29. Kapitel

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Seufzend ließ Yara sich auf das schmale Bett fallen, während die Gedanken in ihrem Kopf um das Gespräch mit ihrem Vater kreisten.

Ihr Magen knurrte, was sie daran erinnerte, dass sie seit dem letzten Abend nichts mehr zu sich genommen hatte. Eine karge Mahlzeit bekam sie allerdings erst als die Wintersonne beinahe ihren tiefsten Punkt erreicht hatte. Der General brachte ihr Brot und Wasser und während sie es hinunterschlang, warf er einen prüfenden Blick zur Tür.

"Du hast recht", gestand er ihr zähneknirschend. "Die meisten meiner Männe haben nie in ihrem Leben einem Drachen gegenübergestanden. Selbst ich habe nur einen aus weiter Ferne gesehen. Dabei habe ich mich stets für schlauer gehalten, als hasserfüllten Tiraden Glauben zu schenken." Yara wusste nicht, woher sein plötzlicher Sinneswandel rührte, doch sie hieß ihn willkommen.

"Ihr fürchtet euch. So sind wir Menschen nun einmal und in dieser Furcht tun wir schreckliche Dinge. Menschen manipulieren andere, um sie für ihre Zwecke zu benutzen." Das schlechte Gewissen pochte im Takt ihres Herzschlags. Während sie von den manipulativen Fehlern der anderen predigte, ließ sie selbst die Magie in ihren Worten nachklingen. Es fiel ihr bedeutend schwerer, den richtigen Nerv bei ihm anzutreffen, da sie unabsichtlich ihre Kräfte erschöpft hatte. Doch um ihren Vater musste sie sich später Gedanken machen. Viel von ihrer Überzeugungskraft brauchte es allerdings nicht, der General war bereits auf dem richtigen Pfad und so bestärkte sie ihn nur weiter darin.

"Ich glaube nicht, dass ich so weitermachen kann." Yara sah ihre Chance. Ein grober Plan formte sich in ihrem Kopf, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie ihn würde durchziehen können.

"Das musst du auch nicht", beschwichtigte sie ihn. "Ich bin übrigens Yara." Er warf ihr einen schiefen Blick zu und schien hin und hergerissen zwischen seinem Gewissen und seiner Pflicht, jede Nähe zu einer Gefangenen im Keim zu ersticken.

"Ich heiße Malov." Lange Zeit schwiegen sie sich an, während er vollkommen in Gedanken versunken schien. "Mir tut es leid, wie ich dich gestern in der Taverne belästigt habe. Wir waren übermütig wegen des hohen Kopfgeldes." Das kam überraschend und so nickte sie nur verblüfft.

"Vergeben und vergessen", versprach sie mit einem Schmunzeln. Ein heftiger Schmerz zuckte durch ihren Kopf und sie schloss stöhnend die Augen.

"Das mit dem Betäubungsmittel tut mir auch leid. Aber es war die bessere Alternative als wenn wir dich zusammengeschlagen hätten", gab er unverblümt zu. "Das dürften die Nebenwirkungen sein. Trink viel und ruhe dich aus." Er war schon halb aus der Tür, als Yara endlich einen halbwegs anständigen Satz über die Lippen brachte. Worte schienen in ihrem Kopf völlig ohne Bedeutung.

"Du kannst unser aller Schicksal immer noch wenden." Dann versank sie wieder in bleierne Schwärze. Schatten, die sie willkommen hießen. Tränen der Freude stiegen in ihr auf.

"Nashra", hauchte sie überglücklich, während leuchtende blaue Augen sie voller Zufriedenheit anstarrten.

"Dir geht es gut", erwiderte er voller Zuversicht und drückte seine manifestierte Schnauze in ihre Handfläche. Mit raschen Worten brachte sie ihn auf den neuesten Stand der Dinge. Sie fühlte über das Band, wie in ihm alles erstarrte, als sie von dem Ausbruch ihrer Magie berichtete. Er entspannte sich erst wieder, als sie bedächtig durch seine Schatten strich und von der Wandlung des Generals berichtete.

"Die Magie hat sich deiner voll und ganz hingegeben. Sie hat deine Trauer gespürt und für dich reagiert, weil du gelähmt warst. Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen", versprach er ihr. "Wir werden deine Kräfte bis an ihre Grenzen ausloten, doch das hat Zeit. Wir haben Sacre aufgelesen, als er nach den Eiern sehen wollte." Ihr Atem setzte aus. Dieser Mann verdiente den Titel des Oberhüters nicht, wo er schließlich Dracheneier gegen sie eintauschen wollte. Selbst wenn er damit ihre Freiheit als Ziel hatte, ergab das ganze noch keinen Sinn für sie. Ihr Vater musste gewusst haben, dass sie, seine Tochter, das Tauschobjekt gegen die Eier sein sollte. Ihr Kopf dröhnte.

Nashra - Kristall Chroniken Iحيث تعيش القصص. اكتشف الآن