Kapitel 20

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Es war soweit. Lya zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und rückte näher zu Saige. Sie standen auf dem großen Platz der Stadt. In der Mitte war eine Art Podest aufgebaut. Wolfsmenschen standen drum herum und bewachten es nicht nur, sondern hielten auch die Menschenmenge zurück. Unruhiges Gemurmel ertönte von überall. Die Leute waren verunsichert und wussten nicht, was sie von diesem Spektakel halten sollten. Plötzlich wurden Rufe laut und die Menge teilte sich auf der gegenüberliegenden Seite. Lya stellte sich auf die Zehenspitzen. Eine Prozession von Wolfsmenschen marschierte auf. Ganz vorne mit dabei waren Lord Amon, Lady Ylva und ihr Herrenführer Alastor. Lya erschauderte. Sie hatte gehofft diese Wolfsmenschen nie wieder zu sehen. Unwillkürlich hielt sie nach Tyr Ausschau, obwohl sie wusste, dass er sich genauso in der Menge versteckt hielt wie sie. Zumindest jetzt noch. Nachdem sich Lord Amon und Lady Ylva gut sichtbar an den Rand des Podest gestellt hatten, kam Bewegung in die Wolfsmenschen. Eine Gestalt wurde nach vorne gezerrt. Sobald ihm die Kapuze vom Kopf gezogen wurde, stieß Lya einen erstickten Schrei aus. Zum Glück ging er den erschrockenen Rufen der Menschen unter. Die Person dort vorne harte wenig Ähnlichkeit mit dem Zach den sie kennengelernt hatte. Sein Schädel war kahl geschoren. Brandnarben zierten ihn. Seine beiden Augen waren zugeschwollen. Da er sich kaum auf den Beinen halten konnte, wurde er an einen Pfahl gebunden. Lord Amon trat vor.

"Seht ihn euch gut an", rief er und die Menge verstummte sofort.

"Das geschieht mit Rebellen, die den Frieden und die Sicherheit unseres Reiches gefährden bevor sie in den Tod geschickt werden. Wir werden mit jedem Aufständigen so verfahren. Und sollte es einen Verdächtigen geben, wird auch seine Familie in Verdacht stehen. Ich rate euch im besten Sinne nicht mit den Rebellen zu sympathisieren. Sonst könnte als nächstes euer Kind dort stehen", beendete er seine Rede.

Mütter drückten sofort ihre Kinder an sich und schauten sich misstrauisch um. Lord Amon hatte die Angst unter den Menschen geschnürt. Viele würden es sich nun dreimal überlegen, ob sie die Rebellen unterstützen. Diesmal trat Lady Ylva vor.

"Dieser Rebell ist zum Tode verurteilt wegen unerlaubtem Waffenbesitz und dem Mitwirken bei friedensgefährdeten Aktionen."

Sie warf der Menge ein grausames Lächeln zu.

"Hat jemand etwas einzuwenden?"

Alle schwiegen. Unruhig trat Lya von einem Fuß auf den anderen. Wann würden die Rebellen zu schlagen? Offensichtlich noch nicht, denn Lady Ylva trat zurück. Alastor trat vor. Er wandte sich nicht ein einziges mal an die Menge, sondern Schritt gleich zu Zach. Lya glaubte nicht, dass er irgendwas von der Rede mitbekommen hatte. Aber Alastor sagte etwas zu ihm und da hob er den Kopf. Sie sah wie er seine Lippen mühsam bewegte, verstand aber nicht was er sagte. Sobald er fertig war, sank sein Kopf wieder auf die Brust. Alastor zog sein Schwert. Bevor er seinen Schlag ausführen konnte, würde etwas auf die Bühne geworfen. Es explodierte und setzte sofort alles in Brand. Schreiend flüchteten die Menschen, die ganz vorne standen und rissen die Leute, die hinter ihnen standen fast um. Eine Massenpanik brach aus als weitere Geschosse das Podest trafen. Die Rebellen hatten eingegriffen. Saige nahm Lya am Arm und zerrte mich weg von den panischen Menschen. Das Podest war nun vollständig in Rauch gehüllt. Lya meinte eine Gestalt zu sehen, die aufs Podest sprang. Ihr Herz blieb kurz stehen als es so aussah als würden Flammen die Gestalt verschlingen. Die Wolfsmenschen versuchten verzweifelt die Flammen zu löschen und das Chaos zu beseitigen. Gleichzeitig wurden sie von den Rebellen bedrängt. Auf einmal spürte Lya wie sich Saiges Hand von ihrem Arm löste. Sie fuhr herum. Ein Mann hatte sich zwischen sie gedrängt, um zu flüchten. Sobald sie getrennt waren, schob sich die Menge zwischen sie.

"Saige?", rief Lya und bekam einen Ellenbogen in die Seite gerammt als sie einen Schritt nach vorne machte.

Lya stolperte und setzte schließlich auch ihre Ellenbogen ein, um sich einen Weg zu bahnen. Aber die Menge drängte sie weg. Lya sah zum Podest. Die Flammen hatten es nun vollständig eingehüllt. Laute Rufe drangen an ihr Ohr und sie sah wie Alastor den Wolfsmenschen Befehle zu rief. Langsam formatierten sie sich wieder. Lya hoffte, dass die Rebellen mit Zach fliehen konnten und wollte sich gerade umdrehen, um nach Hause zu gehen und dort auf Saige zu warten, als sie Reed sah. Er kämpfte sich Richtung Podest vor. Aus einem Impuls folgte sie ihm und schob sich durch die Menge.

"Reed", rief Lya aber er hörte sie nicht.

Lya wunderte sich, dass er zurück lief und spähte in die Richtung in der er lief. Sie sah zwei Wolfsmenschen miteinander kämpfen. Lyas Herz setzte kurz aus als sie bemerkte, dass einer davon Tyr war. Sie sah zu Reed, der nun wesentlich schneller voran kam. Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen Dolch. Er sah sich um, als wolle er sicher gehen, dass ihn keiner beobachtete. Nein, erkannte Lya seine Absicht. Er schaute sich um, ob ihn jemand an seinen Vorhaben hindern konnte. Und das war bestimmt nicht Tyr zu helfen.

"Reed nicht", schrie Lya und rannte los.

Sie verlor ihn aus den Augen. Ihr Herz raste. Sie musste zu Tyr und ihn warnen. Endlich brach Lya durch die Menge und sah wie Reed vor dem Rücken einer Gestalt stand und den Dolch hob.

"Tyr, pass auf?"

Ihr Schrei erreichte ihn zu spät. Er wirbelte herum, genau in diesem Moment stach Reed zu und erwischte Tyr in der Brust.

"Nein!"

Lya sah wie Tyr zu Boden ging. Reed ließ seinen Dolch stecken und drehte sich um als er ihre Stimme hörte. Er warf ihr einen hasserfüllten Blick zu und flüchtete in die Menge. Lya ließ ihn laufen und rannte zu Tyr. Sobald sie ihn erreicht hatte, fiel sie neben ihn auf die Knie.

"Tyr?", fragte sie mit zitternder Stimme.

Das Blut hatte seine Kleidung vorne völlig durchnässt.

"Lya", krächzte er, "geh! Du bist nicht sicher."

Atemlos schloss er die Augen. Lya riss seinen Mantel auseinander und sein Hemd auf. Sie musste die Blutung unbedingt stoppen.

Spiel der Wölfe Tyr & LyaWhere stories live. Discover now