Kapitel 23

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 Auf Dean's Frage hin, deute Sam mit dem Kopf auf die gegenüberliegende Seite des Raumes.
„Dort, Dean."

Beide Brüder sahen, dass Valerie nun unmittelbar am Rand des Flammenkreises stand.
So dicht, dass man meinen konnte, ihre Kleidung müsse jeden Augenblick Feuer fangen.
Im Inneren des Kreises sahen sie eine verschwommene, flammende Gestalt sich ungelenk bewegen.

Das war also der Elementargeist in seiner ursprünglichen Form.
Valerie hob nun die Schale hoch über ihren Kopf.
Aus der sicheren Entfernung konnten beide nur sehen, dass sich ihre Lippen bewegten, aber nicht hören was sie sprach.
Sam tippte auf die gute alte ausführliche Form eines klassischen Exorzismus Spruchs.
Dean war sich da nicht sicher.

„Ich denke sie hat da irgendeine Dummheit vor."
Ein kurzes Husten unterbrach ihn.
„Nur um zu gewinnen", setzte er leise für sich hinzu.
Kaum hatte Dean es ausgesprochen, tat Valerie genau das.

Sie drehte sich den beiden Brüdern zu, sah sie direkt an.
Etwas verschwörerisches und zugleich entschuldigendes lag in ihrem Blick.
Die beiden ahnten zwar, dass jetzt etwas besonderes geschehen würde.
Aber voller Entsetzen mussten sie zusehen, wie sie die Schale senkte und direkt an ihre Lippen setzte.
Sie leerte den Inhalt mit einem Zug.

Dean realisierte als erster, was sie vor hatte.
„Sie will da rein!"

Er wollte zu ihr, aber Sam hielt ihn zurück.
Was ihm nicht besonders schwer fiel, denn Dean war immer noch sehr geschwächt.
Er brauchte ihn nur kurz an der unverletzten Schulter am Boden zu halten, damit sein Bruder dort blieb wo er war.

Dean funkelte Sam wütend an.
„Wir müssen sie aufhalten!", drängte er seinen Bruder.

Der aber schüttelte nur den Kopf und hielt Dean weiterhin fest.
Beide hielten ihren Blick starr auf das Geschehen vor ihnen gerichtet.
Sie sahen, wie sich Valerie tatsächlich mit einem beherzten Schritt direkt in den brennenden Kreis begab.
Direkt in unmittelbare Nähe des Elementargeistes.
So wie es Dean vorhergesehen hatte.

Hatte die übernatürliche Gestalt bis eben noch versucht auf der anderen Seite des Flammenrings einen Ausweg zu finden, richtete der Geist nun seine komplette Aufmerksamkeit auf Valerie.
Er nahm eine halbwegs menschliche Form an und näherte sich der jungen Frau.
Das Wesen blieb kurz vor dem Ziel stehen.
Plötzlich verwandelte sich die flammende Silhouette in eine zerstörerische Säule aus Feuer, die drohte Valerie zu verschlingen.

Fassungslos mussten die beiden Winchester-Brüder zusehen, wie die junge Frau drohte ein Opfer der Flammen zu werden.
Sie konnten die Hitze noch auf ihrer eigenen Haut spüren.
Sogar das Knistern der Flammen konnten sie hören.
Dean war kaum noch zu halten.
Er wollte ihr helfen.
Sie aus dem Kreis holen.
Egal wie.
Aber er konnte es körperlich im Moment nicht mit seinem Bruder aufnehmen.
Er war zum Zusehen verdammt.

Wenn das alles vorbei war, würde er Sam zeigen, was er davon hielt.
Wie kann Sam nur so ruhig dabei zu sehen?, fragte er sich.

„Bleib ruhig, Dean. Sie hat einen Plan. Vertrau ihr!", war alles, was Sam auf Dean's heftige Vorwürfe erwiderte, die er ihm mittlerweile im Sekundentakt an den Kopf warf.

Wie zum Beweis begannen nun ebenfalls sich aus Valerie's Händen Flammen zu winden.
Sie krochen an ihrem Körper entlang, bis sie ihre Gestalt innerhalb weniger Sekunden vollständig einhüllten.
Und sie waren nicht rot oder orange, sondern von einem gleißenden hellblau und hatten auf sie keinerlei zerstörerische Wirkung.

Sie überwand die Distanz zu der anderen Gestalt mit einem beherztem Schritt.
Beide Gegner standen sich nun unmittelbar gegenüber.

Der Elementargeist begann mit seinem Angriff, in dem er eine Stichflamme aus seinen Händen auf Valerie losließ.
Dieser Angriff kam so überraschend, dass sie keine Chance mehr hatte sich zu verteidigen oder selber anzugreifen.
Die roten Flammen trafen in der Höhe Ihres Oberkörpers auf das gleißende Hellblau und drängten es an dieser Stelle soweit zurück, bis nur noch ein schwaches Leuchten dort zu sehen war.
Valerie wankte kurz, schaffte es aber sofort ihr Gleichgewicht wieder zu finden und die Schwachstelle wieder zu verstärken.

Kaum hatte sie sich von diesem ersten Angriff erholt, folgte auch schon der nächste.
Diesmal zielte ihr Gegner mit einer noch intensiveren Stichflamme auf ihren Kopf.
Zwar traf sie glücklicherweise dieser Angriff nicht vollkommen unvorbereitet, aber dafür heftiger als der Vorhergehende.
Sie hatte alle Mühe wenigstens eine dünne Schutzhülle aufrecht zu erhalten.
Sie fürchtete diese Art des Kampfes würde sie mehr Kraft kosten, als sie zur Verfügung hatte.
Besonders wenn es dem Wesen noch ein paar mal gelingen würde sie zu überraschen.
Sie musste jetzt, da sie noch über Kraftreserven verfügte, eine Entscheidung treffen.
Je länger sie wartete, desto wahrscheinlicher würde sie scheitern.

Sam und Dean waren dem Verlauf des Kampfes wie hypnotisiert gefolgt.
Auch sie hatten bemerkt, dass Valerie Schwierigkeiten hatte, aber sie konnten ihr nicht helfen, geschweige denn auch nur in die Nähe des Kreises gelangen, denn die Hitze war mittlerweile sogar dort, wo sie sich befanden kaum noch zu ertragen.

„Bist du immer noch überzeugt, dass sie einen Plan hat, Sam? Und damit meine ich einen Plan der funktioniert!", fragte Dean seinen Bruder sarkastisch.

Auch Sam war sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob sie diesen Kampf noch gewinnen konnte.
Er wusste im Moment nicht einmal, ob er im Notfall mit dem Messer nah genug an Valerie herankommen würde, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Allerdings wollte er Dean mit seinen Befürchtung im Moment nicht belasten.
Sam erwiderte nichts, denn in diesem Augenblick betrachteten beide hilflos das Geschehen vor ihnen.

Sie sahen wie Valerie einen Schritt auf ihren Gegner zu tat und ihn mit ihren Armen umschlang.
Eine pervertierte Version einer liebevollen Umarmung.
Rote und hellblaue Flammen loderten nun wild gemischt bis an die Decke des Raumes, bis an den Lüftungsschacht und sogar darüber hinaus.
Selbst von draußen musste man dieses Schauspiel weithin sehen können.
Der gesamte Raum schien nun in Flammen zu stehen.
Einige Trümmer in der unmittelbaren Nähe des Kampfes hatten bereits Feuer gefangen.
Die mittlerweile enorme Hitzeentwicklung zwang auch die beiden Brüder zum Rückzug.
Sam half Dean auf die Beine, obwohl dieser seinen Platz nur ungern verließ.
Aber es ging nicht anders.

Sie kamen gerade noch rechtzeitig aus dem Raum und schlugen die Tür zu, bevor die Temperatur eine Intensität erreichte, die sie bei lebendigen Leib geröstet hätte.
Sam wollte zunächst in der Nähe der Tür bleiben, aber auch dort wurde es bald zu heiß, so dass sie sich weiter in den Keller zurück ziehen mussten.

Beide Brüder saßen schon bald neben dem immer noch bewusstlosen Bobby am anderen Ende des Kellers und konnten nichts weiter tun, als abzuwarten.
Selbst in dieser Entfernung, mit einer massiven Eisentür zwischen ihnen und dem Geschehen, war das Geräusch der Flammen zu hören und die Hitze zu spüren.
In dem Schutzraum musste nun ein wahres Inferno herrschen.
Schon lange knisterte das Feuer nicht mehr leise.
Es war ein kaum beschreibbares Rauschen, fast wie von tosendem Wasser, aber wesentlich bedrohlicher und schier ohrenbetäubend.
Beide konnten ihre Augen nicht von der Tür nehmen, die langsam begann, sich rot zu verfärben.
In den Gesichtern beider Brüder spiegelte sich Trauer und Entsetzen wieder.
So etwas konnte keiner überleben.
Da waren sie sich ausnahmsweise einmal einig.

„Was ist denn da drin los?", erklang plötzlich Bobbys Stimme leise und noch etwas verwirrt.
Keiner der Brüder hatte bemerkt, dass ihr väterlicher Freund zwischenzeitlich wieder zu sich gekommen war.
Sie sahen ihn nun entsprechend überrascht an.
Bobby sah aber außer der Überraschung auch noch etwas anderes in den Gesichtern der beiden.
Eine starke Empfindung, die er bei Sam schon gesehen hatte, die Dean aber fast immer erfolgreich unterdrückte: aufrichtig empfundene Trauer.

Einer bösen Vorahnung folgend sah sich Bobby im Keller um.
Nirgends konnte er Valerie entdecken.
„Jetzt sagt mir bitte nicht, dass die Kleine da drin ist, Jungs."

Aber die Blicke beider Brüder sagten ihm, dass es genauso war.

„Wie konntet ihr das nur zulassen?", fragte Bobby fassungslos.

„Bobby, wir konnten nichts mehr für sie tun", antworte Sam ruhig.
„Auch mir tut es Leid, glaub mir. Unendlich Leid."

Dean's Gesicht war wie versteinert.
Nur seine Augen verrieten, demjenigen der ihn besser kannte, die Gefühle, die nun in ihm wüteten.
Die Schuld, die er sich für Valerie's Tod, sowie denen der anderen Menschen, die ihm vertraut hatten, gab und die sie nicht hatten retten können, die Zweifel an ihrem ganzen Kampf gegen das Böse, egal in welcher Form.
All das Leid, das ihn schier zu verfolgen schien und unendlich schwer auf seinen Schultern lastete.

Bobby glaubte Sam ohne Vorbehalt.
Beide hatten sicher wirklich alles getan, um sie zu retten.
Nichts hätte er in diesem Moment sagen können, das den Schmerz der beiden und ebenfalls seinen auch nur ansatzweise hätte lindern können.

Die Hitze und das Geräusch der Flammen hielt noch eine ganz Weile an, bis Sam als erster bemerkte, dass es im Schutzraum langsam leiser wurde und auch die Hitze, die die Tür ausstrahlte, nachließ.
Als kein einziger Ton mehr zu den dreien vordrang, stand Sam auf und ging in Richtung Tür.
Vorsichtig berührte er das Metall, immer noch eine ungewöhnliche Hitze erwartend.

Doch überraschenderweise war es ... kalt.
Er befühlte ungläubig die gesamte Tür.
Aber auch der Rest der Tür war so kalt, als wäre das alles nie geschehen.

Bobby und Dean beobachteten ihn neugierig.
Niemand traute sich, auch nur ein Wort zu sprechen.

In diese Stille hinein kam allen, das an sich leise Quietschen der Tür wie ohrenbetäubender Lärm vor.
Sam schob sie langsam auf.

Sobald der Spalt breit genug war musste er sich zwingen, einen Blick hinein zu werfen.
Er erwartete das Schlimmste.
Was er dann aber dort sah, konnte er kaum glauben

Am gegenüberliegenden Ende des Raumes lag Valerie.
Anscheinend unversehrt, aber ohne Bewusstsein, mit dem Rücken zur Tür.
Er erinnerte sich an sein Versprechen, umschloss Ihr Messer, welches er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, fester und betrat vorsichtig den Raum.

„Nein, Junge!", rief Bobby entsetzt.

Dean war überhaupt nicht im Stande gewesen schnell genug zu reagieren, denn er war immer noch sehr schwach.
Mehr als ein leises, „Sammy!", kam nicht über seine Lippen.

Bobby wollte ihn zurückhalten, stieß dabei aber den Tisch um, auf dem Valerie ihre Jacke gelegt hatte.
Doch Sam war schneller.
Bevor er ihn erreichen konnte, war der jüngere der Winchesters bereits durch die halboffene Tür geschlüpft und hatte sie hinter sich wieder verschlossen.

Keiner der beiden musste unbedingt mit ansehen, was er nun vielleicht gezwungen war zu tun.
Vor allem aber nicht Dean.

Valeries MP3-Player war bei Bobbys Versuch Sam aufzuhalten aus ihrer Jackentasche gefallen und begann zu spielen.
In die angespannte Stille des Kellers hinein schallte leise „Helplessly Hoping" von Crosby, Stills & Nash und untermalte die düsterte Atmosphäre nur allzu passend. 

Bobby versuchte verzweifelt die Tür zu öffnen, aber Sam hatte sich von innen verschlossen.

Dean, ausserstande seinem Freund zu helfen starrte nur fassungslos auf die geschlossene Tür, hinter der sein Bruder verschwunden war.

Was geschieht nur da drin?
Wie konnte er da nur allein rein gehen?
Ohne Rückendeckung?
Sam, Verdammt.
Was, wenn der Elementargeist doch nicht besiegt ist?

Was wenn ... wenn sie tot ist? 

Dean und Bobby waren nun dazu verdammt zu warten, dass Sam wieder heil und lebend heraus kam.
Zu warten und zu hoffen.


Derweil ging Sam auf die am Boden liegende Gestalt zu und kniete neben ihr nieder.
Sanft drehte er sie um.
Sie schien in der Tat keine Verletzungen davon getragen zu haben.

Er träufelte etwas Weihwasser auf Valerie's blanken Unterarm, aber nichts geschah.

Auch ein kleiner Schnitt mit dem Messer förderte keine unnatürliche Reaktion zu tage.

Er suchte an ihrem Hals nach einem Puls, der ihm bestätigen sollte, dass sie noch lebte.

Und da war!
Schwach, aber er war da!

Als er dann eines ihrer Augenlider hob, sah er nur in ihre klaren, hellblauen Augen.
Erleichtert steckte er das Messer wieder weg und hob sie zärtlich auf, um sie hinaus zu tragen.


Zurück zu seinem Bruder.

SeelenFeuer - The Beginning || Supernatural FanFiktionWhere stories live. Discover now