Die Sonne

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Im Nachhinein ist ein jeder meist schlauer, doch oftmals bleibt uns nicht genug Zeit um ausgiebig über eine Entscheidung nachzudenken, vor allem nicht dann wenn Leben auf dem Spiel steht. Yvette Glenn musste mit ihren jungen 20 Jahren lernen, was es hieß eine eben solche Entscheidung zu treffen.

Es war ein schlechtes Jahr gewesen, die Pest hatte gewütet und die Männer dienten in den Truppen des Königs um eine Schlacht zu kämpfen die von vorne herein verloren schien. Die Stadt hatte kaum noch Arbeiter und noch weniger Essen um die noch übrig gebliebenen am Leben zu erhalten. Und falls die Männer zurück kamen so starben sie des Hungers, ebenso wie ihre Frauen und Kinder, Väter und Mütter. Das Königshaus hatte sich durch den Krieg enorm verschuldet und auch die Geldverleiher konnten nicht mehr viel dazu steuern. Diese Stadt war dem Ende geweiht, sofern die Götter nicht ein wenig Gnade walten ließen. Man versuchte den finanziellen Schaden mit Eheschließungen zwischen den Adelshäusern zu verringern, doch auch das funktionierte nur für eine gewisse Zeit. Und wenn man keinen Adelstitel besaß, blieb einem nur noch das Beten. Yvette Glenn verlor ihren Vater und ihre zwei Brüder im Krieg, ihre Mutter sowie ihre Großmutter und ihre Tante hatte die Pest dahingerafft. Wenn der alte Priester nicht so gut zu ihr gewesen wäre und ihr Arbeit verschafft hätte wäre sie des Hungers gestorben, doch so konnte sie sich gerade noch so am Leben halten.

Die Sonne ging schon beinahe unter und Yvette sollte für den Priester auf den Markt gehen und schauen was sie dort bekommen konnte. Es würde nicht viel sein, vielleicht ein Brot und einen Fisch, mehr war nicht zu bekommen. Die Felder waren minimal besetzt und die Fischerboote fuhren nur einmal die Woche hinaus um eine Handvoll Fische zu fangen. Das Wasser aus dem Stadtbrunnen hatte vor einigen Monaten die Pest gebracht, und für die erste Zeit konnten sie dort kein Wasser holen. Der Brunnen des Königshauses wurde einmal am Tag eröffnet, und wenn man sich nicht sputete so bekam man keinen Tropfen, oder man musste teuer dafür bezahlen. Yvette war stets einer der ersten am Brunnen gewesen und bis jetzt hatte sie immer das Glück gehabt einen Eimer voll zu bekommen. Der Markt war nicht viel besucht, es gab wie immer nur den Getreide Stand, einmal in der Woche den Fisch Stand und wenn sie Glück hatten gab es ein wenig Gemüse zu kaufen. Natürlich waren die Preise enorm gestiegen, einen großen Anteil des Preises bekam das Königshaus um die Schulden bei dem Geldverleihern zu begleichen. Die Witwe Larson hatte trotz der wenigen Arbeiter auf den Felder gutes Getreide und Brot anzubieten, auch wenn es teuer war. 3 Silberlinge für ein Brot war ein ordentlicher Preis, den sich kaum noch einer leisten konnte. Wenn das Brot schon alt war so konnte man es für 1 Silberling kaufen. Yvette war allerdings für die Kirche, für den Priester unterwegs, und das wussten die Menschen. Aus Ehrfurcht und Respekt vor der Kirche verkaufte man ihr das Frische Brot für 2 Silberlinge. Sie hatte Glück, es gab noch ein wenig Gemüse und das war garnicht mal so teuer gewesen.

"Guten Tag der Herr." Grüßte sie den alten Bauer der Richards Familie.

"Guten Tag Fräulein Yvette, seid ihr wieder für den Priester unterwegs? Meine Tochter hat heute früh frische Möhren und frische Zwiebeln gebracht, darf ich euch davon etwas anbieten?" Yvette nickte. Sie könnte eine Suppe kochen und dazu das Brot anbieten.

"Was würde mich ein Bündel Möhren und 2 Zwiebeln kosten?" Fragte sie und nahm bereits ihren Geldbeutel hinaus.

"Die Möhren verkaufe ich euch für einen Silberling ebenso die 2 Zwiebeln. Das würde euch 2 Silberlinge kosten meine Liebe." Yvette nickte und lehnte sich ein wenig zu dem Bauer.

"Ich habe einen jungen Mann in der Kirche welcher Arbeit sucht. Ihr müsst ihn nicht mit Silberlingen entlohnen, wenn ihr ihm bloß jede Woche etwas von der Ernte geben könntet für die Kirche. Er ist anständig und fleißig. Er war bei den Truppen gewesen." Der Bauer schien einen Moment lang zu überlegen, doch ganz gleich wie lange er auch überlegte, er brauchte Arbeiter.

"Machen wir es so. Schickt den jungen morgen vor Sonnenaufgang zu mir auf die Felder, ich werde ihn wie versprochen am Ende jeder Woche mit einem Sack voll Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln entlohnen." Yvette lächelte, nahm das Gemüse entgegen und gab dem Bauern 3 Silberlinge.

"Fräulein das ist zuviel." Sagte er.

"Nein, es ist angemessen. Gott soll euch segnen mein Herr." Sagte sie und der Bauer bedankte sich mehrmals für diese Geste. Yvette war in der ganzen Stadt immer freundlich behandelt worden, die Menschen mochten sie. Sie kannten nicht viele die so aufrichtig waren wie Yvette, ganz zu schweigen davon wie schön sie war. Bevor der Krieg begonnen hatte gab es viele Männer die bei ihrem Vater darum baten um Yvettes Hand anhalten zu dürfen, doch keiner von ihnen hatte Yvette zugesagt. Sie wollte nicht des Provits wegen heiraten, sondern der Liebe wegen.

Die Sonne war bereits untergegangen als Yvette die Kirche erreichte, und sofort wurde sie von der Magd Julia ausgeschimpft. Doch Priester Garret kam ihr zur Hilfe.

"Na na Julia, seid nicht so streng mit dem Kind, ich schickte sie zu später Stunde auf den Markt." Julia seufzte und nahm Yvette den Korb aus der Hand und machte sich sofort daran etwas zu kochen, was eigentlich Yvette vorhatte. Doch sie ließ sie machen.

"Pater, ich habe euch etwas zu erzählen, es wird euch sicherlich freuen." Sagte sie lächelnd und Garret streicht ihr durch das zerzauste Haar.

"So sprich mein Kind."

"Ich habe Arbeit für Nicolas gefunden! Auf den Feldern der Richards, morgen vor Sonnenaufgang soll er dort sein, der Bauer entlohnt ihn jede Woche mit einem Sack der Ernte. Das spart uns Geld und Nicolas könnte vielleicht gesegnet werden mit einer Ehefrau. Die Tochter des Bauerns ist noch niemanden versprochen." Garret strahlte vor stolz und umarmte sie. Anfangs hatte Julia an seiner Entscheidung gezweifelt, dass das Mädchen ihm nur unnötige Kosten verursachen würde, doch sie hatte sich geirrt.

...Und bis zum EndeWhere stories live. Discover now