Wild Roses

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Nach etwa einer Stunde kam Margaery, um mich abzuholen. Es hatte inzwischen abgekühlt, Wolken schoben sich über den Himmel und brachten kalten Wind mit sich. Der Mond war hinter den dunklen Wolkenmassen verschwunden, nur selten blitzten Sterne hindurch. Ich suchte nach einem Überwurf, der zu meinem weißen Kleid passte, und wühlte nebenbei nach meinen goldenen Ohrringen. Um meine Taille schlang sich ein goldener Gürtel, der perfekt zu dem bodenlangen Kleid passte. Mein Haar fiel in leichten Locken auf meine Schultern, dazu hatte meine Kammerzofe einige Strähnen am Hinterkopf geflochten.

Als es klopfte, steckte sie gerade die letzten Strähnchen fest. Ich erschrak und sprang auf, bedankte mich bei ihr und ging zur Tür. Noch einmal atmete ich tief durch, dann öffnete ich und trat hinaus. Margaery erwartete mich bereits und nahm kichernd meine Hand. „Das wird bestimmt lustig!", meinte sie und zog mich den Gang entlang. Innerlich freute ich mich über diese allzu willkommene Ablenkung von der Demütigung früher am Abend. Ich hörte bereits freudiges Lachen und sanfte Klänge einer Harfe herüberschweben, dazu lag glänzender Lichtschein in der Luft, der von dem Lager der Tyrells zur kalten Einsamkeit der Lannisters drang.

Als wir in den Unterkünften ankamen, war die Feier bereits in vollem Gange. Der Wein floss in Strömen und die Menschen tanzten ausgelassen. Mitten in den Massen saß Olenna Tyrell unter einem Baldachin und beobachtete ihre Gefolgsleute mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst sehen sollte, meine Sinne waren vollkommen überwältigt von den Eindrücken. Überall schwebte der Duft nach Rosen in der Luft, Kerzen und Fackeln verbreiteten eine warme Helligkeit, die das Geschehen beleuchtete.

„Großmutter, ich habe jemanden mitgebracht!", rief Margaery und zog sanft an meiner Hand, um mich zu ihrer Großmutter zu führen. Die Königin der Dornen schickte mir ein besänftigendes Lächeln und klopfte auf ein Kissen neben ihr, als wir sie erreichten. Überall sangen und tanzten die Menschen, Fröhlichkeit und Glück schwangen durch den großen, mit Tüchern abgeteilten Saal. In der Mitte des Raumes war eine große Fläche zum Tanzen ausgespart, darum standen Tische und Bänke, hier und da erblickte ich Schalen mit Früchten und anderem Essen. Auf jedem Tisch standen Weinkaraffen und viele Gläser, die verkündeten, dass auch hier ordentlich getrunken wurde, so wie es sich für ein Fest gehörte. In den Torbögen, die zu den Gärten hinausführten, waren Sitzecken eingerichtet, Kissen und Decken luden zum Verweilen ein. Eine Gruppe von Musikern spielte Melodien, die ich noch nie im Leben gehört hatte, aber ich fand sie wunderschön. Alles war mit großen, transparenten Tüchern abgeteilt, so verliehen sie dem Saal eine gemütliche Atmosphäre.

Margaery und ich ließen uns auf die Kissen neben Olenna nieder. „Nun, mein Kind... Meine Enkelin hat mir von dem Dilemma mit deinem Bruder erzählt.", sagte sie und blickte von ihrem erhobenen Platz auf mich herunter. „Denke nicht allzu sehr darüber nach und vergiss deine Sorgen bei einem Becher Wein und guter Gesellschaft." Ich lächelte dankbar und nickte. „Danke, Lady Olenna. Es bedeutet mir viel, dass ich an Eurem Fest teilnehmen darf.", antwortete ich wahrheitsgemäß. Sie lachte auf und legte ihre faltige Hand auf meine Schulter. „Ach Papperlapapp, du brauchst dich dafür nicht zu bedanken, für mich ist das selbstverständlich. Wird Zeit, dass wir die Lannister in dir austreiben." Ich musste lachen, der Ruf der Familie Lannister eilte uns immer voraus. „Margaery, hol dem Mädchen einen Becher Wein und bring sie zu deinen Brüdern, die werden sich über eine gute Gesellschaft freuen." Olenna wedelte mit der Hand, ich stand auf und fühlte mich auf eine gewisse Art und Weise geborgen. Margaery schnappte sich meinen Arm und zog mich über die Tanzfläche zu einem der Tische.

„Hier, trink!", rief sie fröhlich und reichte mir einen golden schimmernden Kelch mit karminrotem Wein. Sie schnappte sich ebenfalls einen Becher und befüllte ihn mit der gleichen Sorte. Wir stießen an und tranken gleichzeitig. Der Wein schmeckte vollmundig süß, doch ich hatte kaum mehr Zeit für einen weiteren Schluck, denn ich wurde gleich wieder von Margaery mitgezogen. „Komm, ich stell dir meine Brüder vor, du wirst sie lieben!" Ich lachte und folgte ihr, den goldenen Kelch in der Hand. Ich musste aufpassen, dass kein Wein auf mein weißes Kleid kam, wie es schon einmal an diesem Abend passiert war.

Die Königin in spe führte mich an vielen Tischen vorbei, in Richtung der Sitzecken zwischen Garten und Saal. Hier und da saßen Gruppen von wenigen Personen verteilt und genossen Trauben und Getränke. Ich hatte schon vergessen, warum ich so traurig gewesen war und genoss die fröhliche Atmosphäre, die die Menschen aus Rosengarten verbreiteten.

Wir hielten vor einer der Sitzecken, vier Leute saßen auf den hellen Kissen um einen kleinen Tisch herum. Jeder von ihnen hielt einen Becher Wein und unterhielt sich mit den anderen. Die Gespräche wurden unterbrochen, als Margaery und ich in die Runde kamen.

„Darf ich dir vorstellen: meine Brüder Loras, Willas, Garlan und seine Frau Leonette." Die drei jungen Männer blickten mich mit großen Augen an, man sah sofort, dass sie Brüder waren. Die Tyrell-Männer hatten dunkelblonde, lockige Haare und ein ausgesprochen attraktives Erscheinungsbild. Loras grinste, als er mich erblickte, wir kannten uns schon. Ich hatte ihn vor wenigen Tagen mit Olyvar im Treppenhaus erwischt, aber mir machte das nicht aus. Jeder, der etwas auf sich zu halten schien, war beiden Geschlechtern angetan, für mich persönlich war das aber nichts. Ich bevorzugte die männliche Seite, hatte auf diesem Gebiet aber keinerlei Erfahrungen, anders, als mein Bruder es mir unterstellte.

Garlan war etwas schmaler gebaut als Willas und Loras, aber auch an ihm erkannte man die typischen Gesichtszüge der Tyrells. Sie alle schienen nach ihrer Mutter gekommen zu sein, von Mace sah man nur wenig in ihrem Auftreten. Willas war der für mich anziehendste der drei Männer. Sein dunkelblondes Haar war etwas zerzaust, ein Dreitagebart umspielt sein Kinn und in seinen Augen lag ein lebenslustiger Glanz. Ich verfing mich in seinem Blick und konnte mich nicht wirklich losreißen. Erst als Margaery mich vorstellte, riss ich mich von seinen Augen los.

„Liebste Brüder, das ist Aurora Baratheon, die Schwester des Königs."


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⏰ Last updated: Nov 21, 2018 ⏰

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