Kapitel 36

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Bei Fremden

Ge. 03- Kapitel 36

Mein Mund wäre mir beinahe aufgeklappt, hätte ich mich nicht in letzter Sekunde beherrscht. Vor mir stand eine Familie und ganz vorne war deren Tochter, die ich nur zu gut kannte. Die Schulschlampe meiner alten Schule und Bengüs neue beste Freundin. Zumindest war sie ja, als ich, bevor ich mit Nils getrennt war, zu Bengü gegangen war, auch dort und sie hatte mir das Gefühl gegeben, als sei ich Luft- kein Sauerstoff, sondern Kohlenstoffdioxid. Selin lächelte mich süffisant an und ging dann mit ihrer Familie rein. Danach folgten auch Erdem und Osman.

Am liebsten wäre ich zu dieser Selin gerannt und hätte ihr jedes Haar einzeln rausgerissen. Stattdessen machte ich aber nur die Tür zu. Erst einmal begrüßten sich die Familie und "wir" uns eine Ewigkeit, dann setzten wir uns ins Wohnzimmer. Ich hatte alle herzlich begrüßt, also stand ich einfach auf und ging in die Küche.

Hatte ich jetzt bitte nur für diese Familie das gesamte Haus sauber gemacht? Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein. Da klingelte es wieder an der Tür und zwei weitere Familien betraten unser Haus. Toll.

Ich stieg hoch in mein Zimmer mit der Ausrede, dass es mir nicht gut ging. Es war ja eigentlich nicht einmal eine Lüge. Es ging mir ja schlecht. Nicht mal eine Minute verbrachte ich in meinem Zimmer, als es klopfte und Selin lachend das Zimmer betrat. »Hi!«, rief Selin, als seien wir beste Freunde und setzte sich zu mich aufs Bett. »Wie geht's?«

»Was machst du hier?«, fragte ich kalt und sah wie voller Abscheu an. Das war nicht die Selin, aus der Schule. Im Moment trug sie "normale-anständige" Kleidung und hat nur etwa Wimperntusche drauf. Tut sie vor der Familie auf Scheinheilig?

»Verpiss dich«, zischte ich, doch Selin lachte nur. Ich hasste dieses Lachen.

»Damla, beruhig dich doch, süße! Ich bin nur hier zu diesem Dreckskaff gekommen, um Bengü einen gefallen zu tun und daran wirst du mich nicht hindern können.«

»Ach?«

»Ja, denn sie kriegt immer, was sie will. Sie wollte Nils, sie wollte eine Wohnung, jetzt will sie Erdem.«

»Was!?«, kreischte ich. Das war doch jetzt nicht ihr Ernst! »Willst du mich verarschen!?«

»Schrei doch nicht so. Ich meine, das bringt dir auch nichts. Manche Menschen sind halt Verlierer wie du und manche Gewinner wie ich oder Bengü. Daran musst du dich gewöhnen.«

Ich gab ihr eine Ohrfeige. »Dann musst du dich halt auch daran gewöhnen.«

Ich stand auf und wollte gehen, da packte mich Selin am Arm. Ich drehte mich widerwillig um und sah, dass die Stelle, wo ich sie geschlagen hatte, rot eingefärbt war.

»Damla, wenn du wieder so einen Scheiß machst, dann mach ich dir dein Leben zur Hölle!«

»Selin! Halt endlich deine verdammte Klappe, sonst schubs ich dich zusammen!«

»Ich hab ja solche Angst«, sagte sie sarkastisch und lachte.

»Deine Wange sagt da etwas anderes.«

Sie legte ihre Hand zu der Stelle, wo ich geschlagen hatte, lächelte dann aber. »Du bist so dumm.«

»Kommt das, was du hier für ein Scheiß erzählst auch wirklich hier oben-«, ich tippte ihre Stirn an. »-an?«

Selin verdrehte die Augen. Was besseres konnte sie auch nicht. »Ob du es willst oder nicht. Bengü bekommt das, was sie will. Und das ist in diesem Fall dein Stiefbruder.«

»Bengü kann mich Mal und außerdem ist Erdem vergeben.«

»Nils war auch vergeben.«

»Erdem hat stolz, kennst du sowas?«

Bei FremdenWhere stories live. Discover now