitze meine Lippen. "Aber Parmesan ist doch so lecker." "Ja, das ist er." Can umschlingt mich wieder von hinten und tänzelt leicht zu Mary J. Bliges - Be Without You. "Gehen wir morgen in die Stadt?" Ich nicke. "Können wir machen." "Gut, ich brauche neue T-Shirts", kommt es leicht höhnend von ihm. Ich beiße mir grinsend auf meine Lippe. "T-Shirts aus der Männerabteilung haben einen besseren Stoff und vor allem bei weißen T-Shirts sieht man den BH nicht durch. Wir sollten auch nicht außer Acht lassen, dass sie günstiger sind." "Ja, vor allem, wenn zwei Personen davon profitieren." Bestätigend summe ich. Ich wollte seit längerem wieder ein Buch lesen. Dafür muss ich aber liegen - am besten im Bett liegen. Das ist eins der besten Dinge für mich, denn ich hasse es im Sitzen zu lesen. Ich muss in meinem Bett liegen, wo alles ruhig ist und dann lesen. Sollte ich mir ein richtiges Buch zur Hand nehmen oder lieber auf Wattpad herumstöbern und eine der alten Geschichten lesen? Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mir eine kleine Ecke auf dem Boden aufgebaut habe, mir Cola und Kekse geholt habe und im Dunkeln eine alte Geschichte auf Wattpad gelesen habe. Das waren noch Zeiten. Aber die besten Wattpad-Geschichten habe ich ja in meinem Regal stehen. Vielleicht sollte ich mal wieder Tollpatschige Liebe lesen oder Hassliebe. "Deckst du den Tisch schon mal?" Can löst sich murrend von mir und holt schnell die Teller raus. Das Essen verläuft komischerweise still. Ich dachte, wir reden etwas, aber Can wirkt wieder so abweisend, umklammert oft seine Gabel, seine Mundwinkel zucken immer. Sein Blick wirkt so düster.

AkzeptanzWhere stories live. Discover now