Kapitel 13 - Widerstand

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Ein paar Sekunden brauchte mein Gehirn, um den Sinn hinter seinen Worten zu erfassen; wie gelähmt stand ich da.
Ich starrte Rasmus ungläubig an. Das würde ich ganz sicher nicht machen!
Ich war doch nicht vollkommen bescheuert. Es müsste schon einiges passieren bevor ich mich freiwillig in einen Zombie verwandelte.
Das war jetzt sicher nicht der passende Fachausdruck, aber ich konnte es nicht besser beschreiben.

Auf einmal konnte ich die Warnung meiner Mutter nachvollziehen.
Der Schatten war mir immer schon unheimlich gewesen. Ich bezweifelte stark, dass dieses Verwandeln spurlos an Menschen vorbeiging.

All diese Gedanken schossen mir in sekundenschnelle durch den Kopf.
Sie schienen auf mich einzustürzen wie Hagelkörner, und riefen alle durcheinander. Doch über der großen Masse erhob sich ein Gedanke, größer als alle anderen. Er übertönte all die anderen Gedanken und der Drang, ihn auszusprechen, wurde immer stärker, bis ich endlich nachgab.

"Nein. Das mache ich nicht."

Der Sturm in meinem Kopf legte sich und es wurde still. Den Blick nach unten gerichtet atmete ich tief ein und aus.
Dabei bemerkte ich, dass es nicht nur in meinem Kopf still geworden war. Auch im Raum hörte man keinen einzigen Laut.

Langsam hob ich den Kopf und blickte Rasmus unsicher an.
Er schien nicht richtig glauben zu können, was er eben gehört hatte. Zumindest vermutete ich das, denn ich konnte mir keinen anderen Grund für seine offensichtliche Sprachlosigkeit vorstellen.
Innerlich machte ich mich schon auf einen Wutausbruch gefasst - nach seiner Art.
Er würde wahrscheinlich nicht rumschreien, mit Vorwürfen um sich werfen und am Ende heulend in einer Ecke schmollen.
Die Vorstellung, dass Rasmus sich wie ein trotziges kleines Kind verhielt, amüsierte mich. Ich musste mich zusammenreißen nicht zu grinsen,  denn ich konnte mir die Szene geradezu bildlich vorstellen. Der Gedanke hatte etwas unfreiwillig komisches.

Wenn ich jedoch genauer darüber nachdachte, konnte ich überhaupt nicht einschätzen, wie Rasmus reagieren würde. Das wiederum verunsicherte mich und brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
Worauf ich allerdings nicht gefasst war, war die relativ ruhig ausgesprochene Frage:
"Warum willst du nicht transformieren?"

So nannte man das also. Ich versuchte, mir diese neue Information zu merken, doch nach der vorherigen Stunde Geschichte ging nicht mehr viel in meinen Kopf.
Von seiner Frage völlig überrascht und überfordert antwortete ich spontan und ohne nachzudenken: "Ich will es einfach nicht."

Dass das keine richtige Antwort auf seine Frage war, war mir durchaus bewusst. Ich hatte mit nur keine Begründungen zurechtgelegt, warum ich nicht am Kampfunterricht teilnehmen wollte.
Ich versuchte, mir irgendetwas plausibel klingendes einfallen zu lassen, doch mein Kopf schien wie leergefegt.

Denk nach, denk! schrie ich mich gedanklich selbst an. Doch trotz meiner sonst so lebhaften Phantasie fiel mir auf die Schnelle nichts ein.
Na ja, fast nichts. Aber ich hatte grundsätzlich keine Lust, die Ich habe Angst Karte zu spielen. Ich wollte nicht für schwach und zimperlich gehalten werden, nur, weil ich ein Mädchen war.
Der Zweck heiligte nicht die Mittel, doch vermutlich würde ich dieses Mal über meinen Schatten springen müssen. Lustiges Wortspiel, bemerkte ich mit einem Anflug von Ironie und trockenem Humor.

Rasmus starrte mich immer noch unverwandt an, offenbar erwartete er noch einen Zusatz zu meinen Ausführungen. Er schien mich nicht so einfach davonkommen zu lassen.
Innerlich laut aufseufzend ergab ich mich in mein Schicksal und brach das Schweigen.
Sollte er mich doch wegen meiner ausbleibenden Antwort für störrisch halten. Gleich würde aufgrund der Antwort auch noch schwach dazukommen.

"Ich...hab Angst."
Es kostete mich einiges an Überwindung diese Worte auszusprechen. Doch Talent zum Schauspielern besaß ich offensichtlich nicht, denn den Satz kaufte ich mir nicht mal selber ab. Tonfall, Gesichtsausdruck, Lautstärke, alles passte nicht. Ich war keine geübte Lügnerin und auch Rasmus hatte das jetzt sicherlich bemerkt, darauf hätte ich wetten können.
"Ich meine: Was passiert dann mit mir? Tut es weh? Kann mir mein Schatten etwas antun?", schob ich schnell hinterher.

Rasmus schwieg. Es schien mir fast so, als ob er nicht genau wusste, was er auf diese Frage antworten sollte.
Er schien die Angewohnheit zu haben, seinem Gesprächspartner direkt in die Augen zu sehen. Fast schien es mir, als ob er ergründen wollte, warum ich diese Frage gestellt hatte. Ich wartete gespannt auf meine Antwort.

Die kam jedoch nicht sofort. Während ich ihn weiter beobachtete, bemerkte ich, das so etwas wie ein Zittern durch deinen Körper lief. Rasmus' graue Gestalt schien unscharf zu werden, mit seiner Umgebung zu verschwimmen. Er ballte die Fäuste und spreizte seine Finger gleich darauf wieder, sein Blick starr, sein Körper wie unter Hochspannung. Dann ging eine Veränderung an ihm vor.
Über seine nach oben gerichteten Handflächen rollte ein Tropfen Blut. Ich schlug mir die Hand vor den Mund als weitere Tropfen hinzukamen und zu einem kleinen Rinnsal wurden.
Dann jedoch fühlte ich wieder die allzu bekannte Kälte in mir aufsteigen. Es war kein Blut, dass über Rasmus' Hand lief. Die Flüssigkeit war dunkel und zähflüssig. Es war die Substanz des Schattens.
Sie floss aus seiner Haut, tropfte von seinen Haarspitzen und sammelte sich in einer Pfütze zu seinen Füßen. Es war gruselig anzusehen, doch ich verspürte eine gewisse Erleichterung, als ich das Grün seiner Augen wieder erblickte und seine Haut und seine Haare ebenfalls wieder ihr normales Aussehen hatten. Man fühlte sich gleich etwas weniger beklommen.
Die Pfütze, in der Rasmus stand, zerfloss und verflüchtigte sich ebenso wie der Schatten entstand.

Als der Schatten vollständig verschwunden war, öffnete Rasmus endlich den Mund und schien zu einer Antwort ansetzen zu wollen, doch in diesem Augenblick klopfte es und die Tür wurde geöffnet.
Unsere Köpfe ruckten herum und der Blickkontakt brach ab. Ich spürte einen leichten Anflug von Ärger. Wer musste denn gerade jetzt stören?
Andererseits war es auch erleichternd, nicht mehr mit Rasmus allein zu sein. Er war mir immernoch suspekt.

Na ja, es würde wahrscheinlich dauern, bis ich bei ihm von etwas anderem überzeugt war. Er schien nicht viel von sich preiszugeben. Ich sah aber auch keinen Grund, warum er es ausgerechnet bei mir tun sollte.

Frau Herlend stand im Türrahmen.
"Es tut mir leid, dass ich euch stören muss," sagte die und lächelte uns gewinnend an. "Felicia, du wirst vom Direktor erwartet."
Die Nachricht überraschte mich. Ich hatte im ersten Moment keine Ahnung, worum es sich handeln sollte. Ob es wohl um meinen etwas anderen Vorstellungen von meinem Stundenplan ging?

"Rasmus, begleitest du sie bitte? Ich muss jetzt wieder zu meiner Klasse."
Ich sah zur Seite und bemerkte verblüfft, wie Rasmus Gesicht sich merklich verfinstert hatte. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. War er sauer, weil Frau Herlend seinen Unterricht unterbrochen hatte? So wichtig schien ihm das doch eigentlich nicht zu sein.
Rasmus nickte knapp und erhob sich.

Als ich wieder nach vorne schaute, war Frau Herlend schon wieder verschwunden. Ich hörte nur noch den Hall des Klackerns ihrer Absätze auf dem Flur. Einen Moment lauschte ich ihnen nach, bis das Geräusch verklang.
"Also, wollen wir?", fragte ich vorsichtig und erhob mich.
Sein Losgehen wertete ich mal als ja.

Hallöle :)
Endlich mal wieder ein weiteres Kapitel. 😅
Ich hab mal ne generelle Frage an euch: Soll ich in den Kapiteln mehr Absätze machen? Ist euch das Ganze etwas zu unstrukturiert?
Ich freue mich über eine Rückmeldung.😊
Eure Eule1805

Iztal - SchattenspielWhere stories live. Discover now