Eintracht

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Am nächsten Morgen wachte ich schon sehr früh auf und fieberte aufgeregt dem Training mit Toni entgegen. Ich freute mich so sehr, endlich mit ihm reden zu können, außerdem war ich unheimlich aufgeregt, wie er auf meine ersten Wort reagieren würd.e Er wusste ja nicht, dass ich das Sprechen so intensiv geübt hatte.

Vorher hatte ich jedoch noch einen Termin bei Anni, der sich zog wie Kaugummi. Die ganze Zeit musste ich der Versuchung widerstehen, schon zu ihr irgendetwas zu sagen, besonders, weil sie ununterbrochen mit mir redete und auch Fragen stellte. Aber ich blieb standhaft. Toni sollte der Erste sein, der meine Stimme hörte. Außerdem hatte ich Angst, dass Anni es Toni verraten würde und somit die ganze Überraschung zerstören würde.

Und so ließ ich den Vormittag wie immer stumm verstreichen und zählte die Sekunden, bis es endlich Zeit für Toni war, zu mir zu kommen. Doch er kam nicht. 10 Minuten vergingen, dann 20 und ich begann, mir ernsthaft Sorgen zu machen. In meinem Kopf spielten sich bereits tausende Szenarien ab, was ihm zugestoßen sein könnte oder was der Grund sein könnte, dass er nicht da war, bis er dann 32 Minuten nach dem eigentlichen Beginn unseres Termins endlich in mein Zimmer rauschte und ein riesiger Stein mir vom Herzen fiel.

Ich lächelte ihn erleichtert an, merkte dann aber sofort, dass etwas nicht stimmte. Toni wirkte getrieben.
Er schloss die Tür schnell hinter sich und lehnte sich dann an sie, als bräuchte er Halt. Dann schloss er die Augen und atmete tief ein und aus. Eine Weile blieb er einfach so stehen und ich schaute ihn nur voller Sorge an und wagte es nicht, mich zu bewegen.

Nun schien er mich auch zu bemerken, zögerte kurz, nahm sich dann aber doch seinen Hocker und setzte sich wie immer an meine Seite. Mehrmals setzte er an, etwas zu sagen, doch er brachte nichts heraus. Er wirkte, als stünde er komplett neben sich.

Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in mir aus, denn so hatte ich Toni noch nie erlebt. Er war manchmal ernst, ja, aber nie so... aufgelöst. Besorgt hob ich meine Augenbrauen, als Aufforderung, sich mir anzuvertrauen. Erst jetzt merkte ich, dass Toni Tränen in den Augen hatte. Geschlagen vergrub er sein Gesicht in seinen Händen.

Er sog zitttig die Luft ein und rückte dann endlich mit der Sprache heraus: "Ich habe eine Patientin verloren. Einfach so, es kam komplett unvorhergesehen. Auf einmal hörte ihr Herz auf zu schlagen", flüsterte er in seine Handflächen hinein. Dann ließ er seine Hände fallen und schaute mich mit einem herzzerreißenden Blick an. Es brach mir das Herz. Seine Haare waren zerzaust und sein Gesicht rang noch immer sichtlich um Fassung. "Ich weiß, mich darf das als Arzt nicht so mitnehmen, aber... Alles war komplett normal, Nia", presste er verzweifelt hervor. "Irgendwas muss ich übersehen haben, oder ich habe einen Fehler gemacht. Sie war gerade mal so alt wie ich, Nia. Und jetzt ist sie einfach tot. Bald holt ihre Familie sie ab und beerdigt sie und sie wird niemals einen tollen Mann kennenlernen oder Kinder bekommen oder alt werden. Und ich bin Schuld, Nia. Ich bin Schuld, da bin ich mir sicher, sie-" Er brach ab, schluckte und presste die Lippen aufeinander, während er darum kämpfte, die Tränen zurückzuhalten.

Es war schrecklich, ihn so verzweifelt zu sehen. Toni war so ein toller Mann und auch ein toller Arzt. Ich war mir sicher, dass es einen Grund gab, warum das passiert war und dass er keinen Fehler gemacht hatte und ich wollte nicht, dass er sich solche Vorwürfe machte.

Mit aller Kraft schob ich meinen Arm in seine Richtung, sodass meine Finger seine berührten.

"T...o....n...i", hauchte ich und versuchte, alles, was ich ihm sagen wollte, in dieses eine Wort zu legen. Mein Mitgefühl, meine Traurigkeit über seine Situation, aber auch, dass er auf mich zählen konnte. Dass er mir so wichtig war und deswegen nicht traurig sein sollte.

Mit großen Augen starrte Toni mich an, bevor schließlich doch die Tränen begannen, seine Wangen entlangzulaufen.

"Nia, das... Du... Ich dachte...", stammelte er, bevor er einfach meine Hand in seine nahm und auf ihr zusammen sank.

Leise weinte er, während er seinen Kopf an meine Seite drückte. Ich weinte mit.

You Restore Me - Tonia Where stories live. Discover now