Kapitel 1

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"Und sie sind sich zu 100 % sicher, dass sie das war?" Ungläubig blickte er auf die blasse Polizistin hinab. Man hatte sie und ihren älteren Kollegen vor etwa einer halben Stunde hier eingeliefert und während ihr in Lebensgefahr schwebender Partner noch im OP um sein Leben bangte, hatte sie sofort darauf bestanden, mit ihm zu sprechen. "Ja. Absolut!", sagte sie, ihre grauen Augen fest und unnachgiebig auf ihn gerichtet. Er nickte und wandte seinen Blick von ihr ab. "Sie werden sie kriegen, oder? Man nennt sie doch nicht umsonst den "Bluthund" der Mordkommission, richtig? Der, der die ganzen Wahnsinnigen schnappt und für den Rest ihres Lebens von der Welt fernhält...", flüsterte sie mit bebender Stimme. Der Bluthund wandte sich ihr wieder mit einem sachten Lächeln zu und mit einem Mal wirkte ihr Gesicht nicht mehr wie das einer jungen Polizistin, sondern wie das eines alten Veteranen, der schon unzählige Freunde vor seinen Augen hatte sterben sehen. "Keine Sorge. Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass sie nie wieder die Möglichkeit hat, irgendwem wehzutun. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue." Mit diesen Worten breitete sich auch auf dem Gesicht der Polizistin ein sachtes Lächeln aus und einige Tränen kullerten über ihre eingefallenen Wangen. "Danke", flüsterte sie, während sie ihren Kopf senkte, sodass er ihre Tränen nicht sehen konnte. "Ich danke ihnen", flüsterte er zurück und verließ dann schnellen Schrittes das Krankenzimmer.

"Wissen sie schon etwas Neues?", fragte er den Polizisten, den man vor dem Zimmer positioniert hatte. Der junge Mann nickte. "Er hat echt Schwein gehabt. Kami hat genau auf sein Herz gezielt. Also zumindest dahin, wo es bei den meisten Menschen ist. Nur gehört er zu den wenigen Glücklichen, dessen Herz auf der anderen Seite ist." Der Bluthund blickte ihn mit ausdrucksloser Miene an und schüttelte dann genervt den Kopf. "Nennen sie sie nicht so!", sagte er fast schon wütend. Der Polizist zuckte erschrocken zusammen und hob fragend seine Augenbrauen. "Aber das ist doch ihr Name... Kami. Oder nicht?" Der Blick des Bluthundes verfinsterte sich bei diesen Worten nur noch mehr. "Das ist der Name, den sie sich selber gegeben hat. Damit kann sie ihrer widerlichen Ideologie mehr Ausdruck verleihen. Aber sie ist kein Kami, kein Gott. Sie ist nur ein stink normaler Mensch, der blutet und stirbt, wenn er an der Reihe ist. Ganz genau wie sie und ich und jeder von uns." Mit finsterem Blick ließ er den fassungslosen Polizisten im Gang stehen.

Vorsichtig zündete er seine Zigarette an der im Wind flackernden Flamme des Feuerzeugs an und nahm einen tiefen Zug. Die kalte Nachtluft vermischte sich mit dem grauen Zigarettenqualm. "Kami", flüsterte er dem wolkenlosen Nachthimmel entgegen. Ein breites Lächeln erstreckte sich auf seinem Gesicht und seine sonst so leeren Augen leuchteten auf. "So ein Bullshit. Ich werde dich finden und ich werde dich fertig machen. Genauso wie jeden anderen wahnsinnigen Serienkiller vor dir."

Das Lachen einer Frau ertönte hinter ihm. "Wusste ich doch, dass ich dich hier finde. Einmal Raucher immer Raucher, was?", neckte sie ihn mit einem liebevollen Lächeln im Gesicht. Der Bluthund verdrehte genervt die Augen, konnte ein Lachen aber auch nicht unterdrücken. "Was willst du hier, Maddie. Du weißt doch, dass ich beim Rauchen gern meine Ruhe hab." Er nahm demonstrativ einen weiteren Zug von seiner Zigarette und als Gegenzug boxte ihn Maddie sanft gegen die Schulter. "Ich wollte lediglich mal nach dir schauen, du alter Griesgram. Nicht das du wieder was Dummes anstellst wie letztes Mal. Du weißt schon, also du vier Tage wie vom Erdboden verschluckt warst, weil du Dickson unbedingt allein schnappen wolltest." Unter dem mahnenden Blick von Maddie schrumpfte der Bluthund ein wenig zusammen. "Aber letztendlich habe ich ihn auch geschnappt. Und das wahrscheinlich dreimal so schnell, wie wenn ich diesem verstaubten Büro gesessen und auf irgendwelche Befehle gewartet hätte." Maddie lachte laut, bevor sie ihm die Zigarette aus der Hand schnappte und selber einen Zug nahm. "Ja. Und währenddessen hast du dreimal Hausfriedensbruch begangen und fast einen anderen Polizisten erschossen. Ach und die zwei Monate Suspendierung im Nachhinein wollen wir natürlich auch nicht vergessen. Du kannst froh sein, dass du nicht gleich gefeuert wurdest." Das Grinsen war aus ihrem Gesicht verschwunden und stattdessen blickte sie ihn nun mit einem besorgten Ausdruck in den Augen an. "Versprich mir, dass du dich diesmal wenigstens ein bisschen zusammenreißt. Ich verstehe ja, warum dir das alles hier so wichtig ist und warum du wirklich alles gibst, um diese ganzen Typen so schnell wie möglich zu schnappen, aber wenn du so weiter machst, endest du am Ende nur hinter denselben Gittern. Und um ganz ehrlich zu sein, ich habe absolut keine Lust mir einen neuen Partner suchen zu müssen. Also versprich es mir, Kopper." Ihre großen, dunklen Augen bohrten sich unaufhörlich in die seinen. Mit einem bitteren Lachen wendete er sich ab. "Wolltest du nicht eigentlich aufhören zu rauchen? Du weißt doch genau, wie ungesund das ist." Diesmal boxte sie Kopper so hart gegen die Schulter, dass er ins Taumeln geriet. "Das sagst gerade Du, du alter Nikotinsuchtie.", lachte sie, während die Kampflust in ihren Augen schimmerte. "Und was fällt dir ein einfach vom Thema abzulenken. Wenn mir das nicht sofort versprichst, rauche ich gleich die ganze Packung am Stück!" Grinsend fuhr er sich durch die braunen Haare. "Ok ok. Ich verspreche, dass ich versuche, mich zurück zu halten. Zufrieden? Jetzt gib mir die Zigarette zurück, bevor du noch so endest wie ich." Mit einer eleganten Handbewegung schnappte er Maddie die halb abgebrannte Zigarette aus der Hand. Lachend beugte sie sich über das Geländer des Krankenhausdaches und blickte nach unten auf die geschäftigen Straßen der Großstadt. "Meinst du, sie ist eine von denen, die nochmal zurückkommen, sobald sie merken, dass ihre Opfer noch leben?" Während sie das fragte, umklammerte sie mit ihren schlanken, dunklen Händen das Geländer und blickte hinauf in die Sterne, als würde ihr die Antwort gleich in die Hände fallen. Kopper zuckte nur mit den Schultern. "Wer weiß. Das ist das erste Mal, dass jemand ihren Mordversuch überlebt hat. Aber sie ist clever. Wir sollten sicherheitshalber ein paar Polizisten ums und im Krankenhaus patrouillieren lassen.", sagte er zustimmend und nahm noch einen letzten Zug von seiner Zigarette, bevor er sie am Geländer ausdrückte. Maddie nickte energisch und begann bereits in ihrer Handtasche nach ihrem Telefon zu kramen. "Alles klar. Ich gebe schon mal der Zentrale Bescheid. Wo gehst du hin?", fragte sie verwirrt, als er sich schnellen Schrittes auf die Tür des Krankenhausdaches zubewegte. "An einen Ort, wo ich eine rauchen kann, ohne ständig von irgendwem belästigt zu werden.", stichelte er ohne Maddie eines weiteren Blickes zu würdigen. Während er das Dach verließ, spürte er Maddies stechenden Blick in seinem Rücken.

"Kara? Ich bin wieder Zuhause.", rief der Bluthund in die hell erleuchtete Wohnung. Kaum war er in den Eingangsbereich getreten, wehte ihm der Geruch von Essen entgegen. "Hallo Bruderherz.", tönte eine liebliche Stimme aus der Küche. "Wie war die Arbeit? Hast du den bösen Buben wieder ordentlich den Hintern versohlt?" Ein von langen, blonden Haaren umrahmtes Gesicht tauchte im Türrahmen auf und beobachtete mit leuchtenden blauen Augen, wie Kopper sich seiner Schuhe und Jacke erledigte. "Das ist manchmal gar nicht so leicht. Die rennen schon alle angsterfüllt weg, wenn sie nur meinen Namen hören.", witzelte er, während er seiner kleinen Schwester durch die Haare wuschelte. "Gut so", erwiderte sie mit trotzig nach vorn geschobenem Kinn. "Die sollen ruhig Angst vor dir haben." Ein liebevolles Lächeln breitete sich auf Koppers Gesicht aus. "Was gibt's zum Abendessen?", fragte er neugierig, während er dem köstlichen Geruch in die Küche folgte. Die 19-jährige hüpfte freudestrahlend neben ihm her und präsentierte dann stolz ihre Kreation. "Spagetti mit Pesto, Hackbällchen und ganz viel Reibekäse. Genau wie du es magst." Bei diesen Worten wurde Koppers Lächeln noch breiter. Erschöpft ließ er sich auf einen freien Stuhl fallen und wartete darauf, dass seine Schwester zwei randvolle Teller mit Nudeln auf den Tisch stellte. "Wie war die Uni?", fragte Kopper, als sie mit dem Essen begonnen hatten. Kara verdrehte genervt die Augen. "Langweilig wie immer. Mich interessiert eher, ob es bei dir irgendwas Neues gibt." Sie hatte ihr Besteck beiseitegelegt und starrte nun mit einem Blick zu ihm hinüber, der vor Neugier nur so sprühte. Kopper seufzte. "Also ich weiß ja nicht, ob dein offenbar gigantisches Interesse an den Machenschaften im Morddezernat deiner geistigen Gesundheit von Vorteil sind.", mahnte er sie, auch wenn er ein Grinsen nicht ganz unterdrücken konnte. "Pah! Die psychologische Betreuung solltest du vielleicht mir überlassen, schließlich bin ich diejenige von uns beiden, die Psychologie studiert. Jetzt sag schon. Du weißt doch, wie wichtig die Analysierung der Verhaltensmuster von Serienkillern ist. Sowohl für die Polizei, als auch ... für mein Studium.", schloss sie und blickte ihn zusätzlich noch mit großen, unschuldigen Augen an. Kopper seufzte erneut und legte ebenfalls sein Besteck beiseite. "Also gut. Anscheinend ist 'Kami' wieder unterwegs. Sie ist bei einem 42-jährigen Buchhalter eingebrochen und hat ihm die Kehle aufgeschlitzt. Zu ihrem Pech haben das zwei Streifenpolizisten mitbekommen und wollten eingreifen. Kami hat sie jedoch überwältigt und an den Heizkörper im Badezimmer gefesselt. Dort hat sie dem älteren Polizisten dann ein Messer in die Brust gerammt, die junge Polizistin hat sie jedoch in Ruhe gelassen. Die beiden sind jetzt im Krankenhaus und der Polizist scheint das Ganze auf wundersame Weise überlebt zu haben. Es kann also gut sein, dass sie nochmal zurückkommt." Mit einer wirschen Geste unterbrach Kara ihren Bruder. "Du glaubst, sie kommt ins Krankenhaus, um zu beenden, was sie angefangen hat?", fragte sie mit nach oben gezogenen Augenbrauen. Kopper zuckte mit den Schultern. "Kann gut sein. Bisher schien sie immer wie jemand, der seine Sache sehr gründlich macht und unter keinen Umständen jemanden leben lässt, den sie ihrer wirren Ideologie zufolge tot sehen möchte." Kara nickte zustimmend, doch der misstrauische Ausdruck war noch nicht von ihrem Gesicht gewichen. "Aber sie ist schlau. Verdammt schlau. Und einfach in das Krankenhaus hinein zu marschieren und es da zu tun, wäre Selbstmord. Wenn ich sie wäre, würde ich eher dafür sorgen, dass mein Opfer zu mir kommt. Was momentan wahrscheinlich eher schwierig ist, aber vielleicht später. Wie könnte man einen Polizisten dazu bringen, dumm genug zu sein, um einem Serienmörder, dem er nur knapp lebend entkommen ist, erneut in die Arme zu laufen. Kopper? Wo gehst du hin? Du hast doch kaum was gegessen." Erschrocken sprang Kara auf, als sich ihr großer Bruder hastig Jacke und Schuhe anzog. "Die Antwort ist Vergeltung.", sagte er todernst, bevor er mit schnellen Schritten das Apartment verließ.

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