Terror

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Ich nickte nur kurz und senkte meinen Blick wieder. Mein Großvater starrte Joffrey wütend an, jedoch interessierte es den König nicht. Er legte den Kopf schief und hob den Kelch erneut an, um den Inhalt mit voller Wucht in mein Gesicht zu leeren. Der kühle Wein traf auf meine Haut, erschrocken keuchte ich auf und spürte, wie die Flüssigkeit sich ihren Weg durch mein langes blondes Haar und in mein Kleid bahnte. Joffrey lachte nur und rief: „Ein teurer Wein auf einer billigen Hure, wie passend!" Dann brach er in Gelächter aus, nur lachte niemand sonst mit.

Ich unterdrückte weitere Tränen und traute mich nicht einmal, den Wein aus meinen Augen zu wischen, aus Angst, er würde mit dem Kelch nach mir werfen. „Du bist eine Schande für den König, warum sitzt du eigentlich an einem Tisch mit mir? Du solltest in eines von Kleinfingers Freudenhäuser ziehen, da gehst du wenigstens dem nach, was du anscheinend am besten kannst." Joffrey setzte sich wieder, ich traute mich nicht, mich zu bewegen.

„Geh mir aus den Augen, Hure.", fügte er noch hinzu und wedelte mit der Hand. Ich drehte mich um und ging mit der Würde, die mir noch geblieben war, in Richtung Ausgang. Ein Kelch fiel klirrend hinter mir zu Boden, er stammte aus den Fängen meines kleinen Bruders, der mich ohne Grund hasste.

Tränen flossen über meine Wangen, endlich traute ich mich, über mein Gesicht zu wischen. Mein teures Kleid war eh unbrauchbar geworden, der Wein war eingezogen und verfärbte das helle Blau in ein dunkles Violett. Mit dem Ärmel wischte ich mir den Wein und die Tränen weg und eilte in mein Zimmer hinauf in die oberen Gemächer. Ich ahnte, dass Joffrey mich bald ausquartieren würde, so wie er es bereits angedeutet hatte. Im Treppenhaus angekommen, brach ich vollkommen in Tränen aus. All das, was sich schon länger aufgestaut hatte, strömte aus meinem tiefsten Herzen heraus und verwandelte sich in farblose Tränen. Ich blieb, blind unter dem Wasserschleier, auf einer Treppenstufe sitzen und vergrub das Gesicht in den Händen.

Wie sollte das hier weitergehen? Joffrey würde nicht aufhören, mich zu terrorisieren, bis ich mich aus freien Stücken über die Burgmauern ins Meer stürzte. Aber selbst wenn ich flüchten würde, wohin sollte ich gehen? Als ein Kind aus den Häusern Baratheon und Lannister machte ich mir allein durch meine Herkunft genug Probleme und war nicht überall gern gesehen. Ich ging schnell die Möglichkeiten im Kopf durch. Wahrscheinlich wäre es am sinnigsten, einfach ins Reich hinter der Mauer zu gehen und mich den Wilden zu überlassen. Sie würden mich eher aufnehmen als jedes andere Haus der Sieben Königslanden.

Ich hörte Gelächter aus einem der der Stockwerke über mir. Es klang wie das Lachen von Margaery, unverkennbar und einzigartig. Das Gefolge der Königin der Rosengartenn, Lady Olenna Tyrell, war schon seit einigen Tagen in Königsmund, hielt sich jedoch im Hintergrund. Ich hatte bisher nur wenige gesehen, die meiste Zeit traf man die Tyrells in den blühenden Gärten und in den Freudenhäusern. Einige wenige Ritter und Gefolgsleute hatten sich im Saal aufgehalten, als Joffrey mich vor allen beleidigte.

Ich rappelte mich langsam wieder auf und legte die letzten Meter auf dem Weg zu meinem Zimmer zurück.


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