Kapitel 4

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Erschrocken fuhr Ruben herum und vergaß den Zettel zu verbergen. Schnell versteckte er ihn hinter seinem Rücken, aber es war natürlich zu spät. Der Wolfsmensch hatte ihn gesehen. Mit einem Schritt war er bei der Zellentür und betrat die Zelle. Zitternd wich Ruben an die Wand zurück. Der Wolfsmensch sah in diesem Moment aus wie ein Dämon. Mit drohenden Schritten trat er auf ihn zu.

"Ich frag dich nicht noch einmal. Was hast du da?"

Zitternd holte Ruben das zerknitterte Stück Papier vor und streckte es dem Wolfsmenschen entgegen. Der nahm es und begann nach einem warnenden Blick in Richtung Ruben zu lesen. Ein lauter Fluch ließ den Jungen zusammen fahren. Der Wolfsmensch schloss für einen kurzen Moment die Augen.

"Verdammt Lya. Das kostet dich nochmal den Kopf."

Dann sah er wieder Ruben an.

"Kein Wort von dem Zettel zu niemanden. Ich würde persönlich dafür sorgen, dass du den Verrat bereuen wirst."

Seine Stimme ähnelte eher dem Knurren eines Wolfes als dem eines Menschen. Ruben nickte verängstigt. Der Wolfsmensch verließ die Zelle wieder und stellte sich in den Gang. Ruben wagte es eine ganze Weile nicht sich zu bewegen. Aber der Wolfsmensch, der Tyr hieß, wenn der Schreiber des Zettels nicht log, tat nichts weiter. Langsam entspannte sich Ruben wieder.

"Könntest du mich hier raus holen, wenn ich dich darum bitten würde?"

Die Frage des Jungen riss Tyr aus seinen Gedanken, wie er Lya am besten zusammen stauchen konnte.

"Nein", erwiderte er.

Für einen kurzen Moment schwieg der Junge.

"Wirst du meine Leute aufhalten, wenn sie mich befreien kommen?"

Die Stimme des Jungen klang eher neugierig als ängstlich.

"Es liegt nicht in meinem Interesse dich noch länger hier zu behalten", wich Tyr der Frage aus.

Lya würde wollen, dass der Junge frei kam. Aber das mussten sein Vater und das Alphapaar entscheiden. Der Junge gehörte zu einer Gruppe von aufständischen Menschen. Von daher bezweifelte Tyr, dass er von allein freigelassen werden würde.

"Du magst diese Lya. Hab ich recht?"

Tyr schwieg. Aber davon ließ sich der Junge nicht einschüchtern.

"Mein Name ist übrigens Ruben und ich mag auch ein Mädchen aus unserer Gemeinschaft, aber sie weiß noch nichts davon."

Danach war es still. Anscheinend wusste der Junge, Ruben, auch nicht mehr was er erzählen konnte. Als Tyr nach einer ganzen Weile einen Blick zu Ruben warf, hatte sich dieser auf dem Zellenboden ausgestreckt. Seine Augen waren geschlossen, sein Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig. Er war eingeschlafen. Als seine Wachablösung kam, spürte Tyr Erleichterung, dass es nur Ronwe war. Er sagte nie viel und hielt sich auch sonst eher im Hintergrund. Aber Tyr war mit ihm aufgewachsen und hatte ihn noch nie unnötig grausam erlebt. Er übernahm auch oft das erste Training der Wolfskinder. Deshalb nickte er ihm nur kurz zu, warf noch einen kurzen Blick zum schlafenden Ruben und machte sich dann auf den Weg, um Lya zu suchen.

Lya war gerade damit beschäftigt den Boden in der großen Halle zu schrubben als die Tür aufging und Balan herein kam. Lya zuckte zusammen und schaute schnell auf den Boden, damit er ihr Erschrecken nicht sah. Sie spürte förmlich wie sein Blick durch die Halle wanderte und registrierte, dass nur sie hier war.

"Ah Tyrs Mädchen. Ist ja selten dich ohne deinen Wachhund anzutreffen. Wo ist er denn?"

Lya hörte den Spott in seiner Stimme und zwang sich ihre Stimme ruhig und fest klingen zu lassen.

"Er ist gerade als Wachdienst für den Jungen eingeteilt."

Sofort dachte sie an den Brief, den sie ins Brot geschmuggelt hatte und hoffte Balan würde nicht weiter darauf eingehen. Das tat er zum Glück auch nicht. Also schrubbte Lya weiter. Seine Augen beobachteten sie genau. Dann spuckte er demonstrativ auf den Boden. Lya erstarrte.

"Oh je, könntest du das vielleicht gleich mit weg machen", sagte er in gespieltem Entsetzen.

Lya biss die Zähne zusammen und nahm sich den Lappen aus dem Eimer. Natürlich trat Balan nicht zur Seite. Also musste sich Lya vor ihn hin knien, um die Spucke wegwischen zu können. Sie versuchte nicht vor Ekel zu erschaudern und beeilte sich. Plötzlich griff seine Hand grob in ihr Haar und zog sie nach oben. Lya schrie auf.

"Na das war aber nicht ordentlich. Glaubst du es gibt Sonderrechte nur weil du Tyrs kleine Freundin bist."

Er schubste sie so heftig von sich, dass sie über den Boden schlitterte und den Wassereimer umriss. Sie stöhnte auf und betastete ihr schmerzende Hüfte, die vermutlich geprellt war. Sie sah auf, als sie Schritte hörte und krabbelte panisch rückwärts als sie Balan auf sich zukommen sah. In seinen Augen glomm Befriedigung und das Verlangen nach mehr.

"Es reicht Balan."

Lya hätte fast erleichtert geschluchzt, als sie die herrische Stimme von der Tür aus hörte. Balan erstarrte und drehte sich zu Alastor um.

"Seid ihr dem Mädchen etwa auch verfallen oder beschützt ihr es um euren Sohn willen?", Balans Stimme war getränkt vom maßlosen Zorn unterbrochen worden zu sein.

Alastors Blick war so schneidend, dass Lya froh war halb hinter Balan verborgen zu sein.

"Du überschreitest deine Befugnisse. Muss ich dich erst erinnern, wo dein Platz ist und dass dir nicht gestattet ist so mit deinem Herrführer zu sprechen?"

Alastors Worte waren gefährlich ruhig gesprochen. Anders als Balans blinde Wut zügelte Alastor seine Macht und setzte sie zielgerichtet ein. Es war deutlich, wer hier die Oberhand hatte. Balan senkte angespannt den Kopf. Es war ein Zeichen, dass er verstanden hatte. Alastor nickte gnädig und trat beiseite. Balan verschwand aus der Halle.

"Danke, Herr", murmelte Lya und begann immer noch etwas zittrig das ausgelaufene Wasser aufzuwischen.

"Du schuldest mir keinen Dank. Balan vergisst viel zu oft die Hierarchien. Es ist meine Aufgabe ihn daran zu erinnern", erreichten Lya Alastors kühle Worte.

Sie zog den Kopf ein und nickte. Ihr Schmerz in der Hüfte hatte sich verschlimmert und sie zuckte zusammen, als sie sich zum Wassereimer umdrehte.

"Du tust lieber gut daran meinem Sohn deine Verletzung zu verheimlichen. Sonst bringt er Balan um und das würde seinen eigenen Tod bringen, weil er Rache für ein Vergehen genommen hat, das in dieser Zeit kein Vergehen ist."

Verstohlen wischte Lya sich die Tränen weg als Alastor ging, um sie mit der Arbeit allein zu lassen und dem Wissen, dass er Recht hatte.

Spiel der Wölfe Tyr & LyaWhere stories live. Discover now