K A P I T E L 2

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A B I G A I L

Mitten auf der Eagle Lake Road stelle ich fest, dass etwas nicht stimmt. Ich kann im ersten Moment nicht einordnen, woran genau ich es ausmache. Zugegeben, es ist stockduster und ich muss auch trotz des Scheinwerferlichts meine Augen zusammenkneifen, um überhaupt irgendetwas zu sehen. Doch das scheint nicht das Problem zu sein. Zumindest nicht das Hauptproblem, wohlgemerkt.

Eine böse Vorahnung beschleicht mich und ich erlaube mir, den Blick von der Straße zu nehmen, so gefährlich es auch sein mag. Schließlich weiß ich nicht, welche wilden Tiere am Straßenrand lauern könnten. Selbst dieses Wissen bringt mich nicht von meiner fragwürdigen Handlung ab.

Meine an die Dunkelheit gewohnten Augen heften sich augenblicklich auf die Temperaturanzeige, die innerhalb von sieben Sekunden auf den Anschlag geht.

Sofort steigt ein mulmiges Gefühl in mir auf, denn das kann unmöglich etwas Gutes bedeuten. Das kann nicht wahr sein!

Mit einem schnell schlagenden Herzen fahre ich langsam weiter, aber nichts ändert sich, diese verfluchte Anzeige wandert nicht magisch zurück unter 100°C. Gott, bitte lass mich einfach nur nach Hause kommen. Mehr möchte ich wirklich nicht. Bitte?

Es wird sogar schlimmer, wenn ich es noch so nett ausdrücken darf. Denn selbst in der Dunkelheit lässt sich der Qualm, der aus der rechten Seite der Motorhaube aufsteigt, überhaupt nicht übersehen.

Ich bekomme es augenblicklich mit der Panik zu tun und steuere den Wagen auf den Straßenrand, stelle den Motor aus, praktisch um die Fassung ringend. Nur einen Augenblick lang erlaube ich mir, meine Umgebung ganz wahrzunehmen.

Ich befinde mich auf einer Landstraße, in der es nur so von Bäumen wimmelt und reichlich an Licht mangelt. Zitternd Luft holend schnappe ich mir die Taschenlampe, die ich unter dem Beifahrersitz versteckt halte, von der ich aber nie gedacht hätte, sie würde irgendwann einmal zum Einsatz kommen. Unsicher, ob sie überhaupt funktioniert, drücke ich auf den kleinen schwarzen Knopf. Das Schicksal kann es nicht so schlecht mit mir meinen, denn sie funktioniert einwandfrei. Erst mit diesem Wissen bewaffnet, steige ich aus dem Wagen aus.

Nein. Nein. Nein.

Der Abend ist so gut gelaufen, es ist unmöglich, dass ausgerechnet jetzt, auf dem Weg nach Hause, etwas aus dem Ruder laufen könnte.

Beim Kontakt mit der feuchten Erde unter mir, fangen meine Beine an zu wackeln und es dauert einige Sekunden, bis ich es schaffe, das Zittern unter Kontrolle zu bringen. Oder mindestens so weit, dass ich mich wieder bewegen kann, ohne Gefahr zu laufen, über meine eigenen Füße zu stolpern.

So ein Mist muss auch ausgerechnet mitten im Nirgendwo passieren, verdammt nochmal. Hätte es nicht, keine Ahnung, warten können, bis ich wieder auf der Hauptstraße wäre?

Wo ich wenigstens etwas sehen könnte? Oder wo ich weniger Angst hätte, gleich von einem Serienmörder niedergestochen zu werden? Scheiße, das sind genau die Gedanken, die ich in solch einer Situation nicht haben darf. Hält mich diese Tatsache davon ab, sie weiterhin zu denken? Nein.

Als ich den Blick auf die zweispurige Straße vor mir richte, ist sie menschenleer. Ob nun zu meinem Vorteil oder Nachteil vermag ich in diesem Moment nicht zu beurteilen.

Meine Finger öffnen mit großer Mühe die Motorhaube und ich schiebe das auf den Regen, der schwer vom Himmel fällt und nicht auf meine Nervosität. Fluchend sehe ich, dass das Kühlwasser komplett leer ist. Ich bin zwar kein Mechaniker, aber das eine oder andere hat mir irgendwann einmal entweder Russel, oder mein Dad erzählt, auch wenn ich nur mit einem Ohr hingehört habe. Deshalb weiß ich, was hier eventuell fehlen könnte, jedoch nicht aus welchem Grund. Woher denn bitte, wenn ich nicht richtig aufgepasst habe, als man es mir erklärt hat?

Never Losing You | LESEPROBE |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt