Kapitel 39 | Feuerprobe III

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Miles ballte die Hände zusammen und richtete sich auf. Wassertropfen flohen wie von einem sinkenden Schiff aus seinen Haaren und tropften zurück auf den Boden, von wo Cora sie vermutlich aufgelesen hatte.

„Leute, ich hab genug von eurer Scheiße!", knurrte er.

Cora blieb unbeeindruckt. „Jetzt rede mit uns, oder ich sage Katy, dass du nur acht Zentimeter in der Hose hast!"

Miles schnappte nach Luft. „Als ob sie dir so'n Mist abkaufen würde!"

„Stimmt", sagte Cora. „Macht aber nichts, sie wird dich eh nie ranlassen."

„Sei still!"

Cora hob eine Augenbraue. Die Worte waren leise gewesen, aber in Intensität einem Sturzbach in nichts nachstehend.

„Oh, wir kommen der Sache also näher. Hattet ihr am Sonntag etwa ein Date und sie hat dich abserviert?"

„Cora, ich sagte, sei still!"

Er bemerkte, wie sie und Flip einen hastigen Blick tauschten, wobei der Empath leicht den Kopf schüttelte. Was wurde das hier? Ein Verhör?

„Sorgst du dich also darum, dass dich eh nie ein Mädel ranlassen wird?"

„Cora ..."

„Oder eher die Sorge, dass dich niemand lieb haben wird?"

„Ich sagte: SEI STILL!"

Bei den letzten Worten fingen seine Hände Feuer. Er hatte nie gedacht, dass er seine Gabe mal gegen seine Freunde einsetzen müsste, aber er sah keinen anderen Ausweg mehr. Er war bereits zu spät für seinen Kurs und würde unzweifelhaft auffallen – und das konnte er sich einfach nicht mehr erlauben! Er wollte nicht gegen die beiden kämpfen. Hoffentlich würden sie ihn eingeschüchtert gehen lassen.

Das laute Scheppern gewaltsam aufgestoßener Klodeckel verdrängte seine Hoffnung. Wasser strömte aus den Kabinen hervor, kringelte sich, formte schlangenähnliche Körper in der Luft, die sich zwischen ihn und Cora stellten. Tropfen begannen sich vom Boden zu lösen, erhoben sich schwerelos und trieben träge vor Miles' Augen herum.

Der Anblick war ... weniger episch als es Miles zuerst vorkam – kein Wunder, wenn er bedachte, dass sie kein Wasser aus den Wasserhähnen nehmen konnte, ohne diese aufzuschrauben. Unwillkürlich fragte er sich beim Anblick der Pissoirschlangen, wie viele Jungs hier heute schon ihr kleines Geschäft erledigt hatten.

Cora schien seine Gedanken aufzufangen, denn sie starrte nur selbstbewusst zu ihm hinüber.

„Könnte etwas widerwärtig für dich werden", sagte sie. „Ich lasse es drauf ankommen."

Miles knurrte und die Flammen an seinen Händen schwollen weiter an. Ein Magierduell in der Toilette der Hochschule konnte er überhaupt nicht gebrauchen, schon gar nicht mit seiner besten Freundin!

„Jetzt kommt endlich wieder zu Sinnen, alle beide!", griff Flip ein und stellte sich zwischen sie. „Ihr seid beide zu stur, es wird nur schlimmer werden! Während wir hier unsere Energie verschwenden, gewinnt der Hexenmeister immer mehr an Stärke! Wenn ihr euch weiter streiten wollt, schön! Ich jedenfalls ..." Der Empath zögerte und die Wut und die Selbstsicherheit, die eben noch seine Stimme bekräftigt hatten, gerieten nun gefährlich ins Wanken. Flip holte Luft. „Ich jedenfalls werde jetzt in die Stadt fahren und schauen, wo die Magie dünner wird", sprach er seinen Satz zu Ende. „Damit sollten wir seinen Aufenthaltsort eingrenzen können."

„Und was ist, wenn du den Hexenmeister tatsächlich findest?", fuhr Miles ihn an. „Nein, noch besser: was ist, wenn er dich findet? Glaubst du, du kannst es mit einem tausend Jahre alten Bösen aufnehmen?"

Das Erbe des LichtbringersWhere stories live. Discover now