(10) Zum Ersten Mal

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KAPITEL 10
Zum Ersten Mal

Ich war überrascht, wie schnell die Schule zum Alltag wurde. Am Donnerstag erzählte uns ein Haufen Drittklässler von einem Slytherin-Typen, der im Krankenflügel gelandet war, weil er einen Hippogreifen beleidigt hatte. Angeblich sollte der Hippogreif jetzt erhebliche Probleme bekommen. Die Drittklässler schienen alle ziemlich aufgebracht und einige meinten, der Slytherin sollte von der Schule geworfen werden, wegen Dummheit. „Hagrid hat genau gesagt, dass es ungemein gefährlich ist, einen Hippogreifen zu beleidigen", rief Hermine Granger.

Als wäre das nicht genug Drama für ein Frühstück, erreichte uns mit der Morgenpost eine beunruhigende Nachricht im Tagespropheten.

„Sirius Black wurde gesichtet", las Lee vor. Damit verdoppelte sich die Aufregung am Frühstückstisch nur und Lees Erklärungen versanken in einem Stimmengewirr. „Ein Muggel hat ihn gesehen und den Notruf gerufen, aber er war wohl sofort wieder weg."

„Scheiße, das war ganz in der Nähe von hier", rief eine kleine Viertklässlerin und erneut brach ein Stimmengewirr aus. „Was, wenn er nach Hogwarts kommt? Oh Gott, er wird uns sicher alle umbringen!"

Ich starrte auf den Artikel. Erneut blickte mir von der Zeitung der ausgemergelte Verbrecher ins Gesicht. Irgendetwas an seinem eingefallenen Gesicht kam mir unangenehm bekannt vor.

„Hey, Noa, kommst du?", rief Sadie mir zu, „wir haben unsere erste Stunde Alte Runen."

„Eine Sekunde!", rief ich und steckte meine Ausgabe des Tagespropheten in die ohnehin schon volle Tasche, bevor ich hinter Sadie herlief.

In Rosenfeld war Alte Runen ein Pflichtfach gewesen, in dem ich nie sonderlich gut gewesen war, was ich jedoch besser hinkriegen würde als Muggelkunde, Arithmantik und Pflege magischer Geschöpfe.

Gemeinsam liefen wir ein paar Korridore entlang, die mir wirklich komplett unbekannt waren. In irgendeinem hingen nur Gemälde von schwangeren und stillenden Frauen und in einem anderen sah es aus als hätte man ihn seit Gründung der Schule vergessen.

„Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte ich nach gut zehn Minuten. „Oder führst du mich hier gerade absichtlich in irgendwelche abgelegenen Räume um mich zu ärgern?"

Sadie grinste. „Das ist eine Abkürzung", sagte sie. „Durch die Weasley-Zwillinge bin ich eine richtige Expertin in Sachen Geheimgänge."

Den Eindruck, dass wir wirklich schneller am Klassenzimmer ankamen, hatte ich jedoch nicht. Als wir das kleine Klassenzimmer betraten waren die meisten Schüler schon da und wir mussten uns mit einem Pult in der ersten Reihe zufriedengeben.

Dass wir Alte Runen gemeinsam mit einigen Ravenclaws hatten, machte das Ganze auch nicht besser. Nicht allzu weit entfernt von mir saß Tomas Southwark und ich merkte, dass er dem Typen neben sich eine ausführliche Geschichte erzählte, bei der sie beide abwechselnd immer wieder zu mir starrten.

„Wer ist das?", fragte Sadie, die die Blicke auch bemerkt hatte.

„Tomas Southwark", erklärte ich. „Er und seine Schwester kommen eigentlich aus Amerika, aber sie sind vor einigen Jahren in mein Dorf in Deutschland gezogen. Vor ein paar Monaten sind sie nach Dublin ausgewandert." Ich musterte Tomas Southwark erneut. „Ich hab nicht erwartet, dass sie nach Hogwarts kommen würden", fügte ich mit gedämpfter Stimme hinzu.

„Und warum starrt er so?" Doch genau in der Sekunde betrat eine Hexe das Klassenzimmer, die sich als Professor Babbling vorstellte und sehr freundlich rüberkam.

Im Laufe der Stunde stellte sich heraus, dass die Schüler in Hogwarts längst nicht so weit waren, wie ich in Rosenfeld gekommen war. Zum ersten Mal dieses Schuljahr hatte ich das Gefühl, nicht zu versagen. Dass ich Gryffindor sogar zwei Punkte verdiente, wurde der Höhepunkt der Tages und zum Ende der Stunde verließ ich den Klassenraum mit einem Lächeln auf den Lippen.

Am Nachmittag hatten wir frei und ich verbrachte einige Stunden damit, mit Sadie auf ihrem Bett zu liegen und Musik aus ihrer riesigen CD-Sammlung zu hören, während ich die Fotos und Poster an ihrer Wand betrachtete. Die meisten davon zeigten sie, Olivia und Vic, die grinsend in die Kamera winkten.

Seufzend richtete Sadie sich nach einer Weile auf. „Wir sollten uns langsam an die Hausaufgaben machen", sagte sie.

Stöhnend nickte ich uns mit Pergament, Büchern und Federn setzten wir uns im Gemeinschaftsraum an einen freien Tisch. Die Hausaufgaben in Alte Runen waren schnell erledigt, die in Zaubertränke jedoch ... nicht so sehr.

Snape hatte direkt zu Beginn des Schuljahres einen ellenlangen und komplizierten Aufsatz verlangt und ich fühlte mich verwirrt von all den englischen Fremdwörtern in meinem Schulbuch.

„Kann man dir helfen?" Hinter mir ertönte die Stimme von Fred, zum ersten Mal ohne George oder Lee.

„Vielleicht schon", sagte ich leise. „Es gibt komische Wörter im Englischen."

Grinsend setzte er sich hin und erklärte mir die Wörter so gut er konnte. Nicht, dass ich das Buch danach besser verstand, aber immerhin kannte ich ein paar Wörter mehr.

„Fred Weasley macht freiwillig Hausaufgaben", sagte Sadie kopfschüttelnd. „Ich bin beeindruckt. Noa scheint einen guten Einfluss auf dich zu haben."

„Natürlich." Er grinste wieder. „Für meine liebe Noa tue ich doch alles."

Ich warf Sadie einen Blick zu und sie lachte leise.

„Noa, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du schon Neuigkeiten von deinem Freund bekommen hast.", sagte Fred dann.

Ich schüttelte den Kopf. „Er hat noch nicht geantwortet. Aber eigentlich kann es nicht mehr lange dauern."

„Ich hoffe es geht schnell. Nächste Woche soll die Aktion laufen."

„Ich tue was ich kann", sagte ich und rollte das Pergament zusammen.

Sadie sah von ihren Hausaufgaben auf. „Was habt ihr vor?"

„Nichts, O'Shea", sagte Fred lachend. Sie stieß ihm grinsend in die Seite. „Das wirst du früh genug herausfinden."

Das Paket erreichte mich am Freitagnachmittag. Fünf Eulen hatten das Paket angeschleppt und alle sahen recht erschöpft aus, als sie sich auf mein Bett fallen ließen. Auf das Paket hatte Dan eine einzige Notiz gekritzelt: Öffne das nur, wenn du alleine bist.

Ich folgte seiner Anweisung und tatsächlich, neben einem Dutzend Schleimbomben lag in dem Paket auch ein kleines, eingepacktes Bündel. Vorsichtig befreite ich das Innere vom Packpapier.

In dem kleinen Bündel befand sich eine Art Medaillon. Daneben eine weitere handschriftliche Notiz: Noa, ich habe dieses Medaillon in einem Laden in Berlin gefunden. Es soll Zauberer vor allen möglichen schlimmen Dingen bewahren. Keine Ahnung, ob ich an dieses Zeugs glauben soll, aber ich dachte, dass es dich vielleicht ein bisschen aufmuntern würde. Grüße, Dan

Ich lächelte und entwirrte die Kette des Medaillons, ehe ich es mir um den Hals hängte. Der Anhänger lag schwer an meiner Brust, als ich ihn unter das Hemd meiner Uniform schob. Irgendwie hatte Dan tatsächlich Recht, das Medaillon und vor allem seine Geste munterte mich auf. Er und Emilia würden mich wohl tatsächlich nicht so schnell vergessen.

Schnell schob ich den Karton mit den Schleimbomben unter mein Bett und versorgte die Eulen mit Wasser und den paar Eulenkräckern die ich besaß. Lächelnd tastete ich noch einmal nach dem Medaillon. Es würde ganz sicher alles gut werden. Und dann lächelte ich noch breiter. Zum ersten Mal seit Monaten konnte ich wieder optimistisch denken.

SINISTER || Harry Potter FFWhere stories live. Discover now