2. Kapitel - Kurze Gespräche und viele Gedanken

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Meine Mutter hatte sich mir gegenüber an den Wohnzimmertisch gesetzt und sah mich erwartungsvoll an. Kein Wunder, ich redete mir eigentlich immer sofort von der Seele, was mich bedrückte, ohne vorher große Ankündigungen zu machen. Zumindest tat ich das bei Menschen, denen ich vertraute.
Meine zwei kleinen Geschwister hatten den Raum unter Protest verlassen müssen, doch ich hatte darauf bestanden, mit meiner Mutter allein zu sein.

Nun saß ich im Wohnzimmer auf unserem grauen Sofa, wo wir normalerweise etwas als Familie zusammen machten, Filme schauten, Spiele spielten. Ich versuchte, mich in dieser vertrauten Umgebung zu beruhigen, aber es gelang mehr schlecht als recht. Die hellen Holzmöbel in Kombination mit Glas hatten immer eine beruhigende Wirkung auf mich ausgeübt, die sich heute jedoch nicht einstellte. Ich spielte nervös mit dem Blatt einer Zimmerpflanze herum, von denen sich mehrere im Zimmer verteilten, bis es abriss. Ich starrte es einen Augenblick an, ließ es dann fallen, als hätte ich mich verbrannt und wandte mich ruckartig ab.

Ich beschloss nicht lange um den heißen Brei herumzureden und sofort mit den Tatsachen herauszurücken. Meiner Mutter konnte ich schon immer alles anvertrauen. Ich wusste, dass sie mir zuhören würde, aber mich ängstigte ihre Reaktion.
"Mama, mir ist heute etwas echt seltsames passiert. Es war auf dem Weg nach Hause, da...", begann ich meine Geschichte erst stockend, dann immer flüssiger zu erzählen. Endlich konnte ich diese schreckliche Erfahrung mit jemandem zu teilen. "Bitte Mama du musst mir einfach glauben. Ich habe das nicht geträumt oder mir eingebildet, das war real! Ich kann es ja selbst kaum glauben aber es ist wahr!", schloss ich meine Erzählung und sah sie flehend an.

Die Miene meiner Mutter hatte von erschrocken zu entsetzt und besorgt gewechselt, doch jetzt war sie verschlossen, und so sehr ich mich bemühte, konnte ich in ihrem Gesicht keine Emotionen mehr lesen. Mein Ausruf stand immer noch im Raum und schien wie eine unsichtbare Mauer zwischen uns zu stehen. Ich war froh, dass ich mein Erlebnis jemandem anvertrauen konnte, fürchtete mich jedoch nun vor der Reaktion meiner Mutter.

Bevor ich alle Horrorszenarien von auslachen bis geschlossene Psychiatrie noch einmal im Kopf durchspielen konnte, seufzte meine Mutter tief und antwortete schlicht:
"Ich glaube dir."

Mir klappte der Mund auf. Dass sie mir so schnell glauben würde, ohne nachzufragen, ob mir schwindelig wäre oder zu fühlen, ob ich erhöhte Temperatur hätte, hatte ich nicht gedacht. Statt der Angst durchströmte mich Verwirrung. Gleichzeitig fiel mir jedoch auch ein riesiger Stein vom Herzen. Bestimmt wusste meine Mutter was zu tun war.

Im gleichen Augenblick korrigierte ich mich gedanklich selbst: eine 17-jährige sollte doch so langsam wissen, dass auch die eigene Mutter nicht unfehlbar war und nicht für alles eine Lösung parat hatte. Ich schob es auf das Schockerlebnis.

Meine Mutter stand auf, zog mich in eine Umarmung und drückte mich an sich. Ich genoss die Umarmung einige Sekunden lang und löste mich dann von ihr, während mein Gehirn anfing heißzulaufen und immer mehr Fragen aufwarf. Die wichtigste war: 'Warum hast du mir sofort geglaubt?', gleich gefolgt von 'Warum hat dich die Geschichte kaum überrascht?', und 'Weißt du vielleicht irgendwas von diesem Schatten?' Aber statt diese oder eine andere Frage, die mir durch den Kopf schossen, zu stellen, fragte ich nur: "Und jetzt?"

Eigentlich auch eine gute Frage. Auch auf diese wusste ich keine Antwort. Was, wenn mir das öfter passieren würde? Konnte eigentlich nur ich diesen Schatten sehen? Es würde für Außenstehende sicherlich sehr lustig aussehen, wenn ich in der Öffentlichkeit einfach anfangen würde, wie eine Verrückte zu schreien und wegzurennen, dachte ich mit einem Anflug von Galgenhumor.

"Wir fahren zu deinem Onkel," unterbrach meine Mutter meinen Gedankengang. Ich starrte sie verwirrt an. "Hä? Onkel Jakob?"
"Du hast mich schon richtig verstanden," kam die nun etwas gereizte Antwort zurück.
Nun war ich vollends irritiert. Onkel Jakob und Mama verstanden sich nicht gut, um nicht zu sagen, ziemlich schlecht. Mama hatte ihr Zuhause einmal nach einem Streit mit ihm verlassen und seitdem hatten sie kaum miteinander geredet. Ich hatte ihn nie persönlich kennengelernt, obwohl wir in derselben Stadt wohnten, sondern kannte ihn nur von Fotos und den recht spärlich ausfallenden Erzählungen meiner Mutter. Umso brisanter klang dieser Satz in meinen Ohren.

"Und was sollen wir bei ihm?"
"Das wirst du dort erfahren," antwortete meine Mutter wieder kurz.
"Oh super." Mein Sarkasmus ging mit mir durch, aber ich wollte wissen, warum sie mich jetzt ausgerechnet zu ihrem ihr so verhassten Bruder bringen wollte. "Soll ich jetzt ein Versuchskaninchen für Onkel Jakob werden? Warum müssen wir ausgerechnet zu ihm? Willst du mich jetzt so schnell wie möglich loswerden?"

Ich merkte, dass ich mich deutlich im Ton vergriffen hatte und hielt unwillkürlich die Luft an.
Meine Mutter, die gerade ihre Jacke angezogen hatte und sich den Autoschlüssel geschnappt hatte, stockte mitten in der Bewegung und drehte sich langsam zu mir um.

In ihrem Gesicht stand ein Schmerz, den ich meinte, fast physisch spüren zu können. "Glaub mir, Felicia. Ich würde nichts lieber tun als dich von ihm fernzuhalten. Aber es ist die einzige Möglichkeit die ich habe." Sie sah mich noch kurz an, drehte sich dann um und verließ schnell das Haus.

Ich blieb noch kurz stehen, starrte gedankenverloren auf den leeren Türrahmen und setzte mich dann langsam in Bewegung.
Eines war sicher: meine Mutter wusste, was es mit den Schatten auf sich hatte. Und mein Onkel wusste es ebenso.

Ich sitze gerade im Bus (wie einige von euch auch 😁) und mir ist langweilig deshalb gibt's jetzt ein neues Kapitel.
Denkt Felicia zu viel bzw schreibe ich zu viel über ihre Gedanken oder ist das so okay? Es kommen bald auch mehr Dialoge.
MrOdinTV, ist es so besser?

Eure Eule1805

Iztal - SchattenspielWhere stories live. Discover now