Die fremde Frau im Spiegel

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Die letzen Minuten waren an mir vorbeigezogen ohne dass ich mich ein einziges Mal bewegt hatte. Geschockt starrte ich ihn an. Zacks Bruder, den Bruder meines Freundes. Ich nahm seine Worte nicht auf, verstand ihren Sinn nicht. Ich achtete nur auf seinen Gesicht, starrte geschockt auf seine sich bewegenden Lippen. Nach all den Jahren, stand er nun vor mir. Ich hatte oft davon geträumt ihn wiederzusehen, heimlich versteht sich. Aber nicht in meinen kühnsten Träumen hatte unser Wiedersehen so ausgesehen. Eher romantisch, zufällig auf der Straße. Nicht bei seiner Verlobung. Ich wurde in die Wirklichkeit zurückgeholt, als alle um mich herum zu klatschen begannen und eine wunderschöne Frau auf die Bühne kam. Ich wusste was kommen würde. Wusste dass er gleich eine kleine Schachtel aus der Tasche nehmen würde, verlobt sein würde. Er hatte erneut alles zerstört, endlich hatte ich in Zack jemanden gefunden, der mich glücklich machte, und ausgerechnet jetzt musste er wieder auftauchen.  Bei den Worten "Isobell Jonsen ich liebe dich...", wurde es mir zu viel. Ungeachtet der Menschen um mich herum stand ich auf und verließ den Raum. Ich hatte seine Stimme immer noch im Ohr "Ich werde dich immer lieben und möchte für Immer mit dir zusammen sein, zusammen alt werden, Kinder kriegen und eine Familie aufbauen. Also lass mich jetzt nicht stehen wenn ich dich frage: Isobell Jonsen willst du meine Frau werden? "

Lautes klatschen begleitete mich bis in das Bad, das zukünftig das Bad von Isobell Black sein würde, der Frau die den Vater meines Kindes heiraten würde. Jetzt gerade hatte sie Ja gesagt, jetzt würde sie einen Millionenschweren Diamantring am Finger tragen und jetzt würden sie sich küssen. Tränen nahmen mir die Sicht, aber die Bilder in meinem Kopf nahmen sie mir leider nicht. Ich hätte nicht erwartet, dass er noch einen so starken Einfluss auf mich hatte. Ich hatte mich zwar damit abgefunden, dass ich ihn nie vergessen würde, dass ein kleiner Teil von mir ihn wahrscheinlich für immer lieben würde, aber dass es noch einmal in meinem Leben so sehr weh tun konnte wie damals hätte ich nicht gedacht. Ich fühlte mich wider wie das kleine 16 jährige Mädchen, das schwanger zurückgelassen worden war. 

Wut stieg auf, heiß brodeln zerfraß sie meine Gedärme. Wut auf alle, die mich nicht gewarnt hatten, Wut auf ihn, aber vor allem auf mich selber. Ich hätte beim Nachnamen schon stutzig werden können. Warum nur konnte ich nicht wie alle anderen Menschen auch die Reichsten und Schönsten unseres Landes beobachten, einfach mal die berühmten Bosse der Firma in der ich arbeitete googeln. Verdammt, ich war so dumm! Der Mensch der mich am meisten zerstört hatte, war mein Boss und ich dummes kleines Lamm war zur blind zur Schlachtbank gelaufen. Wütend starrte ich der verheulten Frau mir gegenüber in die von Tränen überströmten Augen. Sie hatte nichts mehr mit der Frau gemein, die ich einmal gewesen war. Erst jetzt merkte ich wie sehr ich mich selber verändert hatte, nur um heute Abend einen guten Eindruck zu machen, um in diese Welt zu passen, um Zack nicht zu blamieren. Zack, den ich mit in dieses ganze Schlamassel gezogen hatte. Abscheu stieg in mir auf und der Drang die Frau vor mir zu schlagen, für all das, was sie falsch gemacht hatte in ihrem kurzen Leben. Nicht nur mein eigenes Leben war wieder einmal über den Haufen geworfen worden, aber durch ihre egoistischen Taten litten andere mit. Archie und Zack. Wie hatte sie nur eine Beziehung eingehen können, wenn in ihrem Herz doch noch immer nicht aller Platz für einen neuen Mann in ihrem Leben frei war.

Tränen mischten sich mit Blut, als Scherben klirrend in das zuvor strahlend weiße Waschbecken fielen. Nur ein leises Wimmern kam über meine Lippen als ich ohne Emotionen das Blut beobachtete dass über meine Hand lief und in einzelnen Tropfen das strahlend weiße Waschbecken versaute. Ich war leer. Erneut hatte ich mich verloren, erneut wegen ihm. Und erneut wünschte ich ihm nicht begegnet zu sein. Ich sollte erwachsen sein, verdammt ich war Mutter! Aber für diesen kurzen Moment, in dem mich keiner schwach sein sehen konnte, war ich genau das, war ich schwach. Ließ den Tränen ihren Lauf und erlaubte mir ihn zu verfluchen. Diesen immer noch verdammt gut aussehenden, erwachsen gewordenen Jungen, den ich so lange zu verdrängen versucht hatte. In meiner Wut untersagte ich ihm, so egoistisch wie nur ein gebrochenes Herz einen machen konnte, unseren Sohn jemals sehen zu dürfen. Er hatte sich nie für ihn interessiert, vermutlich würde er sich auch jetzt, da er wieder in mein Leben getreten war, nicht für ihn interessieren. Meinem egoistischen Ich war es Recht, ich wollte keine Zeit mit ihm verbringen müssen, wollte mich nicht mit ihm arrangieren, ich wollte das er wieder verschwand, aus meinem Leben und auch aus dem meines Kindes.Irgendwann würde ich mit ihm sprechen müssen, würde erwachsen sein müssen, aber jetzt gerade war ich das junge Mädchen, das verlassen worden war und ihren Liebeskummer auslebte und ich heulte und verfluchte den Jungen, der ihn damals ausgelöst hatte.

Ich wurde in meinen Schmerz, ausgelöst durch einen Mann denn ich seit Jahren nicht gesehen hatte, den ich eigentlich nicht mehr kannte unterbrochen als die Tür schwungvoll aufgestoßen wurde. In meinem verheulten Zustand hatte ich vergessen diese verdammte Tür zu schließen. Meine Reflexe verleiteten mich dazu geistesabwesend mit einem Sprung in die Dusche zu verschwinden, natürlich war das nicht die erwachsenste Tat des Tages, aber ich wollte so nicht gesehen werden, wollte alleine meinen Schmerz durchleben. Eigentlich hätte jeder sofort merken müssen, nicht nur weil eine Dusche wirklich nicht das beste Versteck war, sondern auch weil ich bei meinem eiligen Rückzug ein blutverschmiertes Waschbecken nebst zerbrochenem Spiegel zurück gelassen hatte, doch das frisch verliebte Paar, das mich in meinem Leiden störte, war zu sehr mit sich selber oder viel mehr mit einander beschäftigt um irgendetwas in ihrer Umgebung wahrzunehmenDer letzte Blick den ich über die Schulter auf sie warf, gab mir den Rest. Erschöpft zog ich meine Knie fest an meine Brust, umklammerte sie fest mit meinen blutverschmierten Armen und wartete ab. Nur eine Frage blieb mir nun noch, während ich versuchte auszublenden wer und was neben mir geschah: Wieso ich? Wieso immer wieder ich?

Boss BabyWhere stories live. Discover now