Ein Nachmittag

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Jay sitzt in der Bibliothek und arbeitet an seinen Hausaufgaben für Kräuterkunde. Eigentlich könnte er das auch im Gemeinschaftsraum machen, doch dort hatten bevor er sich verzogen hat, Natascha und Blaise lautstark mit einigen der Erstklässler diskutiert und das will er sich nicht antun. Er kann sich dabei einfach nicht konzentrieren.

Immerhin ist es hier still und er kommt mit seinen Aufgaben auch voran. „Ist hier noch frei?" Die Stimme erkennt Jay, dafür muss er nicht einmal den Kopf heben und er tut es dennoch um den deutlich älteren Schüler anzusehen, der an seinem Tisch steht. Das die Frage absolut überflüssig ist, immerhin ist der gesamte Tisch, immerhin einer für acht Personen, leer.

„Sicher." Der ältere zieht sich einen Stuhl heraus und setzt sich. Dabei verlassen ihn die grünen Augen nicht einmal für eine Sekunde. „Wieso war neulich nur noch ein Käfig mit Wichtel im Klassenraum, aber kein Lehrer?" „Professor Lockhard hat entschieden lieber die anderen aus dem Klassenraum zu begleiten, als seinen Slytherinschülern zu helfen."

„Er hat den Schwanz eingezogen und ist weggelaufen. Feiges Huhn. Dachte mir schon, dass an seinen Geschichten irgendwas nicht stimmen kann." Jay nickt, immerhin hat er auch zunächst gedacht Romane in der Hand zu halten, erfundene Geschichten mit einem überpowerten Helden. Sich aus einem Coven voller Vampire geflirtet zu haben, so ein Schwachsinn.

„Seid ihr alle in Ordnung gewesen?" „Ja. Keinem von uns ist etwas passiert. Sonst hätten wir jetzt keinen Verteidigungslehrer mehr." Der Huffelpuff lacht. „Das wäre ein neuer Rekord. So schnell hat die Schule bestimmt noch keinen Lehrer verloren. Aber ich nehme an, dass sich euer Hauslehrer doch beschwert hat. Immerhin besprechen wir im Unterricht jetzt nur noch jedes einzelne Kapitel seines Buches."

„Ihr auch? Und ja, unsere Vertrauensschülerin ist beinah ausgerastet. Jetzt bringen uns die Älteren alles für das Jahr bei." „Eine pfiffige Idee. Aber haben die älteren nicht genug mit ihren eigenen Aufgaben zu tun?" Jay schüttelt den Kopf. „Sie sagen, dass es gut sei, dass sie es machen müssen. So wiederholen sie ihre Grundlagen und lernen selbst auch für ihre Prüfungen."

Der Ältere denkt nach und Jay lasst ihn, wendet sich wieder dem Buch vor sich und seinem Aufsatz über magische Weiden zu. Er mag Kräuterkunde, er findet es ziemlich beruhigend sich um die Pflanzen zu kümmern. Als er sein Buch zuklappt und mit seiner Hausaufgabe zufrieden ist, wirft er einen Blick auf die Uhr und entdeckt, dass er sich schon vor zehn Minuten mit Draco hatte treffen wollen.

„Ich muss jetzt los." So schnell wie möglich packt er seine Sachen zusammen, räumt die Bücher zurück und stürmt aus der Bibliothek. Dabei übersieht er seinen Bruder und dessen Freunde, die auf einem der Gänge herumlungern und Nick nutzt die Gelegenheit um Jay ein Bein zu stellen, über das dieser sofort fällt und mit seinem gesamten Gewicht auf dem Boden landet.

Jay fühlt den Schmerz der aufgeschürften Handfläche und Wangen, sowie des angeschlagenen Knies, doch viel schlimmer ist das höhnische Gelächter seines Bruders und dessen Freunde. Er ballt die Fäuste, nicht bereit sich anmerken zu lassen, wie demütigend es ist vor seinem Bruder und dessen Freunden am Boden zu liegen.

Als er versucht sich wieder aufzurappeln bekommt er einen Fuß zwischen die Schultern, der ihn wieder auf den Boden drückt. „Na na. Wer nicht laufen kann, der soll doch lieber am Boden kriechen, meinst du nicht auch? Das ist der Platz für solchen Abschaum wie dich. Da gehören Malfoys hin auf den Boden um Stiefel zu lecken."

In Jay bereitet sich ein mieses Gefühl aus, besonders als vor seiner Nase ein Schuh erscheint. Ein sehr kleiner Schuh. „Leck und bettele und vielleicht lassen wir dich aufstehen." Jay weigert sich und schüttelt seinen Kopf. Nein, das wird er nicht. Nicht vor seinem Bruder, ganz bestimmt nicht. Selbst als ihn der Schuh in seinem Rücken weiter auf den Boden drückt, weigert er sich.

„Oh, sieh mal an, was haben wir denn da?" Scheinbar noch nicht damit zufrieden, klaut nun auch noch einer von Nicks Freunden Jays Tasche und räumt sie aus. Sein Tintenglas zerbricht beim Aufprall auf dem Boden und in der Tintenpfütze finden sich seine Bücher und Federn wieder. Jay wimmert. Seine ganzen Sachen. Das hat alles so viel Geld gekostet und jetzt ist es alles kaputt.

„Was macht ihr da?" In Jay keimt ein Funkeln von Hoffnung auf, als er die Stimme des Mädchens hört. „Spinnt ihr? Ihr könnt doch keinen Mitschüler von euch so behandeln. Komm, ich helfe dir." Vor Jays Gesicht erscheint eine schlanke Hand und er ergreift sie vorsichtig, sodass die junge Frau ihm auf die Beine helfen kann.

„Ihr entschuldigt euch und für jeden von euch fünf Punkte Abzug." Das Mädchen mit der Krawatte der Adler wirbelt herum und stützt die Hände in die Hüfte, während sie den anderen Vertrauensschüler, einen Rotschopf der Löwen, fassungslos ansieht. „Bist du noch ganz bei Trost, Percy? Fünf Punkte und eine Entschuldigung?!"

„Das war doch nur ein harmloser Spaß." „Ein harmloser Spaß? Das ist schweres Mobbing. Neben der Tatsache, dass seine Sachen komplett ruiniert sind. Ich lasse euch damit nicht so leicht davonkommen. Zunächst dreißig Punkte für jedem von euch von Gryffindor. Dann einen Monat Nachsitzen bei Professor Snape, er wird euch über genaueres informieren. Entschuldigen müsst ihr euch trotzdem und natürlich seine Sachen ersetzen."

Sie sieht die Gryffindors, die für das Ganze verantwortlich sind, also Nick, Ron, Ginny und zwei andere Jungs, deren Namen Jay nicht weiß, so lange mit in die Hüfte gestützten Händen an, bis diese nicken. Dann dreht sie sich zu Jay um und die fünf Löwen ergreifen die Flucht. „Du hättest nicht so hart durchgreifen müssen." „Es mögen deine Geschwister sein, aber auch die haben sich an die Egeln zu halten. Komm, ich helfe dir und dann bringe ich dich in den Krankenflügel."

Sie hebt die triefenden Bücher auf und spricht einen Ratzeputz darüber. Die Tinte verschwindet, aber es ist dennoch nicht so gut wie davor. „Für die Federn und die Tinte kann ich nichts mehr machen. Ich werde deinem Vater schreiben, dass er von ihnen das Geld für neue fordern soll. Hier, deine Tasche. Wenigstens haben sie deine Aufsätze nicht kaputt gemacht."

Jay folgt Penelope, wie sich die Adlerin vorgestellt hat, in Richtung der Krankenstation. „Draco." „Was ist mit ihm?" „Ich wollte mich mit ihm treffen und war eh schon zu spät. Er macht sich sicher Sorgen." „Ich werde ihn suchen gehen und ihm bescheid sagen. Du gehst jetzt da rein zu Madam Pomfrey und lässt dich untersuchen." Damit schiebt sie ihn in die Krankenstation.

Im Haus der SchlangenWhere stories live. Discover now