35. Verschwunden

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Als ich meine Augen öffne, stelle ich überrascht fest, dass ich am vorherigen Tag tatsächlich eingeschlafen war und bis heute Morgen geschlafen hatte. Ich frage mich, wieso mich niemand geweckt hatte? Ich setze mich auf und schaue in den Spiegel. Das Blut, das ich am Vortag verschmiert hatte, hatte sich getrocknet, so sind meine Wangen von getrocknetem Blut bedeckt. Ich sehe auf jeden Fall toll aus. Mit einem Seufzen stehe ich auf und gehe ins Badezimmer, um mein Gesicht zu waschen. Das Wasser färbt sich rot und fließt so den Abfluss hinunter. Nachdem das trockene Blut von meinem Gesicht verschwunden war, gehe ich zurück in mein Zimmer und setze mich zurück auf mein Bett. Dabei höre ich ein Knistern und ich stehe sofort wieder auf. Ein Zettel liegt auf meinem Bett, den ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Mit zitternden Händen nehme ich ihn in diese und falte ihn auseinander. Sofort erkenne ich Emys schön geschwungene Schrift und der Kloß in meinem Hals kehrt wieder zurück. Was kann so wichtig sein, dass sie mir einen Brief schreibt? Wieso hätte sie mir es nicht persönlich sagen? Ich schlucke schwer und fange an zu lesen.

Lieber Ben,

es ist für mich ziemlich schwer dies aufzuschreiben, aber so muss es sein. Ich kann es dir nicht sagen, weil ich weiß, dann würdest du mich nicht gehen lassen. Und schreiben fiel mir auch immer einfacher, als zu reden. Also, es geht darum, dass ich euch verlasse. Aber es liegt nicht an dir, keine Angst. Es liegt eher an mir. Ich kann einfach nicht unter Menschen leben, ich halte es nicht aus. Nach meiner Meinung nach macht es keinen Sinn, dass ich hier bleibe. Es ist weder für mich, noch für euch gut. Ich glaube, es ist besser, wenn ich gehe. Aber ich bitte dich darum, mich nicht zu vergessen. Ich vergesse dich auch nicht. Denn auch wenn ich kein Menschenfreund bin, warst du ein guter Freund für mich. Ich danke dir für jede Minute, die du mit mir verbrachtest. 

Emy

PS:. Sucht nicht nach mir, es wäre sinnlos. Wenn du diesen Brief findest, werde ich längst weg sein.

Gar nicht dessen bewusst tropfen kleine Tränen auf das Blatt Papier. Richtige Tränen und kein Blut verwischen die Tinte, die diese Wörter auf dem Blatt aufgeschrieben hatte. Auf dem Papier bilden sich Wellen und ich schreie auf. Ich glaube das nicht, das ist bestimmt nur ein dummer Scherz. Ich renne den Flur entlang und reiße die Tür zu Emys Zimmer auf. Zitternd und mit Tränen in den Augen muss ich feststellen, dass dieses leer ist. Ihr Rucksack steht nicht neben ihrem Bett, wie sonst und Bücher von ihrem Regal fehlen. Ich öffne verzweifelt den Schrank, nur um zu sehen, dass Klamotten von Emy auch fehlen. Ich starre noch eine Zeit lang in den Schrank, danach renne ich nach unten und bleibe in der Tür zum Esszimmer stehen. Alle drehen sich sofort zu mir. Ihre Blicke spiegeln Überraschung und Verwirrung.

Ben, was ist los? Wieso bist du so aufgebracht?, fragt Slenderman.

»Lese das hier, dann wirst du es wissen«, sage ich und lege Emys Brief vor ihm auf den Tisch.Ich bin viel zu aufgebracht, um zu reden. Ich bin wütend, traurig und enttäuscht gleichzeitig. Enttäuscht und wütend auf mich, weil Emy auch wegen mir weggegangen ist. Sie kann schreiben, was sie will, ich weiß, dass es auch teils an mir liegt. Ich habe ihr nicht das Verständnis entgegengebracht, das sie gebraucht hat. Slenders Gesicht dreht sich zum Blatt und ich denke, wenn er Gesichtszüge hätte, wäre er jetzt überrascht. Er nimmt den Zettel in seine Hände und liest diesen. Als er fertig ist, was nicht lange dauert bei so einem kurzen Text, steht er auf und stützt sich mit seinen Händen am Tisch ab.

Emy ist von uns gegangen, ertönt seine Stimme in einem ernsten Ton, und ich fände es nur fair gegenüber sie, wenn wir sie suchen. Obwohl sie uns darum bittet dies nicht zu tun, denke ich, dass es unsere Pflicht ist unser Bestes zu tun, damit sie zu uns zurückkommt. Schließlich ist Emy bereits eine von uns und trotz dessen, dass sie nicht der kontaktfreudigste Mensch auf Erden ist, müssen wir sie suchen.

Alle Anwesende tauschen Blicke miteinander und ich kann an unterschiedlichen Ecken leises Murmeln hören, aber ich achte nicht darauf. Am Ende nicken alle, so ihr Einverständnis zeigend. Ein erleichtertes Seufzen verlässt meinen Mund. Mir ist klar, dass fast niemand sich mit Emy versteht, aber sie ist trotzdem ein Teil von uns. Slender wartet noch bis alle fertig essen, danach schickt er sie in ihren Zimmern, damit sie ihre Sachen holen. Nachher treffen wir uns am Eingang. Der gesichtslose Mann teilt uns alle auf, wo wir suchen sollten. Mich beauftragt er damit an Emys Lieblingsstellen im Wald zu schauen, weil es sein kann, dass sie sich einfach dort zurückgezogen hat. Aber wenn ich ehrlich bin, ich denke nicht, dass dies der Fall ist. Trotzdem hoffe ich daran. Egal wie sehr solch eine Denkweise zu einem solchen gefühllosen Menschen nicht passt, ich will Emy nicht verlieren. Mich interessiert es nicht, ob wahnsinniger Mörder mit psychopathischem Handeln und Denken habe, dieses Mädchen ist mir wichtig. Es hat mir gezeigt, dass ich tatsächlich noch etwas Menschliches in mir habe. Es hat mir gezeigt, dass mein vergangenes Ich nicht komplett verloren ist. Ich hoffe so stark daran, dass ich – dass wir dieses Mädchen finden.

Aus Minuten werden Stunden. Aus Stunden werden langsam Tage. Und keine Spur von Emy. Nichts. Nicht mal ein Hinweis über ihren Aufenthaltsort. Sie war schon immer gut darin diese verschwinden zu lassen. Doch diesmal ist es so anstrengend und Hoffnung beraubend. Als ich am vierten Tag nach Emys Verschwinden wieder als Letzter nach Hause kommen, erwarten mich alle im Wohnzimmer mit teils bemitleidenden, teils mit ausdruckslosen Gesichtern. Ich ahne schon, was sie zu sagen haben, aber ich will es nicht wahr haben. Nach minutenlangem, stummen Anschweigen bricht Eyeless die Stille.

»Ben, du musst es langsam akzeptieren. Es nun sehr unwahrscheinlich, dass wir Emy jemals finden. Sie ist bestimmt schon längst außerhalb und entfernt von unserem Umkreis. Es ist vorbei.«

Er schüttelt leicht den Kopf und senkt diesen, um seinen Wörtern mehr Ausdruck zu geben. Ich senke meinen Kopf auch und lasse einen leisen Seufzer aus. Dann hebe ich mein Haupt wieder und zeige den anderen ein leichtes, aber trauriges Lächeln.

»Wir haben es versucht, das ist, was zählt. Danke für eure Hilfe.«

Damit ich ziehe mich in mein Zimmer zurück. Da, wo ich nun in meinem Zimmer stehe, mit dem Wissen, dass ich Emy endgültig verloren habe, wird mir erst jetzt klar, dass ich nichts habe, was mich an sie erinnert. Keine Fotos, keine Gegenstände. Nur die ganzen Erinnerungen und Momente, die wir gemeinsam erlebt hatten. Aber einmal werden sie auch verblassen. Ich will das nicht. Seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen und da fällt mir etwas Weißes auf meinem Schreibtisch auf. Ich nehme es in die Hand und realisiere, dass dies der Brief ist, den Emy mir hinterlassen hat. Etwas sagt mir, ich soll ihn nochmal lesen, auch wenn die Nachricht, die er mitteilt, so schmerzhaft für mich ist. Ich öffne den Zettel und fliege über den Inhalt. Obwohl Tränen sich in meinen Augen sammeln, lächele ich. Denn wenigstens weiß ich, dass ich ein guter Freund für Emy war und das Wichtigste ist.

Sie ist mir dankbar.  

Wow, ein Applaus für mich, weil ich nicht geweint habe, während das Schreiben des Kapitels. Obwohl, ich weine gar nicht mehr so oft 🤔 *Gasp* ich verliere meine Gefühle. Egal, interessiert mich nicht. Ist euch schon aufgefallen, dass ich euch in diesen Kommentaren nur mit Scheiße zulabere, statt auf das Kapitel einzugehen? Tja, shit happens. Übrigens, könntet ihr mir motivierende Musik empfehlen? Es kann Metal, Rock oder auch Gamer Musik sein. Hauptsache, wenn ich es höre bekomme ich Bock auf das Schreiben.

Emy is out ✌

Zerbrochene Seele || Creepypasta FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt