Kapitel 28 | Ein längst überfälliges Gespräch II

676 98 96
                                    


Am Freitag sollte sein Tag jedoch anders verlaufen. Zunächst einmal war Frau Wasabi wieder da – ein Umstand, von dem Miles noch nicht wusste, ob er ihm gefiel oder nicht. Sie fragte natürlich nach, ob die Vertretung von Herrn Trivial in Ordnung gewesen wäre und ob er das neue Thema bereits angefangen hätte. Miles' Klassenkameraden verneinten und so kam die Diskussion von letzter Woche über das Massaker der Knuffel-Gasse wieder hoch.

Das Thema war in der vergangenen Woche so oft durch die Medien gegangen wie eine Kuh eine Mahlzeit verdaute, aber anscheinend mit wenig neuen Erkenntnissen, wie Miles dachte, der selbst keine Nachrichten verfolgte.

Wie vorhergesehen schienen die Spuren auf eine mysteriöse Sekte hinzudeuten. Und weil Frau Wasabi Frau Wasabi war, ließ sie die Diskussion in der Klasse zu und nahm nacheinander die einzelnen Schüler dran.

Währenddessen beschoss Miles sie mit finsteren Blicken. Er hatte ihr Gespräch vor den Sommerferien nicht vergessen und nahm ihr ihre Reaktion nach wie vor übel.

„Ich sage es noch einmal", fuhr Miles irgendwann dazwischen und ohne sich zu melden. „Das war ein Mann. Ein schwarzer Magier, der anscheinend gläubige Menschen hasst!"

Wie nicht anders erwartet lachten einige, aber Frau Wasabi ging darauf ein.

„Was macht dich da so sicher?", fragte sie.

„Weil ich den Typ gesehen hab, darum!", erwiderte er biestig.

Wieder lachten seine Mitschüler, während Martin sich zu ihm umdrehte.

„Uh, Miles sieht schon schwarze Magier!", witzelte er.

„Ja, ich kann ein paar Dinge wahrnehmen, die Typen wie dir verborgen bleiben", konterte er biestig. „Vermutlich wirst du auch nicht die Faust sehen, die nächste Pause auf dein Gesicht zusteuert!"

Die folgende Unruhe zwang Frau Wasabi zum Eingreifen. „Miles, ich glaube, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, hier eine Show abzuziehen", wies sie ihn zurecht. „Sowieso haben wir nicht die Zeit, noch länger über das Thema zu diskutieren. Wir können aber nächste Woche gerne wieder darauf eingehen, schließlich hält dieser Vorfall die ganze Stadt in Aufruhr. Lasst uns also bitte zu unserem neuen Unterrichtsthema kommen."

Und so folgte der Unterricht seinem gewohnten Lauf. Ihr neues Thema war die französische Revolution, ein Thema, dass Miles überhaupt nicht zusagte. Schließlich hatten doch nur die Franzosen damit etwas am Hut. Also folgte er mit seiner üblichen Semi-Aufmerksamkeit dem Geschehen, bis die Pausenglocke endlich das Ende der Stunde verkündete.

„Gut, vergesst nicht, welche Texte ihr zur nächsten Woche lesen sollt", teilte Frau Wasabi ihnen noch mit. „Ich wünsche euch einen guten Start ins Wochenende. Miles, kommst du bitte noch mal zu mir."

Miles, der bereits seine Tasche gepackt und gerade dabei gewesen war, zu seinem Kumpel Däx aufzuschließen, hielt inne.

„Scheint, du bekommst schon wieder Ärger, Loser!", wisperte ihm Martin zu, als er ihm im Vorbeigehen absichtlich anrempelte.

„Hol dir einfach einen runter!", zischte er zurück und bedeutete Däx, schon mal vorzugehen. Mit grimmiger Miene schlurfte Miles nach vorne, während sich der Raum hinter ihm leerte.

„Und?", fragte er patzig. „Was habe ich jetzt wieder getan?"

Frau Wasabi hielt beim Packen ihrer eigenen Tasche inne. „Gar nichts, Miles. Ich bin heute mit dem Auto hier und wollte dir anbieten, dich zu deinem Sozialkurs an der Hochschule mitzu..."

„Danke, ich verzichte", erwiderte er unwirsch.

„Ich gebe da heute nämlich einen Anfängerkurs." Sie warf ihm eine bedeutsamen Blick zu. „Außerdem wollte ich mit dir reden."

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now