Nashra - Kristall Chroniken I

13. Kapitel

Yara war verwundert über Nashras Bereitschaft und Entsetzen, als sie noch hinzufügte, dass Bryan gegangen war. Das Gespräch über die mögliche Auslöschung aller Drachen lenkte sie von dem Wirrwarr ihrer Gefühle ab.

"Bryan wird dies ebenfalls Alaneo berichtet haben. Ich weiß, dass es schwierig wird, aber du musst mit ihm darüber reden. Zufälligerweise ist mir mein Leben sehr lieb."

"Wann ist mein Leben nur so verstrickt geworden?", fragte Yara halb im Ernst, halb im Spaß. "Früher war es leichter, nicht besser, aber leichter." Neugierig starrte der Drache sie an.

"Du weißt schon ziemlich viel über mich, aber hast noch gar nicht von dir erzählt. Hast du Familie? Du hast einen leichten Akzent, wo kommst du her?" Obwohl es Nashra war, der ihr diese Fragen stellte, derjenige an den sie gebunden war und dem sie ihr Leben anvertraute, sperrte sich etwas in ihr darauf Antworten zu geben. Aber Nashra drängte sie nicht. Da sie kein anderes Gesprächsthema hatten, schwiegen sie.

Es musste weit nach Mitternacht sein, als Yara tief durchatmete und zu erzählen begann: "Meine Eltern waren Händler, die alle erdenklichen Waren über die Grenzen nach Cælil gebracht hatten. Unser Leben war bescheiden, den Großteil des verdienten Geldes steckten sie in die Bildung von mir und meiner Schwester. Clare war immer die beliebtere, schlauere und schönere von uns beiden. Ich wurde ungehorsam und das passte meinem Vater nicht, weswegen er zu anderen Mitteln griff." An dieser Stelle musste sie inne halten, denn die Erinnerungen wollten sie verschlingen. Zum ersten Mal seit einer Weile flackerte es wieder in ihren Augenwinkeln und ihre Gabe erwachte.

Sie war wieder dreizehn, die Arme übersäht mit blauen Flecken übersäht und ihr Vater drohend über ihr aufragend. Er hatte die Hand zum Schlag erhoben, ihre Mutter stand kopfschüttelnd daneben und Clare grinste gehässig über die Schultern ihrer Eltern hinweg. Ein Schluchzer entrang sich Yaras Kehle, als der Schmerz in ihrer Wange erneut aufflammte.

Allein Nashras Anwesenheit rettete sie davor, in ihren Erinnerungen zu versinken. Der Wind kühlte ihre Tränennassen Wangen und hielt sie in der Gegenwart. Yara machte mehrere Ansätze, fortzufahren, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken, während die Schatten ihres Drachen um sie herum wuselten und sein Körper sie schützte.

"Das tut mir sehr leid. Ich wünschte, wir wären uns früher begegnet. Bist du dann in beiden Ländern aufgewachsen, Cælil und Rolinth?", lenkte er das Gespräch wieder in eine sichere Richtung. Yara nickte.

"Es war nicht immer leicht, aber nach ein paar Jahren hatten wir in beiden Ländern Anschluss gefunden. Und da wir hier immer nur in derselben Stadt blieben, war es einfach, den Kontakt zu halten. Bis ich nach Têmpra geflüchtet bin." Von Sekunde zu Sekunde wurden ihre Augenlider schwerer. Sie hatten Zeit, für den Rest ihrer Geschichte war die Zeit noch nicht gekommen.

Es fühlte sich seltsam an, von niemandem erwartet zu werden. Nicht, dass sie Bryans Vorwürfe vermisste, doch dass selbst Lunos nicht draußen an der Hütte stand, hatte sie nicht erwartet. Dank Nashra hatte sie ohne Albträume schlafen können. Früher wäre sie nach so einem starken Erwachen ihrer Erinnerungen stundenlang mit weiteren gequält worden. Jetzt stand allerdings noch das dringende Gespräch mit Alaneo aus, das annähernd so unangenehm werden würde.

Ihre Ankunft blieb aufgrund eines quietschenden Türscharniers nicht unbemerkt. Sie kam nicht einmal bis zu dem kleinen Sofa, als Lunos mit hocherhobenem Holzschwert aus seinem Zimmer blindlings auf sie stürzte. Der Aufprall auf den unebenen Holzboden presste ihr alle Luft aus den Lungen. Kurz darauf erhob der Junge sich schuldbewusst.

"Ich dachte, du wärst ein Einbrecher", verteidigte er sich. Yara konnte nicht anders, als zu lachen bei seinem Anblick. Von dem mutigen Ritter war ein schüchterner geblieben. Es war schwierig in einzuschätzen. In einem Moment verhielt er sich unglaublich erwachsen und im nächsten viel kindlicher als seine zwölf Jahre zuließen.