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Jackson und ich hatten beschlossen, dass ich vorerst alleine mit ihm sprach, aber das war auch selbstverständlich. So gesehen war es nicht mal nötig, dass er mitkommen musste, doch da er sowieso nicht vorhatte, am Unterricht teilzunehmen, hätte er mir eingeredet, dass doch gefährlich sei alleine mit der Bahn durch Korea zu fahren. 

Wir sahen uns schweigend in die Tränen benässten Augen des anderen an, auf bestimmten Abstand standen wir gegenüber. Ob er mich länger halten wollte, wusste ich nicht, aber aus meiner Sicht konnte ich sagen, dass ich gerne noch länger in dieser Haltung geblieben wäre. Das Gefühl ihn in den Armen zu halten, war anders als die anderen Male, an denen ich ihn umarmte oder er mich. Keiner sagte irgendwas, wir lauschten beide dem Wind, der von draußen in dem Raum wehte. So viele Fragen, Gespräche, Themen über die wir redeten konnten, doch keines dieser Dinge fing von einen von uns an, bis ich es tat. Den Mund leicht geöffnet, um endlich dir Stille zu unterbrechen. 

''Wieso weinst du?'' Nach wie vor war es das erste, was ich feststellen konnte, als ich ihn nach so langer Zeit ins Gesicht sehen konnte. Der Auftrag des Onkels war lediglich ihn in irgendeinen freien Raum zu bringen, der nicht gerade neben einem Zimmer voller Schüler ist. Beschäftigte ihm etwas, fraß er in all dieser Zeit alle seine Probleme von selbst auf, vergeigte er soeben die Arbeit, von dem uns der Onkel vorhin erzählte, als Jackson ihn fragte, aus welchem Unterricht er ihn holte? Ich konnte der Grund nicht sein, da wir klar abmachten, dass er nichts davon erfuhr. Er war überrascht, als er mich sah, der Schock seiner Tränen ganz meinerseits. ''Weil ich unverändert bin.'', flüsterte er und schnaubte auf. Mit seinem Handrücken wischte er die Tränen weg, doch beim genauer Hinsehen bildeten sich neue, nachdem er diese Worte aussprach. ''Ist das nicht gut?'' Ein wenig Verwirrung war in meiner Frage herauszuhören wie mein Blick diesen wiedergab. Er schüttelte den Kopf und sah zur Decke, während er mehrfach blinzelte, um scheinbar so die Tränen zu stoppen. ''Nein.'', verdeutlichte er damit sein Kopfschütteln. ''Aber wieso nicht?'' ''Weil ich schwach bin, Yugyeom.'', sagte er, gab schlussendlich auf und sah mich an. Ich erkannte die altbekannten Tränen wieder in seinen Augen. Sie hatten an Glanz verloren, wie er. Er hatte aufgehört zu strahlen. Und das alles nur wegen einem gottverdammten Missverständnis. Seine Hände zitterten, das war nicht zu übersehen. Langsam ballte er sie zu Fäusten. Ich ging einen Schritt näher. Und zu meiner Überraschung wich er einen Schritt zurück. Augenblicklich blieb ich stehen und rührte mich nicht. ''Wieso?'', fragte er bitter. Die Tränen kullerten seine Wange hinunter, am Kinn entlang auf seinem Hals. ''Wieso er?'' Er lächelte, während nach wie vor die Tränen keinen Halt fanden. Ein leichtes Stechen in meiner Brust breitete sich aus, ihn so zerstört zu sehen. Die Trauer sprachen seine Augen aus, das Lächeln die Ironie der Freude. ''Du fragst mich, wieso es nicht gut ist, unverändert zu bleiben. Ist das nicht genau der Grund, wieso ich nicht, anstelle er, an deiner Seite bin?'' Meine Augen öffneten sich ein Stückchen weiter auf, wie gerne ich ihn gesagt hätte, dass es nicht das war, was er sich als Grund ausmalte, doch ich schüttelte nur den Kopf. Der Schock übernahm die Oberhand, dass mir das Reden nicht überließ. ''Was soll es denn sonst sein?'', fragte er und lachte. Ein Lachen, welches keinerlei Freude ausstrahlte. Einen weiteren Versuch startete ich, ihm näher zu kommen. Diesmal blieb er tatsächlich stehen und blickte weiterhin ohne Ausstrahlung in mein Gesicht, das Lächelnd hatte sich mittlerweile auch verabschiedet. ''Nichts war echt, gar nichts.'', sagte ich und blieb dann stehen, als gerade mal fünf Zentimenter von unseren Schuhen einander entfernt waren. ''Willst du mich veraschen?'', lachte er packte mich plötzlich an beiden Schultern. Wir sahen uns tief in die Augen, sein Gesicht war nicht weit von meinem entfernt. ''Denkst du, ich hab keine Augen im Kopf oder was? Ich weiß ganz genau, dass dieses Bild nicht fake ist!'' Das Bild. Genau, dieses Bild. Wie Schmerzhaft musste es gewesen sein, das zu sehen? Ich konnte es ihm nicht verübeln, noch im Kopf zu haben. ''Du kennst die Realität aber nicht, was passiert ist.'' Er ließ unsanft von mir ab, was mich zurücktaumeln ließ. ''IHR HABT EUCH GEKÜSST, WAS SOLL ICH DENN NOCH WISSEN MÜSSEN?!'', schrie er in einem mir selbst überraschten lauten und verhassten Ton. Jedoch wirkte er selbst überrascht über seine eigene Tonlage, nur machte er keinerlei Anzeichen dafür, dass es ihm leid tat.

Pov; Bambam

Für einen Moment spielte der Ort, an dem die ganze Szene abspielte, keine Rolle. Alles, was ich für den Augenblick spürte, konnte ich heraus schreien und es fühlte sich so gut und doch falsch an. Es reizte mich, auch wenn es Yugyeom war, dass er es leugnete. Dass er mir vormachen wollte, der Grund läge nicht bei mir. Das plötzliche Klingeln riss mich förmlich wieder der Realität zurück. Die Realität, die mir zeigte, dass ich ihn nicht haben konnte und das er selbst nicht in der Lage war, zuzugeben, dass es so war. Denn wie schwer war es, mir die Realität zu verdeutlichen, wenn ich sie schon kannte? 

Ohne ein weiteres Wort, schnappte ich mir meine Tasche, die sich zum einen Mal so schwer anfühlte, wie eine Last, die ich soeben eine Weile von meinen Schultern ließ, um wieder ein Gefühl von Freiheit zu bekommen, frei von allen Lasten. Haarscharf ging ich an ihm vorbei und doch, auch wenn ich es nicht wollte, erwischte ich mich selbst dabei, wie ich hoffte, er würde noch irgendetwas sagen, dass ich das letzte Mal seine Stimme wahrnehmen konnte, aber es kam nichts. Enttäuschend, wobei ich mit dieser bereits rechnete und sowieso jeden Tag konfrontiert werde. 

Fast schon stürmend verließ ich das Zimmer und rannte geradewegs die Treppen hinunter. Ich ignorierte die verblüfften Gesichter einiger Schüler, rannte immer weiter, als wartete etwas besonderes auf mich. Derjenige, der das entscheidende in meinem Leben war, hatte an Bedeutung verloren. Doch selbst das, konnte ich mir nicht einmal einreden, es wäre eine Lüge das zu sagen, aber wieso fühlte es sich richtig an? Ihn als Last liegen zu lassen? Das, womit ich jeden Tag zu kämpfen hatte, war die Trauer seinetwegen. Wieso sah ich es nicht ein? War es das, was man wahre Liebe nannte? Aber wäre es so, müsste er mich nicht auch lieben?

''Bambam!'', nahm ich die Stimme von Jackson wahr und wurde auf einmal von ihm am Arm festgehalten, sodass ich gezwungener Maßen stehen bleiben musste. ''Lass mich los! Ich will euch alle nicht sehen'', blaffte ich und erntete einen überraschten Blick. Die Überraschung ließ ich mir zum Vorteil machen und riss meinen Arm frei von seinem Griff. Er hielt mich nicht mal mehr auf und ließ mich rennen. ''Bambam..'', hörte ich dann auch noch Yugyeoms Stimme.
Das letzte Mal. 

«Forget It» || YugbamWhere stories live. Discover now