7 Zu Hause

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Endlich ließen sie die drückende Düsternis des Handwerkerbezirks hinter sich und es war, als wäre eine Last von Adharas Brust genommen und sie könnte wieder frei atmen.

Dieses Gefühl fand seinen Widerschein am Himmel.
Die grauen Wolken hatten sich verflüchtigt und einigen Sonnenstrahlen Platz gemacht, die das Viertel in ein goldenes Licht tauchten.
Hier wohnten die reichen Kaufleute und Adelige, die aus den verschiedensten Gründen eine Residenz in der Nähe des Palastes unterhielten.

Nach der Farblosigkeit des Armenbezirks und der Dunkelheit des Handwerkerviertels, erinnerte Adhara ihr Weg nun an eine Sommerwiese.
Warme und blumige Düfte schmeichelten ihrer Nase. Sie strömten von allen Seiten auf sie ein: von Parfümhändlern, von Räucherwerk und den Menschen an der Strasse, die Wohlgerüche so selbstverständlich trugen, wie ihre Kleider.
Und was waren das für Kleider! Überall funkelte und glänzte es: feuriges Rot mischte sich mit grellem Gelb und schimmerndem Grün.
 Selbst ein sehr tiefes Blau, das teuer und schwer zu beschaffen war, stellte hier keine Seltenheit dar. 

Ihr eigenes Kleid leuchtete in dieser Farbe und sie war sicher gewesen, dass es außergewöhnlich genug für den Hof sein würde. Nun wurde sie eines Besseren belehrt.

Die Stickereien an manchen Ärmeln und Mänteln waren kunstvoller, als alles, was Adhara aus Brückfeldingstein kannte.
Sie zupfte beschämt an ihrem Mantel und versuchte, ihr eigenes Werk zu verbergen.
Auch ihre Brosche mit den bunten Glasstücken, hätte sie jetzt gern versteckt.
Gegen die filigranen, mit Edelsteinen besetzten Fibeln, Gürtel, Ringe und Armbänder, die an Frauen und Männern gleichermaßen blinkten und funkelten, kam sie ihr plötzlich grob und armselig vor.

Ritter Thorn von Goldwald bemerkte die Geste, wie er auch alles andere zu bemerken schien und lächelte ihr aufmunternd zu.
Oder war es Spott, der aus seiner Miene sprach?

Die Häuser standen dem Prunk ihrer Besitzer in nichts nach. Sie waren bunt bemalt oder geschickt aus verschiedenfarbigen Steinen und Hölzern gebaut. Ihre Fenster hatte man nicht einfach mit Pergament bespannt, sondern sie aus farbigem Glas zu eindrucksvollen Bildern zusammengefügt.
Wo Adhara Holz sehen konnte, war es mit Schnitzereien verziert und in den großzügigen Gärten vor den Behausungen entdeckte sie Statuen und ausladende, kunstfertig in Form geschnittene Büsche. Niemand in ganz Brückfelding wäre jemals auf die Idee verfallen, so etwas zu tun.
Auch die Dächer waren hier nicht einfach mit Reisig oder Stroh gedeckt, sondern mit farbigen Schindeln aus Holz oder sogar schimmernden Schieferplatten.

Vor den Heimstätten und Geschäften, die seidene Tücher und edle Schmuckstücke feilboten, standen grimmig dreinblickende Söldner Wache. Sie wirkten wie Holzscheite in einem flirrenden Feuer von Farben und Düften, in dem das ganze Viertel zu glühen schien.
Adhara konnte sich nicht sattsehen. 


Die Menschen blieben stehen und winkten ihr zu oder verbeugten sich manierlich, wenn sie vorbeiritt. Einige warfen sogar Blumen, der Himmel mochte wissen, wo sie die in dieser Jahreszeit aufgetrieben hatten.

Plötzlich beugte sich der Ritter ein wenig zu ihr herüber und reichte ihr eine der Blüten, die er aufgefangen hatte.

Die junge Gräfin nahm sie fasziniert entgegen und betrachtete sie.

Ihre Blütenblätter waren aus schimmerndem Stoff gefertigt, so zart wie ein Schmetterlingsflügel und als sie im Scherz daran roch, bemerkte sie zu ihrem Erstaunen einen feinen Duft. Die künstlichen Blumen waren parfümiert worden! In der Mitte dieses Kunstwerks saß eine kleine, weiße Perle.

Adhara sah Thorn von Goldwald entzückt an.
„Sie ist wunderschön", hauchte sie.

Der Ritter betrachtete versonnen die Blüte in ihrer Hand. 

„Ihre Schönheit wird niemals vergehen. Ihr solltet sie behalten, damit sie Euch immer an Euren Einzug nach Oranborn erinnert." 

Daraufhin wandte er sich wieder nach vorn, ohne Adhara noch einmal anzusehen.
Einen Augenblick lang bestaunte sie weiter die Blume. Dann verbarg sie die Kostbarkeit vorsichtig in einer Tasche in den Falten ihres Umhanges, damit sie nicht verloren ginge.

Wenn der Schnee fälltWhere stories live. Discover now