20: Der schwarze Delphin

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Der Schwarze Delphin

Shinichi seufzte.

Ran sagte gar nichts.

Shinichi Jr. war gelangweilt.

Reika hörte Musik.

Shunsaku gähnte.

Yuriko schlief.

Yusaku Jr. schlief ebenfalls.

Und Miyuki war völlig aus dem Häuschen.

Heute war der Tag, auf den sie schon so lange gewartet hatte, den sie sich herbeigewünscht hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war.

Heute würde sie zum ersten Mal in ihrem Leben wild lebende Delphine live und in voller Farbe sehen.

"Dad, wann sind wir endlich da?" maulte die inzwischen Elfjährige, die es schon gar nicht mehr erwarten konnte.

"Bald, Mädchen, bald", murmelte Shinichi und seufzte erneut. Genau wie für die meisten Familienmitglieder war für ihn die Autofahrt zu lang, aber er wusste, dass es sich lohnen würde. Zudem war es auch für ihn schon eine Ewigkeit her, seit er wilde Delphine gesehen hatte.

Ran blätterte eine Seite ihres Buches um und seufzte, und Shinichi warf ihr einen kurzen Blick zu.

"Wird dir nicht schlecht, wenn du ihm Auto liest?", fragte er.

"Nein", antwortete seine Frau und markierte gedanklich die Stelle, bei der sie gerade war. "Ich habe super Gleichgewichtsorgane, aber das weisst du ja."

"Ich könnte das nicht", kam es von der Rückbank, und Shinichi Jr. lehnte sich vor. "Wenn ich im Auto lesen müsste, würde ich alles vollko-"

"Wir haben verstanden, du brauchst nicht weiterzureden", unterbrach sein Vater, dem diese Vorstellung nicht gefiel, sofort. Miyuki grinste.

"Du müsstest einfach drei Wochen vorher nichts mehr essen, dann passiert das nicht."

"Drei Wochen ohne was zu Mampfen? Das geht nicht!"

"Drei Wochen ist eine lange Zeit, wenn man Hunger hat", sagte Shinichi und fuhr dann mit bestimmter Stimme fort. "Und jetzt Schluss mit dem Thema, wir sind nicht unterwegs, weil wir im Auto lesen sollen."

"Das stimmt", sagte Miyuki zufrieden und nickte, Shinichi Jr. jedoch war plötzlich angriffslustig.

"Warum fahren wir überhaupt so weit? Das Meer hätten wir auch erreichen können, ohne stundenlang hier eingesperrt zu sein. Aber du fährst uns ja bis nach Okinawa."

"Mann, Shinichi, hast du es immer noch nicht kapiert?", stänkerte Miyuki, die nun ebenfalls angriffslustig war. "Die Delphine sind zu dieser Jahreszeit eben häufiger im Süden anzutreffen. Wir können sie nicht einfach rufen und Schwups, sind sie da."

"Dann hätten wir ja warten können, bis sie in der Nähe sind."

"Nein!", sagte Miyuki sofort, und Shinichi gebot Einhalt.

"Ruhe jetzt, alle beide. Ihr könnt euch darüber streiten, wenn ich nicht in der Nähe bin, aber jetzt haltet ihr beide die Klappe, klar?"

Mit Shinichi war jetzt nicht gut Kirschen essen, das erkannten die zwei, und gehorchten, wenn auch etwas widerwillig.

Miyuki versuchte, den Streit zu vergessen, doch ihre Gedanken wanderten von dieser unerfreulichen Sache zu einer noch viel Schlimmeren.

Vor einer Woche ging ein Delphin ihrer Sammlung kaputt, ein Glasdelphin. Durch einen Unfall war er zerbrochen, er war unrettbar verloren. Miyuki war untröstlich gewesen, woraufhin Shinichi, mehr oder weniger widerwillig, ihrem lange gehegten Wunsch zugestimmt hatte. Der heutige Familienausflug war also eigentlich eine Rettungsmission.

FamilientagebuchWhere stories live. Discover now