Kapitel 2

330 10 0
                                    


Erschrocken blickten meine Mutter und ich Andreas nach. Dieses Verhalten war definitiv neu. Ich seufzte kurz ehe ich mit zwei Fingern meinen Nasenrücken mit zwei Fingern massierte und mich dann aus meinemStuhl erhob. ''Ich sehe mal nach ihm'' flüsterte ich leise und sah meine Mutter nicken ehe ich mich auf den Weg durch das Wohnzimmer machte und in den Garten ging. Schon als ich durch die Terrassentür,in den großen Garten ging sah ich Andreas vor einem Baum sitzen. Es war sein Geburtsbäumchen was unsere Eltern gepflanzt hatten als er geboren wurde. Wir hatten alle so ein Bäumchen. Andreas hatte einen Apfelbaum, Silvia hatte einen Birnenbaum und für mich hatten unsere Eltern einen Kirschbaum gepflanzt. Er saß also vor diesem Baum und zitterte, ob das vom weinen kam oder weil er fröstelte konnte ich noch nicht sagen. Schließlich hatten wir es schon Mitte September und so langsam konnte man den Herbst begrüßen.

Leise um ihn nicht zu erschrecken ging ich weiter auf ihn zu, kniete mich hin und nahm ihn ohne etwas zu sagen in den Arm. Er versteifte sich kurz,ließ sich dann aber in meine Arme fallen und heulte wie ein Schlosshund. Ich konnte ihn noch nie weinen sehen und so fing auch ich an zu weinen. Jetzt saßen wir hier, zwei Brüder, Arm in Arm und heulten wie damals als kleine Kinder als wir mal zusammen hingefallen sind und uns die Knie aufschlugen.

Nach einer Weile beruhigten wir uns wieder. ''Christian, ich kann das nicht verstehen. Warum Papa? Was soll der scheiß? Gestern morgen war doch noch alles ok verdammt'' Er krallte sich fester an mich und vergrub seinen Kopf an meinem Hals. Normalerweise war er immer der Stärkere von uns beiden, ihn so zu sehen schockierte mich. ''Ich weiß es nicht Bruder, ich weiß es wirklich nicht'' flüsterte ich und nahm ihn fester in meine Arme. Plötzlich viel mir etwas ein, verdammt! Wussten es Andreas Kinder schon? Und Stefanie? Die Frau von Andreas? Ich räusperte mich ehe ich ihn fragte ob seine Familie schon Bescheid wüsste. Er nickte ''Ja wissen sie, ich habe Steffi die Mailbox voll geheult'' antwortete er mir auf die Frage und wand sein Blick wieder seinem Geburtsbäumchen zu. So saßen wir dort fast zwei Stunden, schweigend und eng umschlungen weil wir Angst hatten uns auch noch zu verlieren.


Nach zwei Stunden kamen wir wieder fröstelnd ins Haus und betraten die Küche. Meiner Mutter saß dort an ihrem Platz wo sie schon immer saß. Die Hände gefaltet, den Blick aus dem Fenster genau auf die Garage. Als sie uns in die Küche kommen hörte drehte sie sich um und grinste. ''Ihr Schmutzfinken,ihr seht ja aus wie früher wenn ihr im Garten gespielt habt'' Wir sahen beide an uns runter. Okay zugegeben, unsere Hosen sahen echt schmutzig aus und ich grinste etwas. Andreas aber sah an sich runter und ging dann schnellen Schrittes in sein altes Zimmer wo seine Klamotten lagen und zog sich eine neue Hose an. Wieder schauten meine Mutter und ich ihm hinterher und blieben stumm. Auch ich trat nach kurzer Zeit den Weg nach oben an um mich umzuziehen und mir die Hände zu waschen.

Nachdem ich mir eine neue Hose angezogen hatte bemerkte ich das die Zimmertür von Andreas altem Zimmer einen Spalt offen stand. Vorsichtig lugte ich herein und sah Andreas auf dem Bett liegen, er war eingeschlafen. Schlaf würde ihm gut tun, dachte ich und ging wieder zu meiner Mutter nach unten die immer noch am Küchentisch saß. ''Mama?'' Sprach ich sie vorsichtig an. ''Ja mein Kleiner?'' versuchte sie zu Lächeln und schaute mich an. Sie sah aus als wäre sie von gestern auf heute um Jahre gealtert. Ihre grauen Haare mit dem peppigen Kurzhaarschnitt waren nicht gestylt wie sonst immer sondern hingen zottelig runter, ihre sonst so zartes Gesicht wirkte als wären über Nacht noch mehr Falten hinzu gekommen und die sonst so modische Brille hatte sie auch nicht auf so das man ihre geschwollenen Augen deutlich sah. ''Mama du bist so ruhig, so fast als würdest du gar nicht trauern'' und im gleichen Moment schlug ich mir schockiert über mich selber die Hand vor den Mund. Wie konnte ich meiner Mutter nur so etwas vorwerfen? Natürlich trauerte sie! Ich wusste doch auch das jeder Mensch anders trauerte! Was war ich nur für ein Sohn? Ich warf meiner Mutter grade vor nicht genug um meinen Vater zu trauern. ''Tut mir Leid Mama, das wollte ich nicht''sagte ich schnell hinterher und fing an zu weinen. Meine Mutter jedoch stand auf und nahm mich in den Arm. ''Hey, es ist alles gut mein Kleiner. Ich bin dir nicht böse. Aber sieh mal, Papa war solange krank. Ich bin einfach nur erleichtert das er keine Schmerzen mehr hat und nicht mehr leiden muss. Ich bin natürlich traurig daser nicht mehr hier ist, denn ich liebe euren Vater'' schloss sie ihre Erklärung über ihre vermeintlich fehlende Trauer ab und ich verstand sie. Ich seufzte und nahm meine Mutter in den Arm, so standen wir dort eine ganze Weile bis es an der Tür klingelte.

Die Person die geklingelt hatte war Silvia, meine Schwester. Sie war gestern auch im Krankenhaus dabei, fuhr danach aber wieder nach Hause um zu schlafen und um sich um die Kinder zu kümmern denn Frank, ihr Mann war noch auf Geschäftsreise und kam erst mit dem nächsten Flieger aus Berlin wieder hier nach Herford. Sie sah gefasst aus und umarmte mich als sie in die Küche kam. ''Wo ist Andreas?'' fragte sie leise und schluckte. ''Oben in seinem Zimmer, er schläft'' gab ich die Antwort und bekam ein Nicken von ihrer Seite ehe sie sich eine Tasse nahm, ihre braunen Haare zum Pferdeschwanz band und sich Kaffee der noch in einer Thermoskanne auf der Anrichte stand, nahm und eingoss. Silvia nahm einen Schluck des heißen Gebräus und schaute Mama und mich dann an ehe sie nochmal aufseufzte und dann zusprechen begann.

Silvia erzählte uns das sie schon einen Bestattungsunternehmen gefunden hatte und einen Termin gemacht hatte.Morgen sollten wir zum Unternehmen und dort wurde dann das weitere Vorgehen besprochen. Silvia musste ein paar Mal in ihren Ausführungen stoppen als sie uns alles erklärte. Mama und ich saßen einfach nur stumm daneben und nickten ab und zu.


Nachdem alles besprochen war, beschlossen wir uns alle gemeinsam einen Film anzusehen. The Prestige war unser aller Lieblingsfilm und so machten wir es uns auf dem Sofa gemütlich. Immer mit dem Hintergedanken  irgendwie bei unserem Papa. Selbst Andreas war wieder wach geworden und hatte sich zu uns gesetzt, besser gesagt zu mir denn er kuschelte sich bei mir an und sah zum Fernseher.


Supermarket FlowersWhere stories live. Discover now