Kapitel 6

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Am Abend versuchte ich, mehr Informationen zu finden. Ich hatte mitbekommen, wie er an meinem Zimmer vorbei zum Bad schlich, beinahe hätte ich das Knarren der Dielen nicht gehört. Manchmal war ich fasziniert, wie leise er sich fortbewegen konnte.

Er duschte, also würde ich etwas Zeit haben, mich in 'seinem' Zimmer umzuschauen.

Die Möbel standen noch immer so, dass in der Mitte des Raumes eine freie Fläche war, doch es war alles sauber gehalten, nichts lag herum, sein Schlafanzug lag ordentlich auf seinem Bett, wahrscheinlich hatte er ihn vergessen. Sonst deutete nichts darauf hin, dass jemand in dem Zimmer wohnte.

Unter dem Bett fand ich seinen Koffer und beschloss, dort anzufangen.

Ich klappte ihn auf und fand ein paar Klamotten, die ich zur Seite legte. Darunter fand ich einen kleinen Bilderrahmen. Das Foto schien schon älter zu sein und war etwas zu klein für den Rahmen, das Motiv ließ mich schlucken. Eine junge Frau mit einem kleinen Jungen auf dem Arm, der unbekümmert in die Kamera lachte. Sie sah erschöpft aus, aber glücklich, und so wie sie ihn ansah, war er ihr ganzer Stolz.

Es musste Jimin sein. Außer den schwarzen Haaren war kaum eine Ähnlichkeit zu erkennen, ich hatte ihn noch nicht ansatzweise lachen sehen. Ich fragte mich, ob seine Augen immer noch zusammengekniffen wären.

Ich schüttelte den Kopf und damit den Gedanken ab und legte den Rahmen vorsichtig auf das Bett, um nicht versehentlich drauf zu treten.

Im Koffer lagen noch ein abgegriffenes Buch über die Geschichte des Tanzes, eine kleine Verbandstasche und  einige lose Stifte. Außerdem fand ich ein unauffälliges Büchlein mit schwarzem Einband. Das sah doch vielversprechend aus.

"Was machst du da?"

Wütend stürmte der Schwarzhaarige auf mich zu und riss mir das schmale Buch aus der Hand, warf es unachtsam auf das Bett und zerrte mich an meinem Pulli auf die Beine.

"Was fällt dir eigentlich ein, meine Sachen zu durchwühlen?", regte er sich auf, als ich mich losriss und ihn von mir stieß.

"Irgendwas muss ich doch finden, um dich loszuwerden!" Ich konnte die Worte nur zwischen meinen Zähnen hindurch pressen. Dass er mich so überrascht hatte, verletzte meinen Stolz.

Seine Augen zeigten Schock und Ärger, er war außer sich über mein Verhalten. Irgendwie verständlich, aber was soll's, war ja nicht mein Problem.

"Kannst du mir nicht wenigstens die letzten drei Tage ein ruhiges Leben gönnen?", schrie mich an. Ich hoffte, meine Eltern schliefen bereits. Es würde nicht lustig werden, wenn sie plötzlich auftauchen würden und er mich verpetzte.

"Was meinst du damit?", zischte ich zurück und ließ meinen Blick über seinen Körper gleiten. Er hatte nur ein Handtuch um die Hüften gewunden und ich war geschockt von dem, was ich sah. Zum Einen waren da diese Muskeln, die ich ihm niemals zugetraut hätte, zum Anderen diese Narben. Kleine, weiße Flecken über seine Brust verteilt, ein paar auch auf seinem Bauch.

Er schien unter meinem Blick etwas zu schrumpfen, als meine Augen aber seine wiederfanden, hob er herausfordernd das Kinn.

"In drei Tagen ist die Probezeit um, dann bin ich eh weg. Aber lass mich und meine Sachen bis dahin in Ruhe."

Innerhalb von zehn Sekunden schien er wieder völlig ruhig und sprach leise und kontrolliert, als wäre er nicht im Geringsten von mir genervt.

Ich verschränkte meine Arme und ließ meinen Blick nochmal provozierend über ihn wandern, bevor ich mit den Schultern zuckte.

"Meinetwegen."

Ich hörte, wie er leise den Atem ausstieß. Für einen Moment überlegte ich, ihm das Handtuch runter zu ziehen, aber das ging dann doch zu weit. Sein Gesicht wäre bestimmt lustig gewesen.

Ohne ein weiteres Wort verließ ich sein Zimmer und beschloss, mich auch bettfertig zu machen.
Er würde von selbst verschwinden. Wer hätte das gedacht?

- - -

So, ich habe irgendwie heute Zeit und Lust, ich werde einfach so weit veröffentlichen, wie ich komme! XD

LG SerenaTopas

Brother's Love // YoonMinOù les histoires vivent. Découvrez maintenant