Kapitel 39 | Feuerprobe II

554 91 74
                                    

„Hey, was ist denn mit dir los? Dein Gesicht sieht selbst für einen Montag zu bedrückt aus."

Fragend und besorgt blickte Cora ihn an. Sie hatten sich bereits an der Bushaltestelle vor der Hochschule getroffen und wie es aussah, versagte er auch bei der Neuntklässlerin, was das Sich-ganz-normal-verhalten anging.

„Ach, ich bin einfach nicht gut drauf", wich er der Frage aus.

„Oh, dann weiß ich, was du brauchst." Ohne Vorwarnung nahm sie ihn in den Arm und drückte ihn an sich. Das Ganze kam für Miles so unerwartet, dass er die Geste nicht erwiderte. Was, wenn Katy ihn dabei sah?

Cora blieb seine Reaktion natürlich nicht verborgen und löste sich wieder von ihm. „Okay, was ist passiert?", fragte sie mit zerknirschtem Gesichtsausdruck. „Normalerweise heben Free Hugs nämlich die Stimmung."

Miles brummte nur. „Können wir das Thema wechseln?"

Einen Moment sah es so aus, als wollte das Mädchen sich an der Sache festbeißen wie ein Terrier am Hosenzipfel seines Herrchens, doch dann änderte sich der Ausdruck in ihrem Gesicht.

„Okay", sagte sie unbeschwert. „Ich habe mich am Wochenende mit Flip getroffen."

Miles horchte auf, dankbar dass sie ihn von seinen unruhigen Gedanken ablenkte.

„Ihr seht euch in letzter Zeit ziemlich häufig", stellte er fest, während sie den großen Hof vor dem alten Gebäude überquerten. Eine Brise kam auf und wirbelte die vom Herbst bemalten Ahornblätter durch die Luft, ganz als fühlten sie sich von Coras Gesichtsfarbe in den Schatten gestellt.

„Nicht so eine Art Treffen!", sagte sie sofort. „Ich habe dich angeschrieben, aber du hast nicht geantwortet."

Miles nickte. Stimmt, er hatte mit Katy geschrieben, bevor He aufgekreuzt war.

„Jedenfalls", fuhr Cora fort, „waren wir zusammen in der Hochschulbibliothek und haben Bücher gewälzt."

„Klingt spaßig."

„Witzig." Cora streckte ihm die Zunge raus. „Wir waren auch nicht zum Spaßhaben dort."

„Stimmt, dann hättet ihr euch ein Hotelzimmer genommen."

Abermals lief Cora puterrot an und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. „Miles", sagte sie beschämt. „Hör auf damit. Ich habe nichts mit Flip."

„Noch nicht", erwiderte Miles und diesmal war er es, der ihr die Zunge rausstreckte. „Denn normalerweise ist das doch genau deine Art von Humor. Du wirst immer nur rot, wenn ich Flip ..."

„Jedenfalls haben wir ein bisschen herumgeforscht", unterbrach sie ihn barsch, als er die Tür zur Hochschule öffnete.

„Uh, so ganz schamlos und öffentlich in der Bibliothek? Und die haben euch nicht rausgeworfen?"

„Miles!" Ein paar Köpfe der im Foyer quasselnden Schüler drehten sich herum und hastig senkte sie ihre Stimme. „Noch ein zweideutiger Kommentar und es setzt was. Ich versuche dir gerade, unsere Fortschritte mitzuteilen."

Miles hob die Augenbrauen. „Du, eigentlich wollte ich das nicht im Detail erfahren."

Cora blieb stehen und warf ihm einen genervten Blick zu.

„Was?", fragte Miles unschuldig. „Dieser Kommentar war eindeutig zweideutig."

Er grinste. Und Cora lächelte zurück.

„Auch wenn es gerade auf meine Kosten geschieht", sagte sie zögernd, „dieses dämliche Grinsen steht dir schon viel besser. Dennoch ..." Sanft packte sie ihn am Arm und zog ihn etwas abseits in eine Nische, bevor sie noch einmal misstrauisch umherblickte und sich dann verschwörerisch zu ihm hinüber beugte.

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now