13. Kapitel

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Das Mädchen stürmt aus dem Raum. Ihr ist es egal, wohin sie läuft. Hauptsache sie kommt von diesem Ort weg. Sie will nie wieder zurück an diesen Ort, an dem sie nur noch eine Hülle ist. Sie ist nicht mehr das kleine Mädchen, dass alles mit sich machen lässt und sie ist nicht mehr naiv. Sie sieht die Katastrophe, die sich vor ihnen auftut. Der Krieg würde alle dazu zwingen Position für eine der Seiten zu beziehen. Vielleicht nicht heute oder morgen. Aber irgendwann bestimmt. Das Mädchen versteht nicht warum ihr Vater und die Anderen das nicht verstehen. Stattdessen soll sie gute Miene zum bösen Spiel machen. Sie soll eine Rolle spielen und eine Maske aufsetzen. Sie soll sein wie jeder andere. Eine Person ohne Persönlichkeit soll sie sein oder eben normal. Das sie das nicht sein kann und nicht sein will sieht niemand. Längst sind ihre Wünsche allen Anderen egal. Sie verzieht ihr Gesicht, als ihre Finger über den Schnitt an ihrem rechten Schlüsselbein streichen. Menschen sind nicht immer gerecht. Sie können anderen Menschen weh tun. Die Wahrheit tut mehr weh als jeder Schnitt. Eigentlich ist dieser nicht so schlimm.

Als sie endlich stehen bleibt, ist sie auf der Lichtung. Der kleine Bach, der die Lichtung quert, murmelt fröhlich vor sich hin. Die Bäume rauschen sanft im Wind und das Gras kitzelt an ihren Handflächen, als sie sich fallen lässt. Dies alles passt eigentlich nicht zu der Stimmung des Mädchens aber es beruhigt sie. Sie beginnt zu überlegen, was sie machen kann. Ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Eigentlich kommt sie hier nicht weg. Sie wird zurück müssen. Zurück zu der schmerzenden Wunde und der Person ohne Persönlichkeit. Dieser Umstand schürt ihre Wut. Sie ist plötzlich da und vertreibt ihre Trauer. Doch Wut ist keine Lösung. Während das Mädchen auf das Rauschen der Bäume und den murmelnden Bach hört, vernimmt sie plötzlich auch noch ein weiteres Geräusch. Es ist ein leiser Laut, aber er ist erfüllt von Schmerzen. Aufgeschreckt schaut sich das Mädchen um und entdeckt etwas dunkelrotes im hohen Gras. Ohne Scheu nähert sie sich diesem Etwas und steigt dafür über den Bach, der sie getrennt hatte. So schnell sie aufgestanden ist, so schnell zuckt sie auch wieder zurück. Im Gras liegt ein großer majestätischer Drache. Er schaut sie mit seinen grünen Augen an. Dem Mädchen läuft ein kalter Schauer über den Rücken. Sie kennt einige Drachen, auch aus der nähe. Aber ein solches Exemplar hat sie noch nie gesehen. Er macht ihr Angst mit seinen grünen Augen, die sie fixieren und mit seiner imposanten Größe. Dann öffnet er sein Maul. Das Mädchen erstarrt und beginnt zu zittern. Doch anstatt eines Feuers kommt nur wieder dieser schmerzerfüllte Laut aus dem Maul des Drachens. Ein Pfeil steckt in einer seiner Seiten, doch er kann ihn nicht erreichen. Die Stelle, in der der Pfeil steckt, sieht rot und entzündet aus. Sie scheint sehr schmerzhaft zu sein. Das Mädchen berührt erneut den Schnitt in ihrer Haut. Sie hat mit dem Drachen etwas gemeinsam. Ob er in einer ähnlichen Lage wie sie steckt? Sie kann sich nicht helfen, aber dem Drachen kann sie helfen. Die Neugier und Verbundenheit überdeckt ihre Angst vor dem großen Tier. Langsam nähert sie sich ihm wieder. Er lässt es zu und scheint sein Schicksal in ihre Hände zu legen. Das Mädchen bewundert das Vertrauen des Drachen. Sie selbst hat dieses Vertrauen nicht mehr. Nicht, nach allem was passiert ist. Der Schnitt in ihrer Haut ist nur der letzte Schritt. Sie kniet sich neben den Drachen und begutachtet den Pfeil noch einmal genau. Er scheint schon länger dort zu stecken, aber keine Widerhaken zu haben. Kurzentschlossen packt sie den Pfeil mit beiden Händen und zieht ihn hinaus. Der Drache gibt erneut einen schmerzerfüllten Schrei von sich und schreckt damit ein paar schreckliche Schrecken auf. Sie fliegen über den blauen Himmel davon. Das Mädchen kneift die Augen zusammen, weil sie glaubt, dass der Drache sich jetzt ihrer annehmen wird. Doch dieser bleibt liegen. Nachdem das Mädchen die Augen wieder geöffnet hat sieht sie, dass der Drache sie mustert. Seine Augen haben etwas freundliches und zutrauliches mit ihren großen Pupillen. Nun mustert das Mädchen die Wunde, die der Pfeil hinterlassen hat. Es steht kurzentschlossen auf und schöpft das klare Bachwasser mit ihren Händen. Der Drache bleibt stumm, lässt sie aber gewähren, während sie sich erneut neben ihn kniet und beginnt die Wunde mit dem klaren Wasser zu säubern. Auf der Lichtung wächst auch das ein oder andere Kraut, dass bei solchen Wunden helfen kann. Sie zerreibt sie zwischen den Fingern und trägt es auf die Wunde auf. Dann schaut sie dem Drachen wieder in die Augen und dieser beginnt plötzlich sich zu regen. Er steht auf und kommt auf sie zu. Inzwischen hat das Mädchen ihre Scheu vor dem Drachen verloren. Sie zuckt nicht zurück und lässt den Drachen ganz nah an sich heran. Dieser drückt seinen Kopf in ihren Schoß und sie beginnt ihn zu streicheln. Ein wohliges Geräusch entrinnt der Kehle des Tieres und im nächsten Moment spürt auch das Mädchen die Verbundenheit. Sie glaubt für diesen Moment alles schaffen zu können. Selbst die Wunde an ihrem Rücken schmerzt auf einmal weniger.

Dann ist der Moment vorbei und der Drache hebt seinen Kopf wieder. Er schaut sie noch einmal lange an und das Mädchen weiß, dass sie von nun an verbunden sind und sich wiedersehen werden. Sie hat eine Freundin mehr, denn der Drache ist dem weiblichen Geschlecht angehörig. Sie beschließt dem Drachen einen Namen zu geben, da sie von nun an zusammengehören werden. Während der Drache im Wald verschwindet formt sich auch schon eine Idee in ihrem Kopf. Sie weiß wie sie ihn nennen wird!
Plötzlich ist der Gedanke daran zurückzugehen gar nicht mehr so abwegig. Sie steigt wieder über den Bach und macht sich auf den Heimweg. Von nun an wird alles einfacher sein, denn sie weiß, dass sie im Notfall immer noch von hier weggehen kann und nie wieder zurückkommen.

Falls ihr euch wundert was das hier soll. Überlegt euch doch mal, wer hier sonst immer noch seinen Part hatte, abgesehen von Lorelei. Bis dann, jolannasa

Fünf Jahre - Was davon bleibtWhere stories live. Discover now